Mögliche Fragen beim mündlichen Geschichtsabitur (Ständegesellschaft)

4 Antworten

Richtig mit dem Thema auseinander gesetzt hab ich mit erst an der Uni, und meiner Erfahrung nach lernt man an Uni und Schule bezüglich der Ständegesellschaft zwei gegensätzliche Dinge. Ich weiß nicht welche Variante ihr gelernt habt, von daher ist mein Beitrag hier vielleicht nur bedingt hilfreich. Nun denn. 


Hier mal was ich mit den beiden Varianten meine:

Die Ständegesellschaft, wie ich es in der Schule gelernt habe (Variante A), ist die Grundstruktur der mittelalterlichen Gesellschaft, nach der diese in drei Stände eingeteilt ist, in die man (Vergleichbar mit indischen Kasten) hineingeboren wird und nicht mehr raus kann. Diese drei Stände sind Adel, Klerus und Restvolk. Letzteres Unterteilt sich dann nochmal in mehrere weitere Schichten/Stände, und muss für die anderen beiden Stände in bitterer Armut schuften. Dieses System wurde dann in der französischen Revolution aufgelöst.

An der Uni (Variante B) lernt man dann das es ganz anders war. Mal abgesehen davon das man eh nicht in den Klerus hineingeboren werden kann (Kleriker sollten eigendlich keine Kinder haben), sind die anderen beiden nicht weniger unklar umrissen. Ein Problem ist außerdem noch das der Begriff Stand uneinheitlich verwendet wird. Natürlich gibt es den Adel als soziale Gruppe. Natürlich gibt es auch den Klerus und man kann vielleicht auch den ganzen Rest als eine Großgruppe zusammenfassen. Aber Kleriker z.B. kann jeder werden, die Dorfpfarrer werden beispielsweise nicht aus dem Adel rekrutert. Und Adelige leben auch nicht gerne als Bettelmönche. Wenn Adelige ins Kloster gehen, liegt das häufig eher nicht daran, dass sie besondern Fromm sind und das Machen wollen, sondern drastig ausgedrückt, weil ihre Verwandschaft sie loswerden will. Im Kloster ist man versorgt (es sind dann beispielsweise eher Benediktiner als Franziskaner) und macht normalerweise keinen Ärger. Neben dem Alteingesessenen Adel gab es im Laufe des Mittelalters auch noch den Stadtadel und den Ministerial- und Ritterstand (Niederer Adel). Diese bestanden zu großen Teilen, aus Familien die mitunter einmal Leibeigene und Hörige waren. Es gab also Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg (allein deshalb sollte man "Stände" nicht als Kasten auffassen). Der nächste Punkt wäre die Quellen. Man findet tatsächlich Quellen die eine Einteilung der Gesellschaft in Stände fordern. Die Betonung liegt hier bewusst auf "fordern", weil es zeigt, dass die Realität genau anders war. Frühestes Beispiel zu einer Dreiteilung der Gesellschaft findet sich im Carmen ad Rotberhtem Regem (Lied an König Robert) von Adalbero von Laon (einem Priester) aus dem späten 10./frühen 11. Jahrhundert. Adalbero wendet sich da an den französischen König, damit er die von Gott gewollte Ordnung (eine funktionale Dreiteilung der Gesellschaft in Beter, Krieger und Arbeiter/Klerus Adel und Volk/1. 2. und 3. Stand), durchsetzt. Der Grund ist wegen den ständigen Fehden der südfranzösischen Adeligen (unter denen vor allem die Bauern leiden, denn deren Wohnhäuser sind angreifbar, im Gegensatz zu den Burgen der Adeligen), haben die Kleriker die Bauern bewaffnet. Adalbero will, dass diese drei Gruppen wieder ihren Aufgaben nachgehen und in ihren Ständen bleiben (denn sobald man seine Funktion wechselt wechselt man auch den Stand, d.h. wenn sich ein Bauer bewaffnet wechselt er in den zweiten Stand. Die geistigen Ritterorden, wie Templer und Hospitaler, vereinen dabei zwei Stände), und dafür soll der König sorgen. Im SMA gingen diese Forderungen nach klarer Trennung so weit, das es Prediger gab, die bis zu 25 Stände (die genau Zahl weiß ich jetzt nicht mehr, aber es waren absurd viele) forderten. Das ist ein offensichtlicher Hinweis dass sich in den Jahrhunderten zwischen Adalbero und dem SMA etwas getan hat, also von wegen die Leute werden in ihre Stände geboren und können nicht raus, wenn dem so wäre würden keine neuen Stände entstehen. Mit Reichtum haben die Stände auch nichts zu tun. Die reichsten Männer im SMA kamen aus dem dritten Stand (v.a. Kaufleute). Es gab weiß ich wie viele Adelsfamilien, die verarmt sind.


Die Frage ist daher, was hast du in der Schule gelernt? Variante A oder B?

Variantenübergreifend, denke ich, solltest du die Fragen beantworten können, welche Charakteristiken das Ständesystem hat, woraus es bestand, also welche Stände, dann die Frage ob es soziale Mobilität gab (Aufstiegs- und Abstiegsmöglichkeiten), wann tauchte es zum ersten Mal auf, wann hörte die Ständegesellschaft auf? Welche Folgen hatte es für die Menschen? Eventuell auch wo gab es das Ständesystem?

Bei Variante B wäre die Frage denkbar, ob es andere Modelle gib um die Gesellschaft im Mittelalter zu erklären (z.B. Gruppenbildung nach O.-G. Oexle) und wie sehen diese aus.

Ansonsten kannst du ja mal ganz blöd deinen Lehrer fragen, ob er/sie auf irgendetwas besonder wert legt.


LittleIvy 
Beitragsersteller
 14.05.2015, 17:44

Also erstmal danke für die ausführliche Antwort. Hat mich sehr gefreut!

Wir hatten die 2.te Variante nur halt sehr vereinfacht, um mit dem Stoff auch fertig zu werden ;). Das mit der Mobilität haben wir zum Beispiel nur "angekratzt" aber schon auch besprochen, dass es möglich war in und zwischen den Ständen aufzusteigen. (Unser Beispiel war Jakob Fugger).

Hab schon versucht meinen Lehrer anzuschreiben, habe aber noch keine Antwort erhalten... aber als hoffnungsloser Optimist sag ich jetzt einfach mal, dass noch heute eine Antwort kommt ;)

Nochmal vielen Dank für deine tolle Antwort!

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Aufgabenstellungen für das mündliche Abitur abzuarbeiten, ist generell etwas schwierig. Vielleicht suchst du dir einen Text, der aus der Zeit der Ständegesellschaft und klärst anhand diesem die Frage, was die Charakteristiken der Ständegesellschaft etc. waren. So ungefähr könnte es auch im Abitur d'rankommen.


LittleIvy 
Beitragsersteller
 14.05.2015, 05:22

Kommt denn immer eine Quelle dran? Das wäre ja schon mal beruhigend ;)

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DukeSWT  14.05.2015, 05:27

Keine Ahnung. Pauschalisieren lässt sich das nicht, ist wahrscheinlich von Jahr zu Jahr unterschiedlich.

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LittleIvy 
Beitragsersteller
 14.05.2015, 05:31
@DukeSWT

Ok aber schon mal vielen Dank ;)

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Merkmale Zunft- & Manufakturwesen, Kennzeichen eines Standes, Frauenrolle in der Familie, Soziale Fürsorge auf dem Dorf/ in der Stadt, äußere Bedrohungen ...


LittleIvy 
Beitragsersteller
 14.05.2015, 17:47

Also meinst du, dass mein Lehrer das wirklich genau so abfragt wie's im Buch auch gegliedert ist? (weiß nicht ob wir jetzt das gleiche Buch haben/hatten, klingt aber ganz danach ;) ) Ich bin mir da unsicher, weil das dann ja eigentlich kein großer Unterschied zu ner normalen Klausur wäre...

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baboona  14.05.2015, 18:47

In meinem schriftlichen Abitur kam z.B. genau die Frage mit dem Zunft- & Manufakturwesen dran. Habs auch kaum glauben können, dass auf einmal stures Auswendiglernen abgefragt wurde. Mein Lehrer hat gesagt, dass er einfach im Colloquium die anderen genauso abfrägt, wie in den Ausfragen und Klausuren, also so, dass man das Gelernte schön widergeben kann :)

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So sind auch Heute noch Staaten strukturiert.

Ein KÖNIG sitzt ober auf dem Thron - wahlweise im AUDI A 8 - und darunter sind die Stiefelknechte und Staatlich.gepfr.Briefmarkenanlecker und die pädophilen Weihrauschschwenker.... - erst dann kommt die arbeitende,  steuerzahlende Rotte die na klar die MASSE ausmacht.

So wie Alt-Kanzler Schröder schon meinte......

Wenn ich von den Millionären STEUERN abverlange, dann hab ich mal gerade ne Hand voll EURO oder er haut ab ins Ausland.

Erhöhe ich aber für das gemeine Volk die Steuer um nur 1 %, dann klingelt die Kasse^^

stände - (Schule, Geschichte, Abitur)

karolusmagnus  14.05.2015, 08:08

Das ist nicht die "Ständegesellschaft", sondern eine vereinfachte Lehenspyramide. Das wichtigste wird in der Grafik außerdem ausgelassen: Der Lehnsmann verpflichtet sich für Schutz und Schirm durch seinen Lehnsherrn, zu Rat und Hilfe (consilium et auxilium). Aber trotzdem mit der "Ständegesellschaft" hat das nicht zu tun.

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LittleIvy 
Beitragsersteller
 14.05.2015, 17:49

Lehnswesen muss ich zwar auch können aber das ist nicht mein Schwerpunkt und dabei hab ich auch keine Bedenken ;)

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