Ist die polnische Verteidigung zu empfehlen?
Hallo,
ich überlege, die polnische Verteidigung mit 1. d4 b5 als schwarz in mein Repertoire aufzunehmen.
Ist diese zu empfehlen oder brauche ich sie mir gar nicht erst ansehen?
Kann man diese in Langzeit-Partien (90min/40 + 30 min / +30s) spielen oder eher nur online, wo es nicht so seriös ist?
In welchem Rating Bereich (DWZ, FIDE-Elo, Chess.com Schnellschach Elo) würdet ihr sie empfehlen?
Danke schonmal!
2 Antworten
Laut Wikipedia spielte Boris Spasski bei der Schachweltmeisterschaft 1966 in der 22. Partie die Polnische Verteidigung gegen Titelverteidiger Tigran Petrosjan und erreichte nach ca. 20 Zügen Ausgleich. Letztlich verlor er die Partie aber doch noch.
Spasski brauchte mit dieser Eröffnung also 20 Züge, bis er nicht mehr schlechter stand als Weiß. Hinzu kommt, dass Spasski sich sicher viel intensiver mit dieser Eröffnung befasst hatte als Petrosjan, welcher wohl kaum damit gerechnet hatte, so etwas aufs Brett zu bekommen. Das allein klingt schon nicht danach, als ob die Polnische Verteidigung empfehlenswert sei. Ich selbst bin so gut wie nie auf diese Eröffnung gestoßen – weder in der Spielpraxis noch in YouTube-Videos – und sehe auch wenig Sinn, sich damit groß zu befassen.
Für Online-Schach hat diese Eröffnung in Blitz und Bullet sicher einen gewissen Überraschungseffekt, durch den du ein paar Siege einfahren könntest, wenn du weißt, was du tust.
Wenn jemand wie Jonathan Schrantz vom Saint Louis Chess Club diese Eröffnung zu seiner Hauptwaffe machen wollte, würde er daraus sicher irgendeine Gambit-Version zusammenschustern, mit einer Verkettung von Fallen, in welche der Gegner tappen kann, egal, wie er zunächst auf die Eröffnung reagiert. Auf diese Weise könnte man wahrscheinlich mit dieser Eröffnung mittel- und langfristig zumindest im Online-Schach bei kurzen Bedenkzeiten gegen Spieler, die noch keinen Meister-Titel oder höher haben, beständig gewinnen. Es erfordert viel Arbeit und Recherche, aus solchen zweit- und drittklassigen Eröffnungen etwas halbwegs Brauchbares zu machen, ist aber möglich, wie zum Beispiel IM Eric Rosen (ebenfalls vom Saint Louis Chess Club) mit dem Stafford Gambit oder Jonathan Schrantz mit dem Elefant-Gambit und zahlreichen anderen gleichermaßen unbekannten und dubiosen Eröffnungen gezeigt haben.
Probiere die Eröffnung einfach aus und schau, wie sie für dich funktioniert und was du daraus machen kannst.
Gespielt habe ich das nie. Spielbar ist es vermutlich schon - aber so ganz dolle erscheint mir das nicht zu sein, da es zu wenig zentrumsorientiert ist. Nach 2.e4 kommt oft 2... a6, dann hat Weiß schon sein ideales Zentrum, wohingegen Schwarz sicher Lb7 spielen kann, aber seinen K-Flügel noch entwickeln muss.
Ich würde es erst mal im Blitz oder Schnellschach ausprobieren. :)
1. d4 b5 2. e4 a6 3. Sf3 Lb7 4. Ld3 e6 5. O-O c5 6. c3 Sf6
7. Te1 ( 7. Sbd2 Sc6 8. Te1 ( 8. De2 Le7 ) Le7 )
7... Le7 8. Lg5 h6 sieht ganz ok aus...