Schlafstörungen an Neumond und Vollmond?

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Hallo unfriend01,

wenn Du sicher bist, dass Dein Bett nicht gerade so ungünstig steht, dass Dir der Vollmond genau ins Gesicht leuchtet, gibt es eigentlich nur eine vernünftige Erklärung. Und die hat nur sehr wenig mit dem Mond zu tun. Es ist ein psychologisches Phänomen, das hier zum Tragen kommt: Du erwartest, bei Vollmond oder Neumond diesen Effekt bereits.

Und das löst zwei bekannte unbewusst ablaufende Prozesse aus:

1) Wer erwartet, schlecht zu schlafen, ist angespannter. Wer nicht richtig entspannt, schläft schlechter. Du kommst hier in einen selbstverstärkenden Kreislauf

2) Wenn Du wirklich wieder einmal wach liegst bei Vollmond, dann denkst Du Dir sofort "Ja, so ist das immer bei mir!!". Schläfst Du dagegen durch, dann denkst Du gar nicht an Dein Problem. Du bemerkst das Gegenbeispiel deswegen bei weitem nicht so bewusst, wie das Positivbeispiel. Genauso wenig notierst Du Nächte bei anderen Mondphasen, in denen Du mal schlecht schläfst, nicht als Gegenbeispiele.

In der Psychologie ist dieses Phänomen als "selektive Wahrnehmung" bekannt. Sie passiert wie gesagt gänzlich unbewusst und von Dir nicht bewusst beeinflussbar. Es hat mit "Einbildung" also nichts zu tun.

Verstärkt wird das noch dadurch, dass der Mond bei den verschiedenen Mondphasen ja nicht die ganze Nacht am Himmel steht. Du wachst auf, siehst gar keinen Mond... und denkst Dir, dass Du wieder mal bei Neumond nicht schlafen kannst. In Wahrheit kann der Mond da einfach nur schon untergegangen sein.

Das Problem der beiden eben geschilderten Faktoren ist, dass Du, wenn Du nur irgendwann einmal den Eindruck gewonnen hast, es könnte mit dem Mond korrelieren, Du fast keine Chance mehr hast, diesen Eindruck als falsch zu erkennen: die psychologischen Effekte führen dazu, dass sich so ein Eindruck praktisch nur immer weiter verstärkt.

Löst der Mond denn schlechten Schalf aus??

Nein! Nachweislich nicht.

Rund ein Drittel der Befragten sagt von sich in Umfragen genau dasselbe wie Du hier, also beim Vollmond schlechter zu schlafen.

Sehr große Studien bestätigen jedoch: Man schläft im Schnitt bei allen Mondphasen gleich gut.

Ich zitiere mal ein paar dieser Untersuchungen:

Die österreichischen Schlafforscher Klösch und Zeitlhofer haben sich 2003 gefragt: Hat die Mondphase Einfluss auf die Schlafqualität. Untersucht wurden in ihrerr Studie Schlaftagebuchaufzeichnungen (jeweils 14 Tage) von je knapp 200 Gesunden und Patienten mit anerkannten Schlafstörungen über einen Zeitraum von 6 Jahren (1997-2002). Von den insgesamt 5152 zur Verfügung stehenden Nächten waren 189 Nächte (3,67%) während des Vollmondes, 152 (2,95%) während des Neumondes, 176 (3,41%) zum Zeitpunkt des "zunehmenden" und 174 (3,38%) zum Zeitpunkt des "abnehmenden" Halbmondes beurteilt worden. Die restlichen 4461 Nächte (86,59%) waren somit "neutrale" Nächte und dienten als Referenz. Ich zitiere:

In keiner der zur Verfügung stehenden subjektiven Schlafbeurteilungen konnte ein signifikanter Unterschied zwischen den Vollmond-/Neumondnächten, den Nächten während des zunehmenden/abnehmenden Mondes und den als "neutral" eingestuften gefunden werden. Dies gilt gleichermaßen für Gesunde, Patienten, Männer und Frauen. Auch konnte keine Zunahme in der Anzahl der erinnerten Träume beobachtet werden.

Und das ist nur ein kleiner Teil der Daten, wie das Max-Planck-Institut  vermeldete:

"Um Zufallsbefunde zu vermeiden, wie sie in Studien mit geringer Teilnehmerzahl möglich sind, untersuchten die Wissenschaftler nun Schlafdaten von 1.265 Probanden aus 2.097 Nächten. „Nachdem wir diese große Anzahl von Daten ausgewertet hatten, konnten wir frühere Ergebnisse aus anderen Studien nicht bestätigen“, berichtet Martin Dresler, Neurowissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und Donders Institute for Brain, Cognition and Behaviour in Nijmegen, Niederlande. „Wir konnten keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen menschlichem Schlaf und den Mondphasen aufzeigen.“

Im Rahmen dieser Untersuchungen fand sein Team weitere unveröffentlichte Analysen von über 20.000 Schlafnächten, welche ebenfalls keinen Einfluss des Mondes feststellen konnten. Dass diese Ergebnisse nicht veröffentlicht worden sind, könnte ein Beispiel für eine verzerrte Veröffentlichungspraxis sein, wie sie beispielsweise auch als „Schubladenproblem“ bekannt ist. Darunter versteht man das Phänomen, dass viele Untersuchungen zwar durchgeführt, aber nie veröffentlicht werden – sie verbleiben stattdessen in der Schublade der Forscher."


Noch neuere Untersuchungen bestätigen dies:

https://www.researchgate.net/publication/283261567_Bad_sleep_Don%27t_blame_the_moon_A_population-based_study

A total of 2125 individuals (51.2% women, age 58.8 ± 11.2 years) participating in a population-based cohort study underwent a complete polysomnography (PSG) at home. Subjective sleep quality was evaluated by a self-rating scale. Sleep electroencephalography (EEG) spectral analysis was performed in 759 participants without significant sleep disorders. (...) Conclusion: Our large population-based study provides no evidence of a significant effect of lunar phases on human sleep.

Also: Eine überwältigende Datenbasis zeigt: Kein Effekt vorhanden.
Trotzdem hat ein Drittel der Bevölkerung den Eindruck, das wäre so... wie ist das erklärbar?

Über unsere Wahrnehmung und was wir draus machen. Du kennst bestimmt optische Täuschungen... ich habe eine als Bild angehängt. Die zeigen uns, dass unser Gehirn sich täuschen kann, wenn es sich aus den Eindrücken, die es hat, etwas zusammenreimt.

Für uns unangenehme Dinge machen unser Gehirn nervös, wenn es nicht versteht, warum sie passieren. Das Gehirn versucht Muster in dem Wiederkehren dieser Unannehmlichkeiten zu erkennen, in der Hoffnung, ihnen ausweichen zu können. Das ist ein im Laufe der Evolution entstandenes recht sinnvolles Prinzip... nur manchmal führt es dazu, dass unser Gehirn Regelmäßigkeiten zu erkennen vermeint, die in der Realität nicht da sind. DEr Psychologe spricht von "Mustererkennung".

Die Vermutung, bestimmte Ereignisse würden sich bei Vollmond häufen, ist eine Folge dieser übertriebenen Mustererkennung. Der Vollmond liefert den perfekten Sündenbock: Diese Erklärung ist unpersönlich und birgt in sich die Hoffnung, das Problem verschwinde eh von selbst. Solche Erklärungen mag unser Unterbewusstsein sehr.

Genau so entstehen diese Eindrücke, die sich dann über unsere Erwartungshaltungen nur noch verstärken können - wie oben beschrieben.

Wichtig:
Ich kann mir jetzt vorstellen, dass Du Dir einfach denkst "Dooooch, bei MIR ist das so!". Weil die wissenschaftliche Erklärung, dass es einfach nur ein psychologischer Trick ist und der Mond unschuldig ist, vielen Menschen nicht gefällt, kursieren in der eher esoterischeren Szene jede Menge physikalisch völlig unhaltbarer Pseudoerklärungen, wie uns denn der Mond beeinflussen soll.

Besonders häufig hört man da die Sache mit Ebbe und Flut: WEil wir doch auch sooo viel Wasser im Körper hätten, müsse doch.... Und das ist halt eine Erklärung, die zieht dem Physiker einfach nur die Schuhe aus: Gezeitenkräfte entstehen über die Änderung der Schwerkraft auf die Länge unseres Körpers. Die Schwerkraft ist entfernungsabhängig. Weil die mondabgewandte Seite des Mondes rund 12000 km weiter vom Mond weg ist als die mondzugewandte, entsteht bei riesigen Wassermengen wie im Ozean ein Effekt. Deine Füße sind aber gerade 2 Meter mehr vom 384 000 km entfernten Mond weg als der Kopf: Die Gezeitenkraft des Mondes auf Dich ist grad so groß, wie wenn eine einzige Deiner Körperzellen an Dir zieht.... und übrigens einige 10 000 mal kleiner als die Gezeitenkraft, die ein neben Dir stehender Mensch auf Dich ausübt. Wenn es an der Gezeitenkraft läge, dann würde es eine wesentlich größere Rolle spielen, ob vor Deinem Fenster heute Nacht ein Auto parkt oder nicht...

Also: Lass Dir von pseudowissenschaftlichen Erklärungen nix einreden. Der Mond ist unschuldig. Wie Shakespeare schon schrieb:

The fault, dear Brutus, is not in our stars, but in ourselves.

Vielleicht würde es Dir helfen, über einige Monate hinweg einmal ein sauberes Schlaftagebuch zu führen. Schreib konsequent jeden Morgen auf, wie Du geschlafen hast. Dann nämlich fallen Dir die Gegenbeispiele wirklich auf.

Grüße

Wir nehmen mitunter Dinge wahr, die nicht da sind - ein weißes Dreieck z.B. - (Gesundheit und Medizin, Schlaf, nachts)

Das habe ich auf, ich bleibe einfach auf und versuche am anderen Tag ein Nickerchen zu machen.