personenzentrierte vs psychonanalytische Psychotherapie?
Gibt es hier psychologische Fachpersonen, die mir eine ,der beiden im Titel genannten Therapieansätze für Behandlungsthemen wie Probleme mit dem Umgang mit Ängsten, negative Gedanken und leichte Depression empfehlen könnten oder eine der beiden Therapieansätze der anderen vorziehen würden?
2 Antworten
Die personenzentrierte Therapie wird nicht von den Krankenkassen bezahlt, die Psychoanalyse schon.
Ich persönlich präferiere die personenzentrierte Therapie,
- weil ich psychoanalytische Deutungen wenig hilfreich finde,
- weil ich denke, dass man da stärker unterstützt wird seine eigenen Antworten auf seine Probleme zu finden (anstatt eben Deutungen zu übernehmen)
- weil es da nicht unbedingt um die Kindheit geht, was bei Psychoanalyse fast zwangsläufig der Fall ist.
- weil ich die Methode der freien Assoziation nicht so sinnvoll finde und ich glaube, dass das reflektierende aktive Zuhören eines personenzentrierten Therapeuten hilfreicher ist
Die Therapieformen haben Gemeinsamkeiten. In beiden Therapieformen geht es um das Bewusstmachen von unbewusstem Material (das beschreibt man nur in der personenzentrierten Therapie anders: in der personenzentrierten Therapie gibt es die Idee, dass es eine Inkongruenz gibt zwischen dem, was man glaubt / weiß, und dem, was man auf einer "organismischen" Ebene (also gefühlsmäßig) spürt. Ziel ist es, durch Verbalisierung des Erlebens mehr Bewusstheit für das eigene Erleben herzustellen). Beide Therapieformen sind darauf ausgerichtet, das Verständnis vom eigenen Empfinden zu fördern, sind also verständnisorientiert und weniger veränderungsorientiert (bzw. es wird angenommen, dass man sich über das Verstehen verändert).
Psychoanalytische Psychotherapie fasst verschiedene Ansätze zusammen, die ihre Grundlage in der Psychoanalyse und ihren Weiterentwicklungen haben und deren Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist. Bis auf psychische Faktoren bei Intelligenzminderung und bei hirnorganischen Erkrankungen liegen für alle Störungsbereiche Wirksamkeitsnachweise vor.
Als Merkmal aller Ansätze gilt, dass sie mittels Übertagungs-, Gegenübertragungs- und Widerstandsanalyse arbeiten. Hier kommen sehr zahlreiche Methoden und Techniken zum Einsatz.
Die Ursache für Symptome wird dabei in unbewussten Konflikten und / oder Problemen der unbewussten innerpsychischen Bewältigungsmechanismen (zB Nähe-Distanz-Regulierung, Angsttoleranz, Affektregulierung, Selbststeuerung uvm.) gesehen, und dies im Kontext von bewusstseinsnahen und v.a. unbewussten Beziehungen und (sich ungünstig wiederholenden) Beziehungsmustern betrachtet. Es gibt auch supportive Therapieansätze, die aber nicht kassenzugelassen sind.
Auf Patient*innenseite braucht es eher sich selbst motivierende und stärker eigenverantwortliche Patien*innen, die von sich aus Themen (in Beziehungskontexten) haben, einbringen, darüber frei (ggf. auch auf der Couch frei assoziativ) sprechen und eher selbstständig arbeiten. Therapeut*innen haben die Aufgabe, das Beziehungsgeschehen (auch zwischen Therapeut*in und Patient*in) zu reflektieren, daraus abgeleitet zu konfrontieren (zB mit Verdrängungstendenzen, Vermeidung usw.), zu Klären (also dem Patient*in zu helfen, das möglichst nachzuvollziehen, was er/sie da tut), später ggf. auch Vermutungen von Zusammenhängen durch vorsichtiges Anbieten von Interpretationen (sog. Deutungen) zu ergänzen. Es kann auch eher "handfest" durch Spiegeln, Hilfs-Ich, andere Hilfen, wie Anbieten von Perspektivübernahme, ua. erfolgen.
Das hat nichts mit "Kindheit aufarbeiten" zu tun. Jede Psychotherapie, die als wirksam wissenschaftlich belegte Therapieansätze anwendet, arbeitet im Hier-und-Jetzt. Schon in der klassischen Psychoanalyse ging man ja nach Entdeckung der Übertragung davon aus, dass sich relevante "Prägungen" der Kindheit und da v.a. Beziehungserfahrugen, bis zu Bindungs"traumata" nicht bewusst erinnern und bearbeiten lassen, sondern sich nur über unbewusstes Ausleben in einer Übertragung (also in Beziehungen zu anderen, auch Therapeuten) zeigen, wo sie dann verstanden und verändert werden können.
Die Personzentrierte Psychotherapie legt einen stärkeren Fokus auf emotionales Spiegeln, Affektwahrnehmung und -regulierung, um dem Patient*in zu helfen, die Zusammenhänge von Problemen oder Symptomen und emotionalem Erleben zu erkunden und schließlich differenzierter und kongruenter wahrzunehmen, und auch widersprüchliche Gefühle besser zu erkennen und zu verstehen. Wirksamkeitsnachweise liegen nur für leichte und mittelgradige depressive Verstimmungen, sowie psychischen Faktoren bei körperlichen Erkrankungen und Anpassungsstörungen sowie Belastungsreaktionen vor. Sie ist (daher) eher im Bereich der Beratung (Counseling) anzusiedeln, als im psychiatrisch-psychosomatischen (medizinischen) Kontext, wie die Verhaltenstherapie oder eben psychoanalytische Psychotherapie. Das ist in Deutschland mit seinem System der krankenkassenfinanzierten Psychotherapie eben wichtig, da das Klientel der Psychotherapie hier logischerweise größtenteils aus psychiatrisch erkrankten Patient*innen besteht und weniger aus einem Klientel mit vorwiegend beratungsnahen Themen und Krisen, die zumeist über die entsprechenden Beratungsstellen, auch niedrigschwellig psychotherapeutisch, versorgt werden.
Überschneidungen zwischen Personzentrierter Psychotherapie und psychoanalytischen Psychotherapie gibt es bei einigen Ansätzen, insbes. solchen, die in der psychoanalytischen Selbstpsychologie fußen. Im Rahmen der Psychotherapie erbringen diese aber allein meistens keine ausreichende Wirksamkeit, weshalb sie meist mit anderen kombiniert zusammengefasst werden.