Stellungnahme zu Epikur?

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In der antiken Philosophie geht es immer um die Frage, wie soll man leben, um jederzeit auf ein erfülltes Leben zurückschauen zu können. Heute würde man sagen: Wie soll man leben, damit man sich jederzeit im Spiegel mit ruhigem Gewissen anschauen kann. Diese Einstellung zur Selbstgestaltung des Lebens ist erst vom Christentum abgelöst worden, das durch Gebote und Verbote aus göttlicher Allmacht vorgegeben hat, wie man zu leben habe. Lebensphilosophie ist also keine Spezialität von Epikur, wie hin und wieder zu lesen ist, sondern Epikur unterscheidet sich von den Antworten anderer Philosophen durch seine grundsätzlich rein innerweltliche Einstellung, frei von Maßstäben höherer Mächte wie der Ideen bei Platon, wie des Logos der Stoa.

Wichtigstes Ziel Epikurs ist ein möglichst selbstbestimmtes, freies und autarkes Leben. So ist ihm Naturwissenschaft ein Mittel der Aufklärung, sich von Ängsten vor unverstandenen Naturerscheinungen zu befreien. Zu dem zitierten Satz ist wichtig, dass einer der Vorläufer Epikurs der Philosoph Parmenides ist, der betont, dass eine vereinfachte (hin und wieder durchaus hilfreiche) Denkweise der Menschen sei, polare Betrachtungen gegenüber zu stellen wie: Licht und Dunkel, Gut und Böse, Lust und Schmerz. Zwischen Licht und Dunkel gibt es z.B. im Übergang von einem Extrem ins andere eine ganze Palette von Grauabstrufungen. Die Menschen neigen nun dazu, die Extreme als je eigene Entitäten einander gegenüber zu stellen und die den gesamten Bereich der Grautöne auszusparen. Das ergibt zwar eine hohe Trennschäfe, verzerrt aber auch die Betrachtung, da der größte Teil der Erscheinungen keine Beachtung findet. Eine ganze Skala von Lichtvarianten wird auf zwei Extreme verkürzt.

Epikur sieht die Skala der Lebensbefindlichkeiten von der Natur in ihrer Bewertung vorgegeben. Schmerzen, Unwohlsein, schlechtes Gefühl sind auf der Skala der Empfindungen Warnsignale der Natur, dass unser Überleben gefährdet ist. Lust, gute Gefühle, Freude sind auf der Skala ein Zeichen der Natur, dass wir uns in Punkto Überleben auf der richtigen Seite befinden ("eine uns angemessene Natur der Lust"). Doch anders als Tiere, die rein intuitiv auf diese Natursignale reagieren, durchlaufen beim Menschen die Signale der Empfindungen die Reflexion unseres Verstandes und der Vernunft. Idealer Ort der Lebensempfindungen auf der Skala der Lebensbefindlichkeiten ist für Epikur daher weder das Extrem des Schmerzes noch das Extrem übertriebener Lust sondern ein Bereich der Schmerzfreiheit und inneren Ruhe und Gelassenheit. Man könnte das den "grünen Bereich" der Lebensempfindungen nennen, in dem auch mal stärkere Empfindungen von Lust - körperlicher wie geistiger - willkommen sind, aber auch Schmerzen akzeptiert werden können, wenn sie z.B. wie beim Besteigen eines Berggipfels bewusst in Kauf genommen werden, um dann das phantastische Erlebnis des Gipfelblicks zu bekommen. D.h. im "grünen Bereich" wägen wir ab, wieviel "Lust" uns gut tut, ohne uns z.B. abhängig zu machen (Sucht des Spielers, Sucht des Alkoholikers, Gier als Form der Sucht), wieviel Scherz uns erträglich erscheint, um ein höheres Ziel zu erreichen. Eigene Erfahrungen und die Erfahrungen anderer Menschen verhelfen uns dabei zu ausgewogenen Urteilen in differenzierender Gelassenheit.

Zur Lust hat ja Epikur auch gesagt, dass man sich vorher überlegen soll wie es einem geht wenn man sie befriedigt und wie es einem geht wenn man sie nicht befriedigt (die epikuräische Schule grenzt sich von der Schule der Stoiker (Seelenruhe, inneres Gleichgewicht  usw.) ab.

Also ich versuche mal eine Deutung: Eine Lust die wir in uns verspüren, ist zuvorderst wohl ein Gefühl das in uns steckt und das wir wollen und da wir dann im Einklang mit uns sind ein Gut.

(Nach Platon ist ein Gut etwas dass wir anstreben; und ein Übel was wir meiden).

Also wenn ich Lustgefühle/ oder Liebesgefühle für einen anderen empfinde, dann sind das meine Gefühle und durchaus meiner Person angemessen (ich empfinde eben so wie meine Natur es will), also ein Gut. Dahin gehend kann ich der anderen Person meine Liebe offenbaren und mit und durch sie meine Lust befriedigen.

Wenn ich Lust habe aus Übermut jemanden zu verprügeln, der andere locker doppelt so stark ist wie ich selber, dass sind das auch Gefühle (vielleicht die Lust der Hochmut) in mir aber ich muss dieses Gefühl - diese Lust nicht ausleben - ich muss mich ja nicht mit dem anderen prügeln (unabhängig von der Stärke des anderen - gibt es ja noch andere Wege der Kommunikation, und ich muss nicht diesem Gefühl der Lust nachgeben).

Der Schmerz ist der Lust bei Epikur entgegengesetzt, auf Schmerzen verzichtet der Mensch doch eher (so wie bei Platon die Übel) lieber; wer erleidet denn schon gern Schmerzen (bitte die Sado- masochischtischen Spielchen - die ein anderes flair haben hier außerachtlassen), welcher Kranke freut sich nicht wenn die unerträglichen Bein- oder Zahnschmerzen weichen.

Doch es kann trotz der Grundregel (Schmerzen zu fliehen) wohl nach Epikur auch Ausnahmen geben. Die Einnahme einer bitteren Medizin, verursacht oder fördert keine Lustgefühle, sie dient aber dazu meine Gesundheit zu fördern.

Jeder operative Eingriff ist (zumal in einer Zeit wo es noch keine Anastesie gab) mit Schmerzen verbunden, wundes Fleisch wurde weggeschnitten (ich erdulde Schmerzen damit es mir besser geht.)

Vielleicht sind die Beispiele nicht die besten, aber sie können ungefähr andeuten warum sich Epikur nicht für totale Lustbefriedigung oder totale Schmerzverweigerung aussprach, aber grundsätzlich in der Befriedigung von Lüsten oder wünschen ein inneres stimmiges Konzept sah, dessen Erfüllung der Mensch sich nicht grundweg versagen sollte (Epikur setzte ich die Asketen gegenüber, die sich von allen weltlichen oder irdischen Gelüsten fernhalten - doch sie opfern zuviel - sie sind ja keine reinen Geistwesen und das transzendente Jenseits konnte bisher nur postuliert jedoch nie bewiesen werden.


Das soll heissen, dass Du nicht jedem Impuls/Antrieb nachgehen sollst, aber Du solltest auch nicht jeder Angst oder jedem Schmerz aus dem Weg gehen

lust und leid sind menschliche emotionen, die durch das ich zu steuern sind, wenn man es trainiert