warum ist es so schwer, kunst zu definieren?

12 Antworten

Ich möchte sogar behaupten, dass es ganz und gar unmöglich ist, Kunst objektiv zu definieren. Wenn jemand sein Herz in etwas hineingibt oder sich von einem Werk, das er betrachtet, tief berührt fühlt, dann ist es für ihn Kunst und keiner wird es ihm absprechen können, und wenn sein Nebenmann das Machwerk noch so hässlich findet. Man kann natürlich auch einfach behaupten, etwas sei Kunst, und es für Millionen verkaufen, obwohl jeder es produzieren könnte und der "Künstler" keinen Tropfen Herzblut dafür verschwendet hat. Aber das ist etwas anderes. Unmöglich, wie gesagt.

Weil nur wenige Auserwählte wirklich durchblicken.

Ich kann Dir sagen, was mir gefällt oder nicht gefällt. Ob das dann Kunst ist oder nicht... interessiert mich nicht so besonders.

Obwohl ich glaube, dass ein wirkliches Kunstwerk, sei es gemalt oder gemeißelt  von jedem erkannt wird. Zumindest wenn es nicht um abstrakte Kunst geht. 

Kunst sollte immer auch ein Ausdruck von Kreativität   - in welcher Form auch immer - sein.

Weil es darum geht seine eigene Interpretation in das jeweilige Werk einfließen zu lassen und jeder interpretiert anders

Weil Menschen verschieden sind und verschiedene Idealvorstellungen haben und verschiedene Leben(-sentwürfe). Und Kunst, die auch rezipiert, betrachtet, aufgenommen werden soll, bedient quasi mit auch den Empfänger (kann auch der Künstler selbst sein). Da zweigen dann die ``Geschmäcker´´ auseinander und sogar die Definitionen.

Kunst, die ``an sich´´, ``für sich´´, Selbstzweck oder zweckfrei ist, oder nur dem Künstler dient, ist schwer allgemeingültig zu definieren - das kann dann nur der Künstler im Einzelfall selbst (und da wird auch gern 'mal, was durchfällt, wieder zerstört).

Schwierig ist dann vor allem auch noch alle verschiedenartigsten und verschiedenst motivierte Kunstrichtungen von "klassisch" bis "experimentell", von "abstrakt" bis "gegenständlich", von "schön" bis "aufwühlend" unter einen Hut definiert zu kriegen.

"Kunst" ist damit stark kontextabhängig, so als Wort, als Begriff.

Die Abgrenzung von "Kunsthandwerk", "Gebrauchskunst" und vllt auch kommerzialisierter Kunst, vllt auch Kunst als Tätigkeit, oder nur schon bloße Absicht Kunst zu schaffen, "schöpferisch tätig" zu sein, ferner die Abgrenzung vom "Normalen", hilft vielleicht, dann doch auf soziokulturellem Level allgemein einigermaßen einen Begriff davon zu haben, was Kunst ist oder sein kann.

.. würd' ich sagen.


RoSiebzig  16.09.2017, 22:50

.. und mit "soziokulturell" mein' ich zB die Bedeutung der Kunst in Schule, im Alltag, für den Sammler, für den Liebhaber, auf dem Markt wohl auch, zB was sie bewirkt, wo und wann sie stattfindet, unter welchen Bedingungen (zB Wohlstand, Muße, Langeweile, Material satt zum verarbeiten vorhanden, ..). Oder zB als gesellschaftliches Phänomen in den obigen Bereichen, als ``Option´´ die da ist oder die man hat (Studium, Werkstatt, ..) ``neben´´ vielleicht "Sport treiben" oder "Programmieren lernen" oder ``neben´´ Beruf oder ``normalem Leben´´ oder ``neben´´ ganz anderen Optionen.

Dann auch zB besonders auch als menschliches Phänomen, als geistige Entwicklungsstufe, denn es muß auch erklärt werden, was Musik, Literatur, Malerei und Bildhauerei, Film, u.v.m. zu "Kunst" vereint (Kreativität? ``Das Schöne´´? Ausdruck \ Eindruck? Ein ``Produkt´´ "Kunst"? .. ?). Wie grau sähe es schließlich ohne Kunst aus, auch, zum Vergleich.

Alles kann Kunst sein: Wenn jemand etwas außergewöhnlich gut kann, kann man sagen, wenn ER es macht ist es Kunst .. kann ein Rhetor sein, der gut Leute überzeugen kann, der gut moderieren kann, der gut erklären kann, der gut unterhalten kann (Olaf Schubert mein' ich lol), .. kann ein Sportler sein (Phelps? Bubka? Maradonna? Messi?), .. kann ein Weinbauer sein, ein Koch, irgendwer, .. also das Wort "Kunst" praktisch als Wertung benutzt.

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Kunst zu definieren ist schwierig. Dies wird an vielen Beiträgen zur Definitions-Problematik deutlich. Viele Autoren der Kunstwissenschaft (unter anderem Ernst Gombrich) gehen sogar davon aus, dass eine Definition von "Kunst" gar nicht sinnvoll, nützlich sei. Manche Autoren (unter anderem Christian Demand) halten die geistige Anstrengung, "Kunst" zu definieren, zwar für sinnvoll, ja, nötig, bieten aber selbst keine Definition von "Kunst" an.

Grundsätzlich muss jeder Wissenschaftler einen möglichst klaren Begriff von den zentralen Gegenständen seiner Wissenschaft haben. Die Vorstellung, ein Physiker hätte keinen genauen Begriff von Physik, ein Jurist keinen von Recht usw., dürfte allen Menschen merkwürdig erscheinen. Genau dies wird aber von vielen Kunstwissenschaftlern für normal bzw. sogar normativ erklärt. Nun bin ich in erster Linie kein Kunstwissenschaftler, sondern Sportwissenschaftler, aber einerseits verstehe ich mich allgemeiner als Kultur- und Gesellschaftswissenschaftler, und andererseits begegne ich in der Sport-Wissenschaft einer ähnlichen Situation: Auch dort herrschen derselbe Mangel an einem klaren Begriff für den zentralen Gegenstand dieser Wissenschaft sowie die weit verbreitete Meinung, man könne "Sport" nicht definieren und brauche es deshalb gar nicht erst zu versuchen. Ich habe diesem Mangel mit einem eigenen Definitionsvorschlag für "Sport" abzuhelfen versucht.

Als ich mich mit dem Thema "Bewegungskultur und Sport in der bildenden Kunst" beschäftigte, stellte ich fest, dass in der Kunstwissenschaft (oder wie immer sie bezeichnet werden mag; Kunstgeschichte ist die traditionelle Bezeichnung, aber es geht in der Wissenschaft der "Kunst" nicht nur um Historisches!) eine der Sportwissenschaft sehr ähnliche Situation vorzufinden ist: Auch hier ist der zentrale Begriff dieser Wissenschaft so entgrenzt, dass unter "Kunst" alles Mögliche verstanden werden kann. Ähnlich wie in der Sportwissenschaft entstehen auf solche Weise eine völlige Beliebigkeit und Unklarheit im kunstwissenschaftlichen Diskurs.

Wer sich mit dieser Entwicklung (bzw. mit diesem Zustand) nicht abfinden mag, muss sich dem mühevollen Unterfangen stellen, den Begriff "Kunst" (als zentralen Gegenstand der Kunstwissenschaft) zu klären, seinen Umfang bzw. seine Grenzen zu bestimmen, und das heißt, "Kunst" zu definieren; und diese (Arbeits-) Definition muss öffentlich bekannt gegeben werden. Dies tue ich hiermit in der Hoffnung auf fördernde Resonanz aller derer, die sich um klare Begriffe in den Kulturwissenschaften bemühen.

Eine Definition soll die Bedeutung eines Begriffs bestimmen, festlegen, ein- bzw. abgrenzen. Zur Klarstellung gleich vorweg: Eine Definition als eine Vorschrift o.ä. zu begreifen, wäre ein Missverständnis. Jeder denkende Mensch bildet sich seine je eigene Meinung und benutzt Worte in seiner je eigenen Bedeutung. Dies sollte man aber nicht subjektivistisch oder konstruktivistisch übertreiben. Wir sind gesellschaftliche Wesen, auf Austausch und Verständigung mit anderen Menschen angelegt, in der Wissenschaft sowieso. Wenn wir uns aber mit anderen Menschen verständigen wollen, die ja einen eigenen Wortgebrauch haben, müssen wir unseren Wortgebrauch klären, zumindest auf Nachfrage klären können. Wissenschaftler müssen darüber hinaus von vornherein, ohne auf Nachfrage zu warten, zumindest ihre zentralen Begriffe klären. Wenn KunstwissenschaftlerInnen sich gegenseitig ungefragt mitteilen, was sie unter Kunst verstehen, dann tun sie nur das Notwendige; wenn sie es unterlassen, ist das ein schwerwiegendes Hindernis für die Verständigung. In diesem Sinne ist das Definieren eine notwendige Vorleistung für den wissenschaftlichen Austausch von Erkenntnissen und Meinungen.

Nun sind Definitionen bekanntlich nicht Instrumente, die in erster Linie die Wirklichkeit verändern sollten oder gar könnten; vielmehr soll hauptsächlich die vorgefundene (objektiv gegebene) Wirklichkeit in ihnen klar und trennscharf auf den Begriff gebracht werden. "In erster Linie", "hauptsächlich" - mit dieser Wortwahl habe ich schon angedeutet, dass in allen Worten, also auch (oder erst recht) in Definitionen, eine Vorstellung davon repräsentiert ist, wie die Wirklichkeit auch sein könnte. Ich verfolge mit meinen Worten (und damit auch Definitionen) einerseits kein nur objektivistisches Ideal (das sowieso nicht erreichbar ist). Andererseits verstehe ich meinen Wortgebrauch auch nicht als nur subjektivistisch oder konstruktivistisch. Dies bedeutet, dass ich die oben angedeutete Priorität akzeptiere, in der beides aufgehoben ist: Definitionen sollten so klar und trennscharf wie möglich die Wirklichkeit auf den Begriff bringen und zugleich in aller Feinheit zumindest andeuten, wie die Wirklichkeit auch sein könnte.

Man kann mehrere Arten des Definierens unterscheiden: Real- (oder Wesens-) Definition, Nominaldefinition, Feststellungsdefinition, ostentative und operationale Definition. Ich schlage - entsprechend einer auf Aristoteles zurückgehenden philosophischen Tradition - eine sogenannte Realdefinition vor. Sie soll das Wesen des Gegenstandes eines Begriffes festlegen durch Angabe der nächsthöheren Gattung (genus proximum) und des artbildenden Unterschiedes (differentia specifica). "Fehler" kann man bei einer regelrechten Definition auch machen, wenn sie z.B. zu eng oder zu weit ist, Widersprüche enthält, unklar formuliert ist, eine negative Formulierung oder gar das zu definierende Wort selbst enthält (vgl. Regenbogen, Arnim; Uwe Meyer (Hrsg.) (2013): Wörterbuch der philosophischen Begriffe, begründet von F. Kirchner und C. Michaelis, fortgesetzt von J. Hoffmeister, vollständig neu herausgegeben von A.R. und U.M. Hamburg: Felix Meiner 2013 (= Philosophische Bibliothek, Band 500), Stichwort "Definition". (Nach der analytischen Philosophie in der Tradition Rudolf Carnaps wäre für meine Definition eine Bezeichnung als "Begriffsexplikation" genauer; vgl. Cohnitz, Daniel: Wann ist eine Definition von 'Kunst' gut?; letzter Zugriff: 24.12.2020).

Wenn man eine solche Definition erarbeiten will, wie sie in den meisten Wörterbüchern und Lexika geboten wird, muss man sich zunächst also Gedanken machen, zu welcher Gattung Kunst gehört, welche Begriffe auf derselben Ebene angesiedelt sind und welches die nächst(höher)e Gattung (Begriffsebene) ist. Den Begriff Apfel z.B. der Gattung Obst zuzuordnen, wärde einen Schritt zu weit gehen, weil Kernobst die nächsthöhere Gattung ist. Für mich ist die nächsthöhere Gattung für den Begriff "Kunst" "Tätigkeitsfeld". Kunst ist eines von vielen Tätigkeitsfeldern. Die Fülle von Tätigkeitsfeldern habe ich schon etwas eingeschränkt durch das Adjektiv "kulturell". Die Elemente meiner Definition erläutere ich ausführlicher weiter unten.

Im zweiten Schritt muss man den "artbildenden Unterschied" benennen, also das, was das (kulturelle) Tätigkeitsfeld Kunst von anderen (kulturellen) Tätigkeitsfeldern unterscheidet. Dies sollte so knapp und klar wie möglich formuliert werden mit Worten bzw. Begriffen, die möglichst allgemein verständlich sind. Aus der grundsätzlichen Notwendigkeit, dass die hierbei verwendeten Begriffe ja ihrerseits wieder definiert werden müssten, folgern einige Autoren, dass ein solches Vorgehen letztlich zirkulär sei, was einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Definitions-Regeln darstelle; daher könne bzw. müsse man solches gar nicht erst versuchen. Dieses Bedenken ist ebenso puristisch wie unfruchtbar. Meines Erachtens ist es sowohl hinreichend als auch notwendig, die in der Tat logisch denkbare Zirkularität als eine "Unschärfe" in Kauf zu nehmen, um praktisch einen großen Gewinn an begrifflicher Klarheit zu erwerben.

Klar ist, dass auch diese Definition subjektiv ist, das Ergebnis (m)einer Handlung und (m)einer Entscheidung. Diese Subjektivität ist unhintergehbar. Andere werden anders handeln und entscheiden. Wissenschaft besteht natürlich aus dem Auseinandersetzen mit anderen Subjekten, ihren Handlungen und Entscheidungen - mit dem Angebot, das eigene Handeln und Entscheiden nachvollziehbar zu begründen und damit nachprüfbar zu machen. Wenn Kunstwissenschaftler (ebenso wie viele zur Zeit maßgebliche Sportwissenschaftler) den Standpunkt vertreten, man könne "Kunst" nicht definieren, so verweigern sie sich dem, was (Kunst- und Sport-) Wissenschaft grundlegend ausmacht: mit geklärten Grundbegriffen kommunizieren; sie bleiben damit im unklaren Alltags-Sprachgebrauch.

Alle Elemente meiner Kunst-Definition sind notwendig, und nur gemeinsam sind sie hinreichend. Dies bedeutet, dass eine Tätigkeit schon dann nicht mehr zum Tätigkeitsfeld "Kunst" gehört, wenn auch nur eines der definierenden Elemente nicht gegeben ist. Dies ist eine Denkfigur, die klare Abgrenzung ermöglicht, und dies ist schließlich der Wort-Sinn des Definierens.

Hoffe es hat dir geholfen 😉

LG magicbamboo 😄