Interpretation von Herbst der Bettler

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Peter Huchel (1903-1981) „Herbst der Bettler“


Gedicht

Das spröde Holz am Brombeerzaun trug auswärts Früchte viel, ganz erdige, von Sonne braun und Regen innen kühl.

Die nachts auf blachem Felde ruhn, sie kämmten aus das Laub, eh sie auf drahtgeflickten Schuhn fortzogen unterm Staub.

Oktoberbüsche, kahl und naß, verfaulter Nüsse Riß, in rauhreifübereistem Gras des Nebels kalter Biß!

Wie eine Wabe, ausgeleert, die Sonnenblume starrt. Der Wind, der durch die Dornen fährt, klirrt wie ein Messer hart.


Gedichtsinterpretation

„Herbst der Bettler“ ist ein Gedicht von Peter Huchel, einem Autor aus der ehemaligen DDR,
der ab 1972 in der Bundesrepublik Deutschland lebte und dort 1981 starb. Ein Erscheinungsjahr
des Gedichts ist nicht angegeben.

Ein Natur- oder Jahreszeitengedicht arbeitet meistens mit Wahrnehmungen, mit Bildern und
nicht mit Gefühlen. Auch hier sehen wir mit den Augen des Sprechers, der sich ansonsten nicht
in den Vordergrund drängt, Bilder, vielleicht auch Erinnerungen.

Das erste Bild in der ersten Strophe ist ein Brombeerzaun mit „sprödem Holz“, also trockenem,
brüchigem. Es „trug“ viele Früchte. Die Zeit ist also schon vorbei, nur in der Erinnerung sind die
Früchte braun von der Sonne und „innen kühl“ vom Regen. Die schmackhaften Brombeeren
sind eine Erinnerung an den vergangenen Spätsommer. Warum sieht man nur das Holz?
„Die... kämmten aus das Laub“. Wer sind „die“, die den Brombeerzaun plünderten und
entlaubten? Es sind die, die auf „blachem Felde ruhn“ und die „auf drahtgeflickten Schuhn
fortzogen“. Wer unter freiem Himmel nächtigt und armselige Schuhe trägt ist wohl ein
Obdachloser oder – wie im Titel nahegelegt – ein Bettler, ein armer Kerl.

Das zweite Bild sind weitere Naturerscheinungen im Herbst, die hier nur aufgezählt werden:
„Oktoberbüsche“, auch sie schon ohne Blätter und naß, herabgefallene, faule Nüsse und
„rauhreif bereistes“ Gras. Mit einer eindrucksvollen Personifizierung wird die Wirkung der
Oktoberkälte geschildert: Alles ist dem „kalten Biß“ des Nebels zu danken.

Als drittes Bild zeigt uns der Sprecher eine Sonnenblume, die wie eine ausgeleerte Wabe
„starrt“, und wir lesen von einem kalten Wind, der „klirrt wie ein Messer hart“. Es sind trostlose,
grausame Bilder, die hier am Schluss stehen. Ein leere Wabe bietet keine Nahrung mehr und
der eisige Wind wirkt wie ein Messer. Auf wen? Der Schluss liegt nahe, dass sich der Leser an
die vorher erwähnten Bettler erinnern soll, die, ohne Dach über dem Kopf, dieser Witterung
ausgesetzt sind.

Der Eindruck der Trostlosigkeit und Härte wird durch die Adjektive bestätigt. Das tote Holz des
Brombeerzauns ist „spröde“, „kahl und naß“ die Büsche, die Nüsse „verfault“, das Gras als
originelle komprimierte Wortschöpfung „rauhreif bereist“. Aber auch die Verben in der letzten
Strophe unterstützen das: Die Sonnenblume „starrt“ wie erblindet, der Wind „klirrt“. Sicher hat
Huchel die beiden Doppel-r nicht zufällig gewählt. Der Tempuswechsel aus der ersten Strophe („trug“) bis zum Präsens in der letzten („starrt“)
zeigt wie die Zeit vom noch ertragreichen und erträglichen Spätsommer vergangen ist bis zu
der Situation des Oktobers mit Nachtfrost und entlaubten Büschen und Bäumen. Peter Huchel verwendet für sein Gedicht eine schlichte Form: Vier Vierzeiler mit einem
Kreuzreim und einem vierhebigen Jambus erinnern sogar von ferne an eine Volksliedstrophe.
Das ist einleuchtend, wenn das Gedicht, wie angenommen, tatsächlich von armen, sehr einfachen Leuten handelt. Ein kompliziert gebautes Gedicht wurde nicht zu der Absicht passen,
an Bettler zu erinnern.

Ein Naturbild, das die Unbilden der Witterung im Spätherbst zeigt, soll also nicht dem
Selbstzweck einer trüben Stimmung genügen. Es hat eine Funktion; es soll uns an Menschen
erinnern, die unter diesen Umständen leiden, ihnen vielleicht gar nicht gewachsen sind. Keine
Moral, kein Appell steht am Schluss, keine Sammelbüchse klappert vor uns. Der Autor belässt
es den Lesern selbst, Schlüsse zu ziehen, aktiv zu werden. Er zeigt uns nur das Bild, das etwas
anderes – Mitleid vielleicht – hervorrufen soll.


Quelle: http://home.arcor.de/harropischon/SchulBuch.pdf

jo hab ich aber bissl hilfe könnte ich gebrauchen