Kennt jemand einen Komponisten aus der Antike?

2 Antworten

Wir haben ja noch nicht einmal annähernd eine Vorstellung davon, wie Musik in der Antike geklungen hat. Natürlich kennen wir von Darstellungen und aus Texten einige Instrumente, die zur musikalischen Untermalung von Dichtungen oder für Tanzmeldodien benutzt wurden. Aber ich bezweifle, dass es in dieser Sparte schöpferische Künstler, die dann auch noch eine gewisse Berühmtheit erlangt haben, gab. So wurden z.B. auch Vasenmaler lediglich als Handwerker angesehen. Die einzige antike Berufsgruppe, die man als 'Komponisten' bezeichnen könnte, ist die der Rhapsoden. Und auch das ist strittig.

http://www.sim.spk-berlin.de/static/hmt/HMT_SIM_Rhapsodie.pdf

Die Geschichtepoche/das Zeitalter der «Antike» kann zeitlich und räumlich unterschiedlich große verstanden sein. In einem engen Sinn umfaßt die Antike die griechisch-römische Geschichte vom Ende der mykenischen Kultur (im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr.) - oder diese einschließend auch schon die griechische Frühzeit ab etwa 2000 v. Chr. – bis zum Übergang von der Spätantike zum Mittelalter (etwa 500 - 600 v. Chr.). In einem weiten Sinn gehört zur Antike auch die Geschichte des Alten Orients (Vorderasien und Ägypten) im Altertum, seit Verwendung von Schrift.

Falls biblischer Überlieferung gefolgt wird (deren geschichtliche Echtheit wohl nicht sicher ist), könnte auch David als Harfenspieler und Verfasser von Psalmen in Frage kommen.

Was an Musik der griechischen Antike erhalten ist, sind meistens nur Bruchstücke (Fragmente). Eine Ausnahme ist das vollständig erhaltene Seikilos-Lied, auf einer Inschrift einer Grabstele für Euterpe (angenommen wird, diese sei sein Frau gewesen), wohl 1. Jahrhundert n. Chr. (römische Kaiserzeit). Vielleicht haben Seikilos und/oder seine Frau das Musikstück komponiert.

Es gibt erhaltene Bruchstücke von Musik zu Tragödien (vor allem von Euripides), bei denen der Komponist nicht bekannt ist.

Erhalten ist aus der Zeit des späten Hellenismus (die Inschriften in Delphi werden auf 128 v. Chr. datiert) etwas von einem Paian des Athenaios und einem Paian des Limenios.

Aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. (römische Kaiserzeit) ist etwas von Hymnen des Mesomedes erhalten.

Altes Ägypten

Namen von Kompositionen und Komponisten sind nicht bekannt. Komponisten waren im Orient lange Zeit weitgehend zugleich auch ausführende Musiker.

Musiker:

Chufu-anch, 5. Dynastie, Sänger, Vorsteher der Sänger und Flötist am königlichen Hof

Ilti (Grab der Ilti in Sakkara, um 2400 v. Chr., 5. Dynastie, singt begleitet vom Harfenisten Hekenu)

Nikaure

Snefrunofer I – II und die Familienangehörigen Chenu und Seschemnofer Flötisten Senanchwer, Ipi, Meschetj

Hofsänger und – musiker Hetepchenemet, Nimaatre mit Sohn Neferati/Neferaperef Cheironomen Sen und Neferti

Anchchu, Sänger und Harfenist, 11. Dynastie

Kastagnettenspieler Uch-nat und Eje (12. Dyanstie)

Sänger und Harfenisten Iqer und Tjeniaa, Harfensänger Neferhotep (12. Dynastie)

Sänger Dedumin und Sängerin Khuwyt (Grab des Hofveziers Antefoker in der Nekropole von Theben, Mittleres Reich)

Irmutpanefer (18. Dynastie, Sängerin des Amun und Sistrumspielerin der Mut)

Lautenist Harmosis

Lautenist Pedichons/Pedichens

harfenspielende Sängerin Bakik, Lautenist Amenhemtep, Oboistin Ruiuresti (Grab des Amenhemtep, Theben, 18. Dynastie)

Trompeter Hesi (19. Dynastie)

Trompeter Perpetjau und Amonchau (20. Dynastie)

Harfenist Horudja und Beckenspieler Anch-hep (Zeit des Princeps Augustus)

Griechenland und Rom

Bis zur klassischen Zeit Griechenland umfaßte Musik/Musenkunst (μουσική [τέχνη]) dem Begriff nach Dichtung, Gesang, Instrumentalmusik und Tanz).

Epische Dichtung (z. B. von Homer) wurde rhythmisiert vorgetragen. Elegie und Iambos wurden mit musikalischer Begleitung teils gesprochen, teils gesungen vorgetragen. In Tragödien gab es Chorlieder und lyrische Partien der Solisten. Dichter hatten also auch mit Musik zu tun.

Der athenische Tragödiendichter Agathon (etwa 455 – 401 v. Chr.) hat beispielsweise neue Tonarten eingeführt.

Bernhard Zimmermann, Agathon [1). In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 1: A - Ari. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1996, Spalte 241.
„Ebenfalls mit Arist. poet. 18, 1456a 25-32 hat er die bisher mehr oder weniger handlungsbezogenen Chorlieder durch völlig handlungsunabhängige Lieder (embólima) ersetzt. […]. In der Musik soll A. in den ›Mysern‹ das bisher allein gebräuchliche γένος διατονικόν mit dem γένος χϱωματικόν) gemischt (Plut. Symp. 3, 1, 645de) und die hypodorische und hypophrygische Tonart eingeführt haben (Anon. byz. de trag., ed. R. BROWNING § 5 = TrGF I, T 20 c).“

Arist. Poet. = Aristoteles, Poetik
A. = Agathon
Plut. Symp. = Plutarch, Synposiaka problemata (Συμποσίακα πϱοβλήματα; lateinischer Titel: Quaestiones convivales)
Anon. byz. de trag., ed. R. BROWNING = Anonymus Byzantinus, De Tragoedia, edidit Robert Browning
TrGF = Tragicorum Graecorum Fragmenta

Die griechische Mythologie enthält Erzählungen über Erfindung von Musikinstrumenten, Musizieren und Musiker wie z. B. Orpheus. Vielleicht auch noch zu eher sagenhaften Personen gehört der angeblich im 8. Jahrhundert v. Chr. tätige Phryger Olympos.


Albrecht  20.10.2014, 03:28

Als lyrische Dichter musikalischer Gesänge werden für die frühe Zeit in einer Zusammenstellung im Hellenismus genannt: Alkman, Alkaios, Sappho, Stesichoros, Ibykos, Anakreon, Semonides/Simonides, Pindar, Bakchylides Ein Kitharaspieler (Kitharode) war im frühen 7. Jahrhundert v. Chr. Terpandros (Τέϱπανδϱος; lateinisch: Terpander).

Ein Dichter und Musiker im 7. Jahrhundert v. Chr. war Klonas aus Tegea.

Ein elegischer Dichter im 7. Jahrhundert v Chr. war Kallinos aus Epheos.

Tyrtaios war ein spartanischer Elegiendichter und Aulospieler/Aulet, der um 640 v. Chr. zum Kampf auffordernde Elegien und militärische Lieder (die Gattung des Embaterion wird als Militärmarsch wiedergegeben) verfaßte.

Als Schöpfer von Weisen bei Agonen (Wettkämpfen) in Sparta gelten: Thaletas aus Kreta (Chorlyriker des 7. Jahrhunderts v. Chr. aus Gortyn auf Kreta), Xenodamos aus Kythera (Chorlyriker des 7. Jahrhunderts v. Chr.), Xenokritos der Lokrer (Chorlyriker des 7. Jahrhunderts v. Chr. aus Lokroi in Unteritalien), Polymnastos/Polymnestos aus Kolophon (epischer und elegischer Dichter des 7. Jahrhunderts v. Chr.), Sakadas aus Argos (6. Jahrhundert v. Chr.).

weitere Dichter: Pratinas aus Phleius (Ende des 6. Jahrhunderts bis etwa Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr., gilt als „Erfinder“ des Satyrspiels), Lasos aus Hermione (um 500 v. Chr.), Melanippides (Dithyrambendichter aus Melos, 5. Jahrhundert v. Chr.), Philoxenos aus Kythera (5./4. Jahrhundert v. Chr., Dithyrambendichter), Phrynis (Kitharaspieler aus Mytilene, im 5. Jahrhundert v. Chr. in Athen tätig), Kinesias (athenischer Dithyrambendichter Ende des 5./Anfang des 4. Jahrhunderts, von Aristophanes, Die Vögel 766 als äußerst schlechter Kitharaspieler bezeichnet), Timotheos (Kitharaspieler und Dichter, Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr.), Antigenes (Dithyrambendichter, 5. Jahrhundert v. Chr.), Polyeidos (Dithyrambendichter um 400 v. Chr.), Telestes aus Selinus (Dithyrambendichter, um 400 v. Chr.)

Bernhard Zimmermann, Dithyrambendichter des 5. Jh. In: Handbuch der griechischen Literatur der Antike. Band 1: Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit. Herausgegeben von Bernhard Zimmermann unter Mitarbeit von Anne Schlichtmann. München : Beck, 2011 (Handbuch der Altertumswissenschaft ; Abteilung 7, Band 1), S. 249:
„Die melische Dichtung in der zweiten Hälfte des 5. Jh. ist durch die musikalischen Innovationen der Vertreter der sog. Neuen Musik gekennzeichnet. In keinem Text wird dies deutlicher als in einem Fragment des Komikers Pherekrates (Fr. 155 PCG): Die personifizierte Musik berichtet der Gerechtigkeit von der üblen Behandlung, die ihr durch die Avantgarde angetan wurde. In katalogartiger Form werden die Hauptvertreter der Neuen Musik (Melanippides, Kinesias, Phrynis, Timotheos, Philoxenos) mit ihren jeweiligen Erfindungen genannt.“

Jh. = Jahrhundert
sog. = sogenannten
Fr. = Fragment
PCG = Poetae Comici Graeci

Der Tragödiendichter Euripides ist nach einer antiken Lebensbeschreibung angeblich von Ktesiphon musikalisch unterstützt worden.

Ein hervorragender Aulos-Spieler war Pronomos aus Theben (um 400 v. Chr.). Als sehr gut ausgebildet (Plutarch; Peri mousikes [Πεϱὶ μουσικῆς; Über Musik; lateinischer Titel: De musica; Plutarch ist wohl nicht der echte Autor) 31 (Ἠθικά/Moralia 1142 B - C) gilt Telesias aus Theben (wohl 4. Jahrhundert v. Chr.).

Im 4. Jahrhundert v. Chr. wirkte der Aulos-Spieler Telephanes aus Megara.

Kithara-Spieler waren z. B. Stratonikos aus Athen (4. Jahrhundert v. Chr.), Kephisodotos aus Achranai (4. Jahrhundert v. Chr.), Amoibeus (Mitte des 3. Jahrhunderts v Chr.), Argus, Exekestides, Menekrates (lateinisch: Menecrates; 1. Jahrhundert n. Chr.; Petronius, Satyricon 73, 3; Cassius Dio 73, 1, 1;), Terpnos (lateinisch: Terpnus; 1. Jahrhundert n. Chr., Sueton, Divus Vespasianus 19, 1) und Diodor (Diodoros, lateinisch: Diodorus; 1. Jahrhundert n. Chr., Sueton, Divus Vespansianus 19, 1).

Cicero De legibus 2, 15 [38 – 39] schreibt den Dichtern Livius Andronicus Gaius Naevius (3. Jahrhundert v. Chr.) angenehme Strenge ihrer Musik/Melodien zu.

Die Bühnenmusik für den Komödiendichter Titus Maccius Plautus, Stichus (Komödie Stichus oder Der Parasit), stammt von Marcipor, Sklave des Oppius (Didaskalie zu Plautus, Stichus 7), die Bühnenmusik für den Komödiendichter Publius Terentius Afer (Terenz) von Flaccus, Sklave des Claudius (Didaskalie zu Terenz, Andria 1- 12).

Von Athenaios stammt ein Paian auf einer Inschrift von der Südostecke des Schatzhaus der Athener in Delphi, 128 v. Chr. von Limenios ein anderer Paian auf einer Inschrift von der Südostecke des Schatzhaus der Athener in Delphi, 128 v. Chr.

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Albrecht  20.10.2014, 03:31

Wohl aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. ist das Seikilos-Lied, erhalten auf einer Grabstele für Euterpe (vermutlich seine Frau), 1883 in Tralleis (Kleimaisen) gefunden, heute in Kopenhagen, Nationalmuseum, Inventarnummer 14897). Über dem Lied steht eine Weihinschrift, darunter eine Erklärung (größtenteils zerstört) des Stifters Seikilos (Σείκιλος). Vier iambische Dimeter sind der Liedtext, in die deutsche Sprache übersetzt:
„Solange du lebst, leuchte dein Licht, laß dich von Trübsal nicht niederdrücken, kurz ist ja dein Leben, und es fordert die Zeit ihr Ziel.“

Mesomedes, angeblich ein Freigelassener des Hadrian, Hauptschaffenszeit nach 144 n. Chr., war ein Kithara-Spieler und lyrischer Dichter aus Kreta. Einige Gedichte sind mit musikalischer Notierung versehen (Hymnus, Prooimion an die Muse; Hymnus, Prooimien an Kalliope und Apollon; Hymnus, Prooimion an Apollon; Hymnus an Helios; Hymnus an Nemesis).

Informationen stehen vor allem in Nachschlagewerken zu Antike/Altertum und Musik(geschichte). Dort bzw, mit Hilfe dort erwähnter Quellen können weitere Angaben gesucht werden.

Frieder Zaminer, Musik IV. Griechenland. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 6: Mer – Op. Stuttgart ; Weimar, Metzler, 2000, Spalte 520 – 533

Frieder Zaminer, Musik V. Etrurien, Rom und frühes Christentum. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 6: Mer – Op. Stuttgart ; Weimar, Metzler, 2000, Spalte 533 – 535

Ellen Hickmann, Musiker. In: Lexikon der Ägyptologie. Begründet von Wolfgang Helck und Eberhard Otto. Herausgegeben von Wolfgang Helck und Wolfhart Westendorf. Redaktion: Rosemarie Drenkhahn. Band 4: Meggido – Pyramiden. Wiesbaden : Harrassowitz, 1982, Spalte 231 – 234

Ellen Hickmann, Ägypten A. Altägypten. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart : allgemeine Enzyklopädie der Musik. Begründet von Friedrich Blume. 2., neubearbeitete Ausgabe. Sachteil 1: A - Bog. Basel ; Kassel ; London ; München : Prag : Bärenreiter; Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1994, Spalte 276 – 296

Egert Pöhlmann, Griechenland A. Antike Musik. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart : allgemeine Enzyklopädie der Musik. Begründet von Friedrich Blume. 2., neubearbeitete Ausgabe. Sachteil 3: Eng - Hamb. Basel ; Kassel ; London ; München : Prag : Bärenreiter; Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1995, Spalte 1627 – 1676

Günter Fleischhauer, Rom (Reich). In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart : allgemeine Enzyklopädie der Musik. Begründet von Friedrich Blume. 2., neubearbeitete Ausgabe. Sachteil 8: Quer - Swi. Basel ; Kassel ; London ; München : Prag : Bärenreiter; Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1998, Spalte 370 – 387

Ellen Hickmann und Luise Manniche, Altägyptische Musik. In: Die Musik des Altertums. Herausgegeben von Albrecht Riethmüller und Frieder Zaminer. Laaber : Laaber-Verlag, 1989 (Neues Handbuch der Musikwissenschaft ; Band 1), S. 1 - 30 Frieder Zaminer, Musik im archaischen und klassischen Griechenland. In: Die Musik des Altertums. Herausgegeben von Albrecht Riethmüller und Frieder Zaminer. Laaber : Laaber-Verlag, 1989 (Neues Handbuch der Musikwissenschaft ; Band 1), S. 113 - 206

Albrecht Riethmüller, Musik zwischen Hellenismus und Spätantike. In: Die Musik des Altertums. Herausgegeben von Albrecht Riethmüller und Frieder Zaminer. Laaber : Laaber-Verlag, 1989 (Neues Handbuch der Musikwissenschaft ; Band 1), S. 267 – 325

Annemarie Jeanette Neubecker, Altgriechische Musik : eine Einführung. 2., durchgesehene und um einen Nachtrag erweiterte Auflage, Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1994 (Die Altertumswissenschaft). ISBN 3-534-04497-5

Egert Pöhlmann, Denkmäler altgriechischer Musik : Sammlung, Übertragung und Erläuterung aller Fragmente und Fälschungen. Nürnberg : Carl, 1970 (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft ; Band 31)

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