Was wird beim heutigen Ninjutsu gelehrt?

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Fangen wir mal damit an, wo du theoretisch "sowas wie Ninjutsu" lernen kannst.

Historisch: Viel Wissen der Ninja wurde mündlich überliefert und ist mit Ende der Clans verloren gegangen. Zumindest drei "Schulen" (so die wörtliche Übersetzung der Techniksammlungen) blieben erhalten, deren Großmeister, zusammen mit sechs Samurai-Schulen Toshitsugo Takamatsu war. Der hat den Großmeistertitel aller Schulen an Masaaki Hatsumi weitergegeben, der sie im Bujinkan zusammengefasst hat.

Der Bujinkan ist sozusagen die Mutter des heutigen Ninjutsu. Mehr oder weniger daraus gebildet und separat weiter evolutioniert haben sich Jinenkan und Genbukan, die für sich jeweils beanspruchen, autentischer in Sachen Ninjutsu als der Bujinkan zu sein. Aber das sind so übliche Marketing-Kabbeleien die du in allen Kampfsport- und Kampfkunst-Systemen mit mehreren Verbänden findest, jeder ist der autentischste, effektivste und überhaupt der Geilste. Wo du lernst, hängt eher von deinem Wohnort ab, da es in Deutschland Ballungsgebiete mit Genbukan und Bujinkan gibt. Mach dir nix draus wo du unterkommst. Passt schon. Einzig wenn du z.B. durch Umzug (z.B. von einer Genbukan- in eine Bujinkan-Hochburg) den Verband wechselst, könnte es spannend mit der Anerkennung deiner Graduierungen werden. Der Bujinkan ist das verbreitetste System und ein gutes obendrein.

Letztlich wird ein Mix aus Ninja- und Samurai-Kampftechniken unterrichtet. Kampfkunst halt. Fallen und Rollen, Schläge, Tritte, Hebel, Würfe und für Fortgeschrittene Waffen wie Schwert (trainiert mit einem Bokken, einem Holzschwert) und Stock verschiedener Längen (Hanbo, Jo, Bo). Da Samurai und Ninja gleiche Wurzeln haben, liegt es nahe, die Techniken miteinander zu mischen und ergänzen.

Was zu "echtem Ninjutsu" ein wenig fehlt, sind die Shinobi Iri. Denn über das Genannte hinaus konnte sich der damalige "Ninja von Welt" auch sehr elegant in verschiedensten unwegsamen Geländen bewegen (ich als Sportkletterer habe, obwohl immer noch niedrig graduierter Schüler, mit Segen meines Meisters schon eine Exkursion Felsklettern mit Schwerpunkt Ninja/Shinobi gemacht), reiten, war fit in Wetterkunde, Geologie und Geografie, konnte sich sehr effizient tarnen (das "Verschmelzen mit der Nacht" im schwarzen Anzug ist eher noch ein Klischee, gerne war ein Ninja auch einfach nur sehr gekonnt in Zivil im jeweiligen regionalen Look gekleidet um nicht aufzufallen), hatte Medizinkenntnisse (Nervendruckpunkte - Kyusho Jitsu, im chinesischen Kung Fu in ähnlicher Form auch als Dim Mak bekannt, Naturheilmittel, ...) und wusste mit schmutzigen Tricks zu beeindrucken (den Gegner einschüchtern indem der klischeehafte schwarz vermummte Krieger in einer Rauchwolke auftauchte).

Bis zu den ersten Dan-Graden (also Meister-Graden) gehören auch weitere typische Ninja-Waffen nicht zum Trainingsplan, wie die Sai (Klingenbrecher), Tonfa (Schlagstock), Kettenwaffen (Kusari Fundo, Nunchaku), Wurfklingen (Shuriken) und Weiteren (z.B. Naginata). Diese können aber auch in Seminaren erlernt werden. Kettenwaffen und Wurfklingen fielen eh einem fragwürdigen deutschen Waffengesetz (verboten ohne Ausnahme, während man an Schusswaffen ja noch recht einfach rankommt) zum Opfer, was man umso weniger versteht, wenn man mal im Yoyogi-Park in Tokio geübten Leuten bei beeindruckenden Choreografien mit dem Nunchaku zugesehen hat oder mal selbst einen in der Hand hatte und festgstellt hat, dass man sich als Ungeübter eher selbst damit blaue Flecken zuzieht ehe man jemand Anders schwerere Verletzungen beifügt, überzogenes Verbot auch von Übungs-Nunchakus mit Polsterung und Sollbruchstelle beim Einsatz als Würgewaffe. Im Ausland ist Üben aber möglich bei Seminaren, bei Wurfklingen gelten zudem ähnlich seltsam anmutende Ausnahmen (die recht leicht zu bedienenden Wurfmesser sind legal und frei erhältlich, ebenfalls Stiftklingen, Bo-Shuriken genannt, während die schwieriger zu werfenden Wurfsterne verboten sind - in deutschen Dojos wirft man gerne mal als Ersatztraining mit Bierdeckeln um zumindest die Handbewegung mal gemacht zu haben)

Mit dem zunehmenden Ruhestand der "80er Jahre Ninjas", die damals den Bujinkan in den Westen holten (Stephen K. Hayes in den USA, Brian McCarthy in Irland und alle, die bei ihnen lernten) wirst du Shinobi als Beiwerk zum Bujinkan-Trainingsplan immer seltener finden. Selbsständige Fortbildungen in dem Bereich durch Seminare oder Bücher (die Bücher von Hayes, leider nur noch gebraucht und schwer erhältlich) sind natürlich möglich.

Noch zur Graduierung im Bujinkan: Es gibt 10 Schülerränge die rückwärts gezählt werden. der 10. Kyu, der Einsteiger, trägt einen weißen Gürtel. Vom 9. bis zum 1. Kyu ist man dauerhaft mit Grün (Männer) oder Rot (Frauen) unterwegs, vereinzelt trifft man auch graduierungsunabhängiges Gelb bei Kindergruppen an (bis zu einem gewissen Alter in dem es dann in Grün/Rot gewandelt wird. Die Ränge werden theoretisch durch Sterne unterschieden (0, 1, 2, 3, 4 silberne, dann 1, 2, 3, 4 goldene Sterne), die aber kaum einer trägt. Die Meister vom 1. bis 15. Dan (aufwärts gezählt) tragen Schwarz und werden ebenfalls durch Sterne wie auch durch Abzeichen (trägt auch so gut wie niemand) unterschieden. Der 1. bis 4. Dan nennt sich Shidoshi-Ho (Assistenztrainer - darf aber trotzdem unterrichten und auch bis einem Grad unter dem Eigenen graduieren), ab dem 5. Dan ist man Shidoshi (Meister). Der 5. Dan selbst und alle Folgenden werden nur noch durch Hatsumi selbst in Japan vergeben, graduieren darf man also maximal bis zum 4. Dan. Etwas strittig ist die Bezeichnung Shihan, ein Ehrentitel für hochgraduierte Meister, einige sagen, ab dem 10. Dan, andere sagen, wenn Hatsumi es sagt (in der Regel ab dem 10. Dan ;-)) Über dem 15. Dan kommt nur noch der Großmeister, der nur durch den aktuellen Großmeister als Erbe in diesem Amt ernannt weden kann, den gibts nur einmal. Über die Qualität eines Trainings entscheidet aber nicht die Graduierung, es gibt 1. Dans die besser unterrichten, als so mancher 15. Dan. Sie haben nur nicht so viel Wissen über weitere besondere Techniken.

Das typische Trainignsoutfit ist ein schwarzer Gi (wie ein Judo-Anzug nur schwarz), unter der Jacke wird ein schwarzes T-Shirt getragen. Trainiert wird barfuß oder in Tabis, traditionellen japanischen Stiefeln mit separiertem großen Zeh (drinnen meist mit Leder- oder Stoffsohle um die Matten zu schonen, draußen mit Gummisohle), so manch einer aber auch mit Socken. Hier herrscht also kein so großer Barfuß-Zwang wie im Judo, auch wenn Barfuß schon allein wegen der Rutschgefahr Socken vorzuziehen ist - Tabis mit Wildledersohle sind für Barfuß-Gegner ein gangbarer Kompromiss. Für den Anfang reicht aber auch normale Sportbekleidung, wobei schwarz oder zumindest dunkel gerne gesehen ist. Es sollte aber nicht das teure Funktions-Shirt sein, gerade die Oberteile sind bei Griff- und Wurftechniken stark belastet (daher die Gi-Jacke) und die Hose sollte Bewegungsfreiheit erlauben (darf im Spagat nicht im Schritt reißen). Auch ein weißer Gi (falls du mal Karate oder Judo gemacht hast) geht für den Anfang, dann bist du halt ein "Ninja im Schnee" (solls auch gegeben haben - weiß um mit dem Schnee zu verschmelzen statt schwarz um mit der Dunkelheit zu verschmelzen), in den Probestunden gilt "hauptsache funktionell"


filmfan111 
Beitragsersteller
 13.05.2016, 15:51

Danke sehr für die vielen Infos :)

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Bujinkan Budo Taijutsu ist der richtige name. Aber da ist nicht abgewandelt es werden immer noch die gleichen sachen gelehrt wie damals