Welchen Sinn hat das Gitter im Beichtstuhl?
Im Kirchenrecht wird in bezug auf den Beichtstuhl als einziges ausdrücklich das Gitter erwähnt.
Manche Gitter sind so gebaut, dass sich Gläubiger und Priester nicht sehen, nur hören, können.
Manche Gitter sind so, dass nur der Priester den Gläubigen (von Licht angestrahlt) sehen kann, der Priester selber sitzt im Dunkeln und ist nicht erkennbar.
Manche Gitter sind so, dass sich sowohl Priester als auch Gläubiger sehen können, zudem kann das Gitter vom Priester auch noch nach Belieben geöffnet werden.
Vor dem Beichtstuhl kniet man in der Schlange, wird daher sowohl von der Gemeinde als auch vom Priester gesehen und erkannt.
Welchen Sinn hat das Gitter also ursprünglich, wenn es ja anscheinend nicht dazu dient, die Anonymität zu wahren? Schützt es den Priester, dass man ihm nicht unterstellen kann, er hätte jemanden angefasst? Schützt es den Gläubigen, damit er sich zumindest in manchen Fällen etwas verstecken kann?
Oder gibt es keine wirkliche Erklärung?
2 Antworten
Nein, die Anonymität ist nicht gesichert, denn man sieht ja die Leute vor dem Beichtstuhl.
Es hat wohl auch nichts mit Mißbrauch zu tun, denn die Gitter gab es schon vor den Skandalen.
Ich denke, die Gitter sollen dem Beichtenden dabei helfen, den Priester abstrakter zu sehen.
Bei der Beichte ist der Priester keine Person, sondern er "leiht" Gott sozusagen das Ohr und den Mund. Und ich denke, das Gitter soll uns helfen uns von der Person des Priesters zu lösen und ihn nur als Sparchrohr Gottes zu verstehen.
Ich denke, das Gitter ist in erster Linie dazu da, den Priester vor der Unterstellung zu schützen, er habe die oder den Beichtenden angefasst. Gleichzeitig schützt es natürlich auch die oder den Beichtenden vor der Unterstellung, den Priester angefasst zu haben. Der Beichtstuhl ist ja von allerlei Legenden und Phantasien umrankt ...
Heutzutage gibt es aber in vielen Kirchen die Möglichkeit des Beichtgesprächs in einem gemeinsamen Raum ohne Gitter. Der Beichtstuhl mit Gitter ist zum einen Tradition, zum anderen kann jeder ihn nutzen, dem diese Art des Beichtens lieber ist als das Gegenübersitzen ohne Gitter.
Wie kommt es dann, dass bald jeder dritte oder vierte Priester (dem ich bisher begegnet bin) jemanden, der zur Beichte kommt, stattdessen zu einem Beichtgespräch im Pfarrhaus, Gemeindesaal, Pfarrbüro, sonst wo ... einlädt bzw im schlimmsten Fall sogar dazu drängt?
Ich weiß nicht.
Du kannst den Pfarrer aber mit Hinweis auf die genannte Vorschrift in den Beichtstuhl "zwingen".
Can. 964 § 3 CIC: "Außerhalb des Beichtstuhls dürfen Beichten nur aus wichtigem Grund entgegengenommen werden."