Mein bruder hat kein adhs, verhält sich trzd wie ein kleinkind, was tun?

1 Antwort

Zunächst wäre es gut, QRFTX333, wenn du einsehen könntest, dass deinem Bruder und auch dir nicht geholfen wäre, wenn man ihm die erfundene Krankheit AD(H)S zuschreiben würde und er Methylphenidat (z.B. „Ritalin“) schlucken müsste. Es gab im Leben deines Bruders ja wohl einige Entwicklungen, die ihn stark belasteten und noch belasten.

Dein Bruder musste die Trennung seiner Eltern bewältigen. Er hat nun einen Stiefvater. Hat er noch Kontakt zu seinem leiblichen Vater?

Deine Mutter hat nun wohl zwei Kinder von zwei Männern. Und dass dein Bruder deine Mutter auf unangenehme Weise an ihren Ex erinnert, dürfte sich für ihn auch auf unangenehme Weise bemerkbar machen.

Er hatte dann wohl auch Probleme in der Schule.

Wurde er schon einmal psychotherapeutisch betreut?

Sicher ist es für dich nicht leicht, ihm verständnisvoll und freundlich zu begegnen. Zumal er sich dir gegenüber wohl oft sehr unfreundlich verhält.

Gibt es vielleicht unter Verwandten oder Bekannten Menschen, die sich für die Verständigung unter euch einsetzen könnten?

Es haben sich in deiner Familie ja so viele Probleme aufgestaut, die ihr wohl nur mit größter Mühe ohne Beratung von außen bewältigen könnt.

Und besonders hast du mittlerweile so viele negative Erwartungen hinsichtlich deines Bruders, dass du schon ein gewaltiges Maß an Einfühlung und Mitgefühl entwickeln müsstest, um mit ihm ein positives geschwisterliches Miteinander zu entwickeln.

Aber natürlich, das wünsche ich euch!


FloraFinia17  17.10.2023, 13:42
Wurde er schon einmal psychotherapeutisch betreut?

Warum befürwortest du Psychotherapie? Psychotherapeutische Interventionen basieren auf evidenzbasierten Forschungen aus der Psychologie, Genetik, Biochemie, Neuroanatomie usw.

Diese Forschungsgebiete generieren das allgemeingültige Wissen für u.a. die klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Das heißt ebenfalls u.a. die Ätiologie von psychischen Störungen, die Aufrechterhaltung, Symptomatik, Behandlung usw. Und genau die haben deiner Ansicht nach eine neurobiologische Störung erfunden (obwohl die Hirnveränderungen durch PET physiologisch messbar sind).

Vertraust du nun der Wissenschaft, oder nicht?

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Pescatori  17.10.2023, 15:05
@FloraFinia17

Vielen Dank für deine interessante und ausführliche Stellungnahme, die nun mich veranlasst, auch meine Antwort etwas ausführlicher zu erläutern:

Ich war acht Jahre Lehrer an einer Klinikschule in der die SchülerInnen einer KJP unterrichtet werden. Unter den Schülerinnen und Schülern erhielten auch häufig vor allem Jungen die Diagnose "AD(H)S".

Ich hatte Gelegenheit die Einschätzungen der Fachärztinnen kennenzulernen, aber konnte auch in vielen Gesprächen mit Eltern erfahren, was sie mit ihren Kindern erlebt hatten.

Vor diesem Hintergrund habe ich mich ein wenig eingehender mit dem „attention–deficit/hyperactivity disorder symptom“ beschäftigt.

Zwar halte ich wissenschaftliche Theorien nicht für absolute Wahrheiten, doch sie sollten beachtet werden und können hilfreich sein.

Drum habe ich mich auch für den Wissenschaftler Leon Eisenberg interessiert, der dieses Krankheitsbild entwickelt hat und bekanntlich an seinem Lebensende mit Bedauern feststellte, dass es sich bei AD(H)S um eine erfundene Krankheit handelt.

https://www.sein.de/us-neurologe-adhs-existiert-nicht/

Natürlich gibt es die Verhaltensauffälligkeiten, die die Diagnose begründen! Doch der entscheidende Fehler bei dieser Diagnose ist, dass sie aufgrund von Symptomen festgestellt wird und die Ursachen eines auffälligen Verhaltens unbeachtet bleiben.

Ich konnte im Gespräch mit den Eltern immer wieder familiäre Konfliktsituationen wahrnehmen, die bei Kindern seelische Unruhe auslösen können.

Wesentlich bedeutsamer als meine laienhaften Beobachtungen sind natürlich die Erfahrungen des amerikanische Neurologe Dr. Richard Saul, die er in seinem Buch „ADHD Does Not Exist“ beschrieben hat.

Bei jedem einzelnen Patienten, der ihn in seiner 50-jährigen Karriere wegen ADHS aufsuchte, konnte er schließlich tiefere Ursachen finden und beheben.
In den USA wird Ritalin heute zum Teil nach einer „Zwei-Minuten-Checkliste“ für ADHS verschrieben. Fünf von 18 Kriterien müssen erfüllt sein, um die Diagnose ADHS zu stellen. Laut Saul würde sich dabei aber fast jeder Mensch in der Liste wiederfinden:
„Die Liste würde sie wahrscheinlich verstören. Denn wie viele von uns müssten zugeben, dass wir ‚Schwierigkeiten mit der Organisation‘ oder eine ‚Tendenz, Dinge zu verlieren‘ haben; dass wir häufiger ‚vergesslich oder abgelenkt‘ sind oder ’nicht genau auf Details achten‘? Unter diesen subjektiven Kriterien könnte sich die gesamte US-Bevölkerung, potenziell qualifizieren!“
Eine Zwei-Minuten-Diagnose, die über ein Leben auf einer starken Droge entscheidet.

Ich meine also, dass auch bei deinem Bruder festgestellt werden kann, welche Lebenssituationen, welche Interaktionen die Verhaltensweisen haben entstehen lassen, die dann die Diagnose AD(H)S zur Folge hatten.

Unter einer guten Psychotherapie verstehe ich den intensiven und vertrauensvollen Austausch mit einer Therapeutin, einem Therapeuten. Der therapeutische Erfolg besteht dann darin, dass der Patient sein auffälliges, „störendes“ Verhalten verstehen lernt und auch selbstbestimmt sein Verhalten ändern kann.

Dies ist allerdings ein Vorgehen, bei dem weder die Mediziner noch die Pharmaindustrie schnelle Gewinn erzielen können.

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FloraFinia17  17.10.2023, 16:01
@Pescatori

ADHS wurde in der Medizin bereits beschrieben, bevor Leon Eisenberg überhaupt geboren wurde. Außerdem lassen sich Hirnveränderungen, die für ADHS charakteristisch sind durch bildgebende Verfahren (PET) darstellen.

Doch der entscheidende Fehler bei dieser Diagnose ist, dass sie aufgrund von Symptomen festgestellt wird und die Ursachen eines auffälligen Verhaltens unbeachtet bleiben.

Jede (psychische) Krankheit wird aufgrund von Symptomen festgestellt. Die kategoriale Diagnostik wird weltweit durchgeführt. Menschen werden in Gruppen/Kategorien klassifiziert und wenn eine bestimmte Anzahl an Kriterien (Symptomen) erreicht ist, dann kann eine Diagnose gestellt werden. Natürlich besteht eine Diagnostik nicht ausschließlich aus Fragebögen. Weder bei ADHS, noch bei anderen Störungen.

Zu den Ursachen die ungeachtet bleiben: Die Forschungen der Genetik, Biochemie und Neuroanatomie beschäftigen sich u.a. in ihren Forschungen mit der Ätiologie (Ursachenlehre) von psychischen Störungen und generieren somit allgemeingültiges Wissen bezüglich der Ursachen von psychischen Störungen für die klinische Psychologie, Psychiatrie, Neurologie usw.

Es gibt dafür speziell ein multifaktorielles, Bio-Psycho-soziales-Vulnerabilitäts-Stressmodell, welches die Entstehung von psychischen Störungen in ihrer Komplexität zu erklären versucht. Bei der Entstehung von psychischen Störungen sind nämlich immer biologische, psychologische und soziokulturelle Faktoren beteiligt.

Es ist also nicht so als würden die Ursachen nicht erforscht werden und einfach irgendwelche Fragebögen in 5 Minuten entwickelt werden, um genauso schnell eine Diagnose zu stellen. Wenn dem so wäre, dann bräuchten wir für die Diagnostik kein Fachpersonal, denn Fragen vorlesen und Punkte zusammenzählen schafft jeder, der eine Grundschule besucht hat.

In den USA wird Ritalin heute zum Teil nach einer „Zwei-Minuten-Checkliste“ für ADHS verschrieben. Fünf von 18 Kriterien müssen erfüllt sein, um die Diagnose ADHS zu stellen. Laut Saul würde sich dabei aber fast jeder Mensch in der Liste wiederfinden:
„Die Liste würde sie wahrscheinlich verstören. Denn wie viele von uns müssten zugeben, dass wir ‚Schwierigkeiten mit der Organisation‘ oder eine ‚Tendenz, Dinge zu verlieren‘ haben; dass wir häufiger ‚vergesslich oder abgelenkt‘ sind oder ’nicht genau auf Details achten‘? Unter diesen subjektiven Kriterien könnte sich die gesamte US-Bevölkerung, potenziell qualifizieren!“
Eine Zwei-Minuten-Diagnose, die über ein Leben auf einer starken Droge entscheidet.

So wird eine professionelle Diagnose definitiv nicht gestellt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das in den USA so sein soll, denn solch ein Fragebögen entspricht nicht den wissenschaftlichen Standards für quantitative Erhebungsmethoden. Dann könnte ich ja genauso gut allen Menschen eine Depression diagnostizieren, bloß weil sie mal traurig sind. Natürlich würde bei solch einem pseudowissenschaftlich konstruierten Fragebogen fast jeder Mensch die Kriterien für eine ADHS Diagnose erfüllen.

Ich meine sogar die von dir verlinkte Studie mal gelesen zu haben und was das Problem daran war. Und zwar: Fast jeder Mensch hat mal ADHS Symptome. Wenn ich Menschen frage würde, ,,Sind sie traurig‘'- ja , nein. Dann hätte hinterher auch jeder zweite eine diagnostizierte Depression. Um zuverlässigere Ergebnisse zu erhalten müsste man eher eine Bipolare Ratingskala einsetzen. Die würde z.B. lauten: ,,Wie oft haben Sie sich in den letzten 6 Monaten traurig oder deprimierend gefühlt?''- nie-selten-manchmal-häufig-immer. So erhält man schon zuverlässigere Ergebnisse.

Die Ergebnisse von Forschungen, die sich exakt mit diesem Thema beschäftigen sagen nämlich aus, dass Menschen mit ADHS fast immer und fast jeden Tag ADHS Symptome haben und Menschen ohne ADHS manchmal, nicht den ganzen Tag und geringer ausgeprägt.

Eine ,,Zwei-Minuten-Diagnose'' ist auf jeden Fall keine fachgerechte und seriöse Diagnose.

Ich meine also, dass auch bei deinem Bruder festgestellt werden kann,

Ich habe keinen Bruder.

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Pescatori  17.10.2023, 16:42
@FloraFinia17

Entschuldige, dass ich deinen "Balbbruder" als deinen Bruder bezeichnet habe!

Ansonsten haben wir wohl recht unterschiedliche Zugangsweisen, wenn es darum geht, seelisches Leid zu verstehen und Menschen bei dessen Bewältigung zu helfen.

Menschen werden in Gruppen/Kategorien klassifiziert und wenn eine bestimmte Anzahl an Kriterien (Symptomen) erreicht ist, dann kann eine Diagnose gestellt werden.

Oder aber:

In einem dialogischen Prozess gewinnt jemand Verständnis und Mitgefühl für sich selber und entdeckt den Weg zur Gesundung.

Und dann noch der Hinweis, dass Leon Eisenberg es war, der die Diagnose "ADHS" in die Psychiatrie eingeführt hat. Dass es die der "Störung" zugerechneten Symptome auch schon früher gab, wird sicher niemand bestreiten.

Dir und deinem Balbbruder wünsche ich ein einfühlsames Miteinander - fern aller psychiatrischen Diagnosen.

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Pescatori  17.10.2023, 17:16
@FloraFinia17

Nun, das tut mir wirklich leid. Ich hatte dich mit der Fragestellerin verwechselt!

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