Wie belege ich die ersten drei der 4 edlen Wahrheiten von Buddha anhand von Beispielen?
1 Antwort
Die erste Edle Wahrheit wird meist so übersetzt: "Alles leben ist Leid." Das stimmt leider nicht bzw ist unzureichend übersetzt. Der Fehler basiert auf einer im Westen weitverbreiteten Fehlübersetzung des Wortes "Leiden". Das Pali Wort dafür ist "Dukkha". Dieses Wort beinhaltet viel mehr wie das Leiden, so wie es im westen verstehen. Dukkha meint zum einen starken Druck der auf einem lastet, z.B. wenn man schwere Gewichte auf dem Rücken stimmt. Zum anderen und das finde ich noch interessanter kann Dukkha für eine kaputte Radachse stehen bzw. für die Reibung, die bei der Fahrt mit einem solchen Rad entstehen würde. Ich würde die berühmte Aussage von Buddha:"Alles Leben ist Leid."anders übersetzten. Ich würde es wie folgt übersetzen: "Alles Leben ist ein belastendes Auf & Ab." Das Leben ist also unbeständig. Selbst wenn du Glücksmomente hast, dann bleibt Fakt, dass diese stets vergehen & durch traurige Momente abgelöst werden.
Es sind die glücklichen Erlebnisse selber, welche auf der anderen Seite der Münze auch oft Leid mit sich bringen. In die Schule gehen z.B. bedeutet etwas lernen zu können, aber gleichzeitig unter den Mühen beim Lernen zu leiden. Ein anderes Beispiel ist, dass ich nur mich darüber freuen kann, etwas Verlorenes wieder zu finden, sofern ich vorher den Schmerz ertragen musste es zu verlieren. Gleichzeitig können schmerzhafte Erfahrungen auf der anderen Seite Glück mit sich bringen. Ein Beispiel wäre ein Mensch, der Mobbing in der Schule ertragen musste. Unter Umständen kann dies genau der Grund bzw die Motivation sein, warum er später bemüht ist andere Menschen vor dieser leidvollen Erfahrung zu schützen. Eventuell wird er sich auch mehr über Anerkennung und Lob freuen, wie ein Mensch der kein Mobbing erleiden musste.
Ich meine mich zu erinnern, er hat gesagt: "Das Leiden überwiegt."
Dazu möchte ich ergänzend auch noch etwas sagen. Denn diese Aussage wird heute auch sehr oft als befremdlich empfunden (hatte selber erst vor zwei Monaten ein langes Gespräch über dieses Thema). Jedoch kann ich dir bzw Buddha absolut zustimmen und ich würde gerne noch darlegen, warum ich das so sehe. Ich habe das schonmal unter einer anderen Frage erklärt, deshalb hier ein Teil der Antwort von damals:
Zum anderen mag es für viele befremdlich sein, zu wünschen nicht mehr wiedergeboren zu werden. Aber wenn man sich einmal über das Leben Gedanken macht, dann wird dieser Wunsch sehr viel nachvollziehbarer:
Leben bedeutet meines Erachtens insgesamt eher Leiden, wie glücklich sein. Ich glaube auch dass viele Menschen, die behaupten glücklich zu sein, öfter Leid empfinden wie Glück. Das hat damit zu tun, dass uns glückliche Erinnerungen mehr im Gedächtnis bleiben, wie Leidvolle, sofern diese nicht traumatisch sind. Beispielsweise erinnert man sich gerne daran, welchen Witz man gestern mit einem Arbeitskollegen gerissen hat, aber es tritt in den Hintergrund, wie schwer einem gestern das Aufstehen gefallen ist und wie wenig Lust man hatte zur Arbeit zu gehen. Letzterer Zustand hält zudem auch noch viel länger an.
Übrigens ist das auch der Grund, warum so viele Leute sagen, dass früher alles besser war wie heute. Beispielsweise erinnern wir uns gerne daran, dass früher ein Eis 20 Pfennig gekostet hat, aber uns ist weniger präsent, das damals bequeme Überweisungen vom Computer aus nicht möglich waren.
Der Buddha hat auch immer wieder betont, dass zum Leben 4 unangenehme Eigenschaften gehören: "Leben bedeutet geboren zu werden, zu altern, krank zu werden & zu sterben." Den Rest des Lebens dafür in Kauf zu nehmen, der zwar glücklich sein kann, aber bei weitem nicht muss ist meines Erachtens nicht erstrebenswert.
Bedenke auch noch, dass wir über 7 Milliarden Menschen auf der Welt sind & mache dir auch bewusst, wie viele Menschen von ihnen unter äußeren Umständen ihr Leben lang leiden müssen. Jeder siebte Mensch hat berechtigte Existenzängste, da es sein kann, dass er nicht genug essen bekommt zu überleben oder Medikamente. Und bedenke zudem, dass es heute zwar jeder siebte ist, aber es im Jahr 1800 85% der Weltbevölkerung waren. Es kann also auch ganz anders sein.
Im Tierreich sieht es nicht besser, ja sogar oft noch schlimmer aus. Die allermeisten Tiere kämpfen täglich um ihr Überleben. Wir können in Tiere nicht hineinsehen, aber ich halte sie für unglücklicher wie sie scheinen. Wir hören in der Früh das Zwitschern der Vögel und denken diese Tiere freuen sich. Die meisten wissen wir doch nicht, dass das für die Vögel harte Arbeit ist, da sie durch das Zwitschern auf den Bereich ihres Reviers aufmerksam machen. Ein Tier kann sich keine Schmerzmedikamente kaufen, wenn es physischen Schmerz verspürt, sondern es muss sogar weiter auf die Jagd gehen. Und wenn man dann noch bedenkt, dass man nach buddhistischer Vorstellung als Tier wiedergeboren werden kann, dann ist der Kreislauf der Wiedergeburten ( Samsara) besonders fragwürdig.
Natürlich könnte man auf die Schönheit dieser Welt aufmerksam machen und möglicherweise ist sie auch schön, aber auch nur solange man sie von außen betrachtet. Anders ist es, wenn man eine Rolle in dieser Welt einnimmt. Du kannst dir das vorstellen, wie wenn du einen Actionfilm oder Horrorfilme ansiehst. Du siehst dir diesen Film vielleicht gerne an, aber ich glaube nicht, dass du gerne Teil dieser Handlung wärst.
Ich möchte noch anmerken, dass das Eintreffen von guten Ereignissen neutraler Natur ist, weil wir diese Dinge meistens als selbstverständlich nehmen, während das Eintreffen von schlechten Ereignissen sich alles andere als neutral geschweige denn gut anfühlt. Denke z.b. an die erfolgreiche Landung eines Flugzeuges und an einen Flugzeugabsturz. Der Philosoph Aristoteles hat ein sehr gutes Zitat dazu gegeben: "Nicht dem Glück, sondern der Schmerzlosigkeit, geht der Verständige nach."
Kein Problem - du hast natürlich völlig Recht. Aber ich habe in meiner Antwort ja versucht darauf hinzuweisen, daß ich eher für Beginner schreibe, und nicht für jene, die bereits meditativ in die Bereiche des "verborgenen Leides" vorgedrungen sind. Ich für meinen Teil werde jedenfalls noch geraume Zeit das Wechselbad von Freude, Leid und Neutralität erleben😉.
Vielen lieben Dank für so einen großen Text und so einer Ausführlichen Antwort!
Vielen Dank für diese ausführliche Antwort, mit der du wirklich genügend Beispiele (zumindest bezogen auf die erste Wahrheit) gegeben hast.
Ich bin mir sicher, daß du selbst die richtige Ansicht hast, will aber ein paar kleine Ergänzungen bringen, da ich meine, daß weniger belesene Menschen sich sonst eventuell eine etwas eingeschränkte Meinung bilden könnten:
Ich meine mich zu erinnern, er hat gesagt: "Das Leiden überwiegt".
Das ist ein großer Unterschied gegenüber dem grundsätzlichen "alles". Diskutieren könnte man natürlich "endlos" über das genaue Verständnis. Das was wir Normalos als Lust und Freude betrachten, hat der Buddha (von seinem Standpunkt aus) mit "Schwerthieben" verglichen. Bleiben wir also bei uns und unseresgleichen, denen Buddha niemals angemessenes erleben von Freude abgesprochen hat.
Ja, das stimmt, aber auch das Gegenteil davon ist wahr:
Selbst wenn du leidvolle Momente hast, dann bleibt Fakt, dass diese stets vergehen & durch glückliche Momente abgelöst werden.
Stell' dir vor du hast Zahnschmerzen. Bist du unglücklich, wenn sie vergehen? (Übrigens sollten wir nicht vergessen, daß die Erste Edle Wahrheit nicht nur das körperliche Leiden meint).
Ganz übersehen haben wir bis jetzt, daß es auch "neutrale" Momente gibt.
OK, ich gebe zu, daß ich jetzt sehr pingelig war - aber ich möchte damit dem - leider immer noch sehr verbreiteten - Eindruck, daß im Buddhismus nur eine leidvoll-säuerliche pessimistische Stimmung herrscht, entgegentreten.
Mit einer eigenen Antwort habe ich bisher abgewartet, weil ich mir nicht vorstellen konnte, daß einem zu diesen Fragepunkten nichts einfällt. Deshalb hier nur kurz zu den weiteren Punkten:
Als Beispiel könnte man hier (grob vereinfacht) den "Durst", das Verlangen nach Sinnesdingen nennen. Der "Durst" selbst ist ebenfalls bedingt und mit anderen Gegebenheiten verbunden (z. B. Ich-Ansicht). Wenn man etwas wünscht, aber nicht bekommt, ist das mit Leid verbunden. Ebenso, wenn man etwas bekommt (z. B. Zahnschmerzen), das man nicht will.
Durch das Wegfallen der Ursachen erlischt das Leiden. Jetzt müssen wir nur noch wissen, wie wir das anstellen - das wäre dann die 4. edle Wahrheit.