Wie geht es auch Psychisch mit dem Job als Altenpfleger/in?

6 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Michelle95P,

ich bewundere (junge) Menschen, die sich auch heute noch für diesen Job begeistern können. Respekt!

Ich selbst bin nicht in dieser Branche tätig - aber meine Nachbarin, die mich beinahe täglich mit Erlebnis-Berichten versorgt (hat).

Wie Du schon selbst schreibst: die Bedingungen sind (auch außerhalb der Corona-Zeit) tw. haarsträubend. Der Verdienst steht in keinem Verhältnis zu der Plackerei und ja, auch psychisch muss man sehr stabil sein.

Meine liebe Nachbarin ist nun seit über 1 Jahr krank geschrieben und wird vermutlich nicht wieder arbeiten können.

Sie ist "normal" gebaut, kein Riese und kein Gewichtheber. Und wenn sie mir geschildert hat, was für Brocken sie alleine durch die Gegend hieven musste ... aus dem Bett, auf´s Klo, anziehen, ausziehen, waschen ... da hätte sie auch genauso gut auf dem Neubau buckeln können, da hat man wenigstens mal jemanden zum mit-anpacken.

Ihr Rücken ist nun im Eimer, eine Operation ist riskant, Chancen auf Heilung = Null.

Und was hat sie nun davon, dass sie ihr Leben lang tw. nachts um 3 aufgestanden ist, geackert hat wie ein Ochse, ekelige Aufgaben wie selbstverständlich gemeistert hat, Überstunden noch und nöcher geschoben hat, kaum ein eigenes Privatleben führen konnte und nun mit gerade mal 60 fast selbst ein Pflegefall ist?

Eine absolut lächerliche soziale Leistung und irgendwann eine Rente, die für alles reicht - aber ganz sicher nicht zum LEBEN.

Zum Glück hat ihr Mann ebenfalls eine Rente.

Ach ja, die Betreiberin der Altenpflege-Firma kenne ich ebenfalls.

Die wohnt in einer ansehnlichen Villa und fährt Porsche Cabrio ....

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Ich will Dir Deine Idee um Himmels Willen nicht ausreden, die Gesellschaft braucht Menschen wie Dich händeringend!

Es tut mir nur so verdammt leid, wie diese schwer arbeitenden, sich aufopfernden Menschen verheizt und nahezu versklavt werden.

Also: stell Deine Psyche noch einmal auf den Prüfstand und frag Dich, ob Du das seelisch und auch körperlich wirklich durchhältst.

Egal, wie du Dich entscheidest: alles Gute!

LG


Michelle95P 
Beitragsersteller
 03.12.2020, 11:53

Vielen Dank. Von mir würde ich behaupten das ich an sich sehr stabil bin. Deshalb beschäftige ich mich auch frühzeitig mit dem Thema um nicht womöglich wie Kollegen von mir zum seelischen und körperlichen Wrack zu werden. Es ist immer einfach von vielen gesagt das man abschalten muss sobald man nach Hause geht, doch wenn ich so eiskalt und abgestumpft bin würde ich nicht die liebevolle Pflege an Menschen leisten können die ich mir für mich selbst wünschen würde. Etwas emphatie ist in mein Augen doch sehr wichtig an diesem Beruf, es sollte nur nicht so viel sein das es mich kaputt macht. Die Waage zu finden fällt mir bei den ein Menschen leichter, beim anderen schwerer. Ich komme mit dem Tod gut zurecht doch mit der Vorstellung das Kollegen so überfordert sind das sie Menschen fixieren und weiteres. Es macht mich traurig das es kaum um eine gute Pflege geht, eher wichtig ist das genug Geld an Träger fließt, ethisch gesehen ist wohl fast jedes Pflegeheim eine Katastrophe.

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PoisonArrow  03.12.2020, 12:19
@Michelle95P

Leider geht es in so ziemlich allen Bereichen immer nur ums GELD.

Auch und gerade in der Altenpflege wurde ja in der Vergangenheit schon heftigst gestritten über Machenschaften und Methoden von Unternehmen, die allesamt nur den Zweck hatten : mehr Kohle scheffeln.

Allein die vielen Kräfte aus Polen / Rumänien ... die dann für NOCH weniger Geld gebuckelt haben - Wahnsinn!

Meine Nachbarin ist / war in der mobilen Pflege.

Auch sie ist definitiv mit "Leib + Seele" in ihrem Job zur Sache gegangen. Manchmal hat sie geweint, wenn sie Geschichten über ihren Alltag erzählt hat. Der Stress, der Termindruck, die viele harte Arbeit - und auf der anderen Seite der fehlende Respekt vor ihrer Leistung, das herum-geschubst-werden, natürlich auch der Umgang mit dem Tod, manchmal auch einfach nur blanke Erschöpfung. Die Familie lebt in "normalem" Rhythmus, und sie muss dann zum 5. Mal die Woche um 3 Uhr aufstehen ... das geht an die Substanz.

Ich hoffe (auch für Dich), dass sich in naher Zukunft noch einiges dreht in Deiner Branche, dass solch aufreibende wie ehrenwerte Berufe entsprechend anerkannt und auch honoriert werden.

Deine Ansichten und Dein Engagement finde ich großartig!

Nochmals : alles Gute + viel Erfolg!

LG

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Mein Tipp: Fachbereich wechseln. Bewirb dich im Krankenhaus. Die Bezahlung ist besser und du wirst dich fachlich enorm weiterentwickeln.

Wichtig in allen Gesundheits- und Sozialberufen ist die Fähigkeit, sich abzugrenzen. Das lernt man normalerweise in der Ausbildung. Nicht zu verwechseln mit Empathielosigkeit.

Wenn man den Job "richtig" macht, sich an die wichtigsten Vorschriften zum eigenen Schutz von Körper und Seele einhält, sind Gesundheits-pflege- und Sozialberufe sehr erfüllend.

Wenn das ganze Team sich über das Vorgenannte einig und im Klaren ist, dürfte eigentlich nichts mehr schief gehen. Ich habe beides kennengelernt: Katastrophenstationen und friedliche Stationen mit einer fröhlichen, positiven Stimmung. Also es geht, wenn alle mitmachen.

Meine Partnerin arbeitet schon viele Jahre in der Pflege, speziell mit Geistig Behinderten Menschen. Dafür muss man geboren sein sagt sie immer und nimmt die Arbeit auch nicht mit nach Hause, obwohl wir schon ab und an mal darüber reden. Sie sieht die gute Sache in ihrer Arbeit und das sie Menschen helfen kann, diese Gedanken geben ihr jeden Tag neuen Halt für ihren Beruf.

Auch wenn es sehr an Personal mangelt und die Entlohnung nicht die Beste ist, versuchen die Kolleginnen untereinander ihr Bestes zu geben und füreinander einzustehen, wenn mal Not am Mann ist.

Meine Mutter war viele Jahre lang in der Altenpflege tätig und hat auch Sterbebegleitung gemacht.

Obwohl sie eine starke Persönlichkeit hat, konnte sie nicht alles nach Feierabend abstreifen.

Heute ist sie im wohlverdienten Ruhestand und hat noch immer nicht alles verarbeitet, was sie erleben musste.


Michelle95P 
Beitragsersteller
 03.12.2020, 10:40

Das verstehe ich sehr gut, es gibt doch einige Bilder die manchmal schwer zu vergessen sind...

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