Was bedeutet das Glück im Rahmen der Ethik? Epikur, Mark Aurel

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Glück hat für Epikur wie für Marc Aurel noch eine andere Bedeutung als für uns in heutiger Zeit. Für uns ist Glück vorwiegend etwas, das uns von außen unerwartet zufällt, etwas, auf das man in der Regel eher passiv wartet. Glück ist auch eine schlechte Übersetzung für Eudaimonia, was wörtlich bedeutet, "einen guten Geist haben". Für Epikur wie für Marc Aurel bedeutet Eudaimonia mehr ein gelingendes Leben, das von uns selbst durch die richtige Einstellung zum Leben gestaltet wird. Dabei soll die Lebensführung eher so sein, das Glück oder Unglück in Form von Zufall einen eher wenig aus der Bahn werfen. Ein wichtiges Ziel dazu ist für beide die Ataraxia, die Seelenruhe, die Gelassenheit.

Der Unterschied zwischen Epikur und dem Stoiker Mark Aurel liegt in der metaphysischen Grundeinstellung. Epikur strebt danach, die Welt, das Leben, die menschliche Gesellschaft in ihren Formen aus sich selbst heraus zu erklären und strebt nach einer möglichst großen, persönlichen Freiheit in Autarkrie, wozu er manchmal eher zu einer weltzugewandten Askese neigt, hier allerdings Askese im ursprünglichen Sinn. Da heißt Askese = Übung. Die Bedeutung von ausschließlich Verzicht kam erst später in der Trennung von Leib und Seele/Geist, wobei Leib eher als Gefängnis der Seele gesehen wurde und zu züchtigen war. Damit hat Epikur nichts zu tun. Doch auch er schränkt eher die Begierden ein, bevorzugt Meditation und Freundesgespräche, um zur Ataraxia zu kommen. Sein typischer Vorschlag (frei zitiert): Wenn Du jemanden reich machen willst, dann gib ihm nichts dazu, sondern nimm ihm etwas von seinen Wünschen.

Die Stoa kennt ein Göttliches und seine Kraft, den Logos, der sich im Kosmos, der Ordnung der Welt (denn das bedeutet Kosmos=Ordnung) ausdrückt. Gestaltet der Mensch für Epikur sein Leben offen in freier Verantwortung, ist für den Stoiker wichtig, seinen Platz im Kosmos zu erkennen und auszufüllen. In praktischen Lebensweisen sind sich beide dennoch durchaus ähnlich. So ist es nicht überraschend, dass Marc Aurel auch die Epikureer gefördert hat.

Für Epikur wie für die Stoa ist der Mensch allerdings kein Einzelwesen. D.h. als gesellschaftliches Wesen kann der Mensch nie für sich allein ein gelingendes Leben führen. Das ist aber eine Grundüberzeugung aller griechischer Philosophen. Epikur betont die Freundschaft, man könnte auch sagen, die Pflege von Freundeskreisen. Mark Aurel - wie sollte es anders bei einem römischen Kaiser sein - die Gemeinschaft, den Staat, in den sich jeder gemäß seinen Tugenden einzubringen hat. Für beide gilt, was Epikur so schön sagt, dass ein lustvolles Leben nicht möglich ist ohne ein einsichtsvolles und sittliches und gerechtes Leben, und ein einsichtsvolles, sittliches und gerechtes Leben nicht ohne ein lustvolles. Da für Epikur wie für die Stoa Ataraxie die höchste Lust war, würde man besser sagen: dass ein Leben in Gelassenheit nicht möglich ist ohne ein einsichtsvolles und sittliches und gerechtes Leben, und ein einsichtsvolles, sittliches und gerechtes Leben nicht ohne ein Leben in Gelassenheit.