Schopenhauer Mitleidsethik?

2 Antworten

Du musst ausgehen von dem Zentralbegriff bei Schopenhauer, dem Willen zum Leben.

Der Hauptantrieb aller Lebewesen (für Schopenhauer das Ding an sich) ist der „Wille“, und der ist von Grund auf böse. Er hat zwei verheerende Eigenschaften: er ist unersättlich, will für das Einzelwesen nur das Beste, Größte, Optimale; insofern ist er total egoistisch. Zum anderen führt dieses hemmungslose Streben aber dazu, dass es mit Leiden verbunden ist; denn je stärker der egoistische Wille ist, desto größer ist auch das Leiden. Die einzige Erlösung ist durch die Verneinung des Willens zu erreichen (in der Realität wohl durch Dämpfung). Diese Verneinung bringt das Mitleid (und alles andere Edle im Menschen) hervor. Im Idealfalle kann man den Willen sogar völlig ausschalten; das aber gelingt nur dem Heiligen.

Besorge dir eine Schopenhauer-Ausgabe und lies im 4. Buch "Welt als Wille, Zweite Betrachtung", insbesondere das Kapitel "Von der Nichtigkeit und dem Leiden des Lebens" - Von der Bejahung des Willens zum Leben" und "Zur Lehre von der Verneinung des Willens zum Leben

Siehe auch: Wolfgang Korfmacher, Schopenhauer zur Einführung, Kap. 4: Willensmetaphysik II (Verneinung des Willens zum Leben)

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Pyramesse27806  09.05.2024, 13:22

Es kommt darauf an, was wir wollen, es muss kein Leiden zur Folge haben. Egoismus ist vielfältig.

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Haldor  09.05.2024, 15:36
@Pyramesse27806

Schopenhauer nennt auch die Langeweile der Reichen Leiden. Wem es nicht gelingt, sich ein neues Ziel zu setzen, der stirbt vor Langeweile. Aber allein schon die Zielsetzung, zu der jeder gezwungen ist (will er nicht vor Langeweile oder durch Nichtstun zugrunde gehen), bringt automatisch Leiden hervor (z.B. Stress, Aufregung, ständige Anspannung wegen der Maloche u.a.m). Deshalb sagte er in seinem Hauptwerk, Bd. 4: "Wir sollen elend sein, und wir sind's." Du kannst nicht einfach, so aus der Hüfte heraus geschossen, sagen "muss kein Leiden zur Folge haben." Das Leiden verbirgt sich, umgibt sich immer mit einem Anschein des Glückes. Was man in den Familien nah und fern an sich vorüberziehen sieht und was von sich behauptet, man sei glücklich, ist meistens Tünche, Fassade, weil das Leid sich nicht zu erkennen gibt. Es täuscht Glück vor, weil man die eigene (Leidens-) Schwäche nicht zugeben will.

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Pyramesse27806  09.05.2024, 16:31
@Haldor

Nicht die Zielsetzung bringt Leiden hervor, sondern das Nichterreichen. Außerdem gibt es das ausgleichende Glück ( Seneca) . Schopenhauer lebte nicht in einer Wohlstandsgesellschaft. Für die Menschen war das Leben mehr ein Überlebenskampf. Daher der Pessimismus und die Melancholie der Darstellungen.Des Weiteren begab er sich in die Welt der Empfindungen in der man sich schnell mal verirren kann. Diese Bemerkung war nicht aus der Hüfte heraus, sondern wohlüberlegt. Denn beim Egoismus kommt es auf das Was und das Wieviel an, auf die Differenzierung.

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Haldor  09.05.2024, 17:21
@Pyramesse27806

Das Nichterreichen des Zieles bringt selbstverständlich auch Leiden hervor, da hast du vollkommen recht. Aber auch die Zielsetzung als solche, da sie mit Anstrengung, Angst, Stress, Maloche etc. verbunden ist. Hat man das Ziel erreicht, ist man zwar ganz kurze Zeit glücklich, aber sofort muss man sich ein neues Ziel setzen, was wieder Anstrengung, Angst (vor dem Nichterreichen), Stress und Maloche bedeutet. Wer aufhört, sich ein Ziel zu setzen (ein Reicher) stirbt vor Langeweile oder er muss zusehen, wie andere, die sich ein Ziel gesetzt haben (z.B. Beförderung), an ihm vorbeiziehen, was wieder Leiden hervorruft, da man ja irgendwie auf der Strecke bleibt. Der satte Spießer, der irgendwann aufgehört hat, sich ein Ziel zusetzen, ist von Neid erfüllt, wenn er die anderen sieht, die weitergekommen sind als er. Der Neid aber bedeutet auch Leiden. Sagt er, er sei neidlos glücklich, lügt er.

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Ein Problemchen dabei ist der Begriff "Moral", denn die Regeln dieser "Moral" wurden von der Kirche bestimmt. Ersetze einfach "Moral" durch "Selbstverständlichkeit", das passt dann überall.

Eines der besten Worte Schopenhauers: "Im Allgemeinen haben freilich die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und die Toren, d. h. die unermeßliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe, nämlich das Gegenteil getan: und so wird es denn auch ferner bleiben." 2024, Arthur hatte recht ...

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