Oper: Szenenapplaus ja oder nein?

2 Antworten

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Hallo Bremsgirl ( lustiger Name :) so dann geb ich mal Gas ;) -

also , bei einem "Singspiel" bzw. Oper wie die "Entführung" darf man nach Ende einer Arie applaudieren und wer s richtig machen will, erst dann wenn auch die Musik im Orchester aufhört ( z.B. bei einem Nachspiel ) Das kann man durchwegs bei den sogeannten Nummernopern so halten -

Einzige Ausnahme der frühe Wagner ( der fliegende Holländer / Tannhäuser). Bei durchkomponierten Opern (Musikdramen) wie Lohengrin, die Meistersinger, Tristan etc. ist es nicht angebracht. Normalerweise klatscht man auch nicht in eine Szene hinein, sondern wartet ab. Die sogenannten Belcantoopern, z Bsp von Rossini oder Donizetti laden ja auch dazu ein, die Sängerin /den Sänger der hier im Mittelpunkt steht bei besonders guter Leistung zu belohnen.

Dabei wäre wenn man auch etwas zurufen möchte wichtig zu wissen , dass es für eine Sängerin : BRAVA und für einen Sänger BRAVO heisst. ich halte es immer so, dass ich nach dem Ende die Sänger / innen einzeln mit Bravo bzw Brava bedenke und wenn alle mit dem Dirigenten sich gemeinsam verbeugen, soweit verdient - für die Ensembleleistung ein BRAVI für alle kund tue. Ein BRAVISSIMA (O) sollte nur in den seltenen Fällen vergeben werden, wenn es sich um eine absolute Ausnahmeleistung handelt.

Das letzte mal war das bei mir in München im Prinzregententheater in 2009 der Fall nach der Arie der Zerbinetta in " Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss. Es sang die wunderbare Diana Damrau :) !

Und sollte eine Leistung mal nicht den Vorstellungen entsprechen, so klatscht man ganz einfach nicht- Auspfeifen Buhen, oder sonstige negative Äusserungen sind geschmacklos und dumm und zeugen nur von der Respektlosigkeit ahnungsloser Dilettanten, welche glauben mit der Bezahlung der Eintrittskarte sich solche Flegeleien erkauft zu haben.


Bremsgirl 
Beitragsersteller
 06.06.2011, 22:40

Vielen Dank für diesen schönen und anschaulichen Leitfaden für den taktvollen Opernbesuch.

An die BRAVA/O/Is oder gar BRAVISSIMA/Os traue ich mich vielleicht in drei Jahren heran (oder fünf ;) - derzeit wage ich derzeit nicht zu beurteilen, ob eines davon angebracht wäre.

Ist halt was anderes, als hier "Daumen hoch", "Komplimente" und "hilfreichste Antworten" zu verteilen.

"Buh" rufen finde ich auch daneben - auch im Bundestag, geschweige denn in der Oper, wo ich davon ausgehe, dass jeder Künstler sich um eine möglichst gute Darbietung bemüht - und auch wenn mal einer einen schlechten Tag hat, muss man dann nicht nochmal "nachtreten", vor allem aus dem Dunkel des Zuschauerraums, während sich der Sänger auf der Bühne exponiert und dadurch angreifbar macht. "Respektlosigkeit" ist dafür die richtige Bezeichnung, auch wenn jemand kein "ahnungsloser Dilettant" ist.

P.S. Bremsgirl - ja, wegen meiner Fahrradbremsen, für mehr Entschleunigung und Wagner-Opern! Du wärst (wahrscheinlich) begeistert, wenn Du wüsstest, wie ich richtig heiße ;) Tristan und ich. Ich war vor Jahren mal in der Deutschen Oper, wo René Kollo vor mir auf die Knie sank, eine erhebende Erfahrung.

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Als Bühnenkünstler einerseits und als Besucher andererseits erlebt man so ziemlich alles. Da gibt es Vorstellungen, da klatscht keine Sau, auch wenn eine Arie sehr gut gesungen wurde. Dann gibt es Vorstellungen der gleichen Inszenierung, wo quasi nach jeder Schlusskadenz der Beifall brandet. Es ist unberechenbar. Es liegt nicht nur an der künstlerischen Leistung, sondern auch sehr an der Zusammensetzung des Publikums. Premierenbesucher - oftmals etwas ahnungslos, aber dafür begütert - können sehr zurückhaltend sein. Bei der zweiten Vorstellung sieht`s dann schon ganz anders aus. Gelegentlich tobt das Volk, weil der/die Singende berühmt ist - und nur deswegen. Selbst wenn die Leistung nur mittelmäßig war.

Manch Regisseur plant in seiner Inszenierung auch kleine Stillstände ein, um Beifall zu "erzwingen". Da klatscht man dann auch schon mal aus Mitleid, um die armen Künstler auf der Bühne bei der Stange zu halten.

Automatischen Riesenbeifall bekommen stets die Königinnen der Nacht, der spektakulären Koloraturen wegen, selbst wenn es so manch Gekiekstes gab. Ein Sarastro dagegen bekommt einen höflichen Beifall, seltenst ein "Bravo".

Verdienter Szenenapplaus kann angebracht sein, wenn dem Regisseur etwas Überraschendes eingefallen ist, was das Publikum begeistert.

Applaus unterscheidet sich auch gerne von Land zu Land. In Deutschland anders als in Italien, in Tschechien anders als in Spanien, in London anders als in Paris. Und die Unterschiede ziehen sich durch alle Vorstellungen, von der ersten bis zur letzten.

Mozarts Entführung, die zur Zeit im Ständetheater in Prag läuft, ist herausragend. Musikalisch ausgefeilt, ordentlich besetzt, das Ganze in einer durchaus raffinierten und immer wieder spannenden Inszenierung. Sehr lohnenswert. Sehr überzeugend der Bassa Selim (Boysen).

Viel Vergnügen weiterhin!


Bremsgirl 
Beitragsersteller
 06.06.2011, 22:18

Vielen Dank für diese Innenschau auch aus Sicht des Künstlers. Als Normal-Zuschauer geht man ja in eine Inszenierung nur einmal (ich jedenfalls meist bisher, oder wenn, in langen Abständen in die gleiche) und bekommt dann nicht mit, dass es unterschiedliches "Klatschverhalten" gibt. Das scheint manchmal sehr ungerecht zuzugehen, insofern ist die Auflockerung, die offenbar keine ist, sondern eher ein Produkt des Zufalls, aus Sängersicht zu begrüßen.

Ich werde es beherzigen - ich hatte eher befürchtet, dass ich mich zum Narren mache ;) wenn ich an der "falschen" Stelle klatsche - als würde ich für meine Sitznachbarn klatschen - ab demnächst wird also für die SängerInnen auf der Bühne geklatscht :)

Die auf Riesenapplaus abonnierten Rollen (wie Königin der Nacht) sind wohl das Ergebnis dessen, dass Opernkunde ein nur ungenügend berücksichtigtes Schulfach ist. So wird dann das beklatscht, das "schön" und auch spektakulär klingt oder wenigstens aus Funk und Fernsehen bekannt ist. ("Vivat Bacchus" ist noch nicht Reklamemusik für Rotkäppchen Sekt oder besser Bacardi, wegen des Sex appeals)

Für mich als interessierte, aber leider ahnungslose Zuhörerin und -schauerin (trotzdem noch bei keiner Premiere dabeigewesen ;) ist es nicht so einfach, sich da fortzubilden, z. B. was einen wirklich guten Vortrag ausmacht im Vergleich zu einer halt soliden Leistung - ich hatte dann als Gradmesser genommen, wie sehr mein Gefühl angesprochen wurde. Eigentlich bräuchte ich einen "Opernpaten" ;) (Heute in der U-Bahn Plakate gesehen, die für Engagement als ehrenamtliche Lesepaten für Kinder werben)

Das Vergnügen werde ich sicherlich beibehalten! Ich habe ja das große Glück, in einer Stadt mit drei Opernhäusern zu leben. (Wenn man mal die Neuköllner Oper nicht mitzählt). Als Nächstes ist schon Carmen gebucht :)

Zu Deiner Empfehlung: danke für die Kurzkritik! Auch wenn ich wahrscheinlich nicht gleich nach Prag jetten werde: Interessant, in einer Oper eine Sprechrolle hervorzuheben.

P.S. Ich kann mich bisher nicht für eine "hilfreichste Antwort" entscheiden, weil ich beide Antworten sehr hilfreich finde. Es wird möglicherweise die salomonische Samariter-Lösung für denjenigen, der bisher weniger Punkte hat.

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