Interpretation Karikatur aus 1947?
Bräuchte Hilfe bei der Interpretation dieser Karikatur bzw. der entsprechenden geschichtlichen Hintergründe. Sie ist aus 1947. Vielen Dank schonmal im Voraus:)
3 Antworten
zentrale Informationen enthält:
https://www.hdg.de/lemo/bestand/objekt/karikatur-one-volk-two-reichs.html
„Die Außenminister der Siegermächte erreichen 1946/47 in der Deutschlandfrage keine Einigung. Jeder Außenminister sitzt auf seiner jeweiligen Besatzungszone: Wjatscheslaw Molotow auf der sowjetischen Besatzungszone, Ernest Bevin auf der britischen, Georges Bidault auf der französischen und James F. Byrnes auf der amerikanischen Besatzungszone.
Ort und Zeit: Großbritannien, ca. 1947
Objektart: Karikatur
Bildnachweis: Stiftung Haus der Geschichte; EB-Nr. 1995/11/1371
Urheber: Victor Weisz (Karikaturist), "Vicky"; News Chronicle (Hrsg.)“
Der Karikaturist ist Victor Weisz (Viktor Weiss), unten links erscheint seine Signatur „Vicky“ (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Victor_Weisz).
Die Karikatur in Schwarz-Weiß-Farbe ist in der in London herausgegebenen britischen Tageszeitung „News Chronicle“ (https://en.wikipedia.org/wiki/News_Chronicle) veröffentlicht worden.
Unten rechts steht in fetten Großbuchstaben:
„ONE VOLK
TWO REICHS
NO FÜHRER“.
Von der englischen in die deutsche Sprache übersetzt bedeutet dies „ein Volk, zwei Reiche, kein Führer).
Dies ist eine gezielte Abwandlung einer nationalsozialistischen Parole, die sich auf die Lage Deutschlands in der damaligen Gegenwart (1947) bezieht und und einen von der Parole stark abweichenden Zustand entgegenstellt. Dieser ist zum Teil (im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und der Niederlage Deutschlands) ein Ergebnis nationalsozialistischer Politik.
Bei der Reichstagswahl am 12.11.1933 (nicht mehr demokratisch und mit einem Ein-Parteien-System) warb die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) mit der Parole „Ein Volk ein Führer ein ‚Ja'“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bundesarchiv_Bild_183-K0930-502,_Wahlplakat_der_NSDAP_zur_Reichstagswahl.jpg).
Nach der völligen Machtübernahme der NSDAP und der NSDAP wurde die Parole »Ein Volk. Ein Reich. Ein Führer« verwendet, aufgebracht beim Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg vom 4. bis10. September 1934. Verstärkt kam sie 1938 im Zusammenhang mit dem »Anschluss« Österreichs zum Einsatz.
https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/wahlplakat-ein-volk-ein-reich-ein-fuehrer-1938.html
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ein_Volk,_ein_Reich,_ein_F%C3%BChrer.jpg
Die Parole »Ein Volk. Ein Reich. Ein Führer« beschwor Einheit, nationale Geschlossenheit (in einer »Volksgemeinschaft«), Größe und Zustimmung zu einem Führerprinzip, sollte begeistern und legitimieren. Sie lief auf Gehorsam und Unterwerfung hinaus, eine Gleichschaltung in einem Staat, der eine totalitäre Diktatur war.
Der Zustand Deutschlands 1947, wie er in der Karikatur gesehen wird, ist auf die Parole bezogen:
Es gibt weiterhin „ein Volk“ (das deutsche Volk).
Es gibt zwei Reiche, ein westliches Reich und ein östliches Reich, nämlich das Gebiet der westlichen Besatzungsmächte und das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone.
Es gibt keinen Führer. Adolf Hitler ist besiegt und tot. Es gibt auch keinen deutschen Politiker als Regierungschef Deutschlands. Das nationalsozialistische Führerprinzip ist beseitigt.
Das Gebiet Deutschlands tritt in heller Farbe reliefartig hervor. Zwischen westlichen Besatzungszonen und der sowjetschen Besatzungszone ist eine Bruchstelle und eine Lücke, was diese Grenze betont.
Die Außenminister der Besatzungsmächte befinden sich auf ihrer jeweiligen Besatzungszone. Es sind indivdiuell erkennbar Wjatscheslaw Molotow (Sowjetunion), Ernest Bevin (Großbritannien), Georges Bidault (Frankreich) und James F. Byrnes (USA).
Der sowjetische, britische und amerikanische Vertreter sitzen mit verschränkten Armen vor der Brust. Sie haben sich bequem und fest niedergelassen. Der französische Vertreter steht und hat Arme und Beine in Bewegung. Frankreich hatte nachträglich eine Besatzungszone aus dem britisch-amerikanischen Bereich erhalten.
Hintergründe sind die Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, die aliierte Besatzungspolitik, die Teilung Deutschlands und der »Kalte Krieg« mit einem Ost-West-Gegensatz.
Der Zweite Weltkrieg endete in Europa mit der am 8. Mai 1945 in Kraft getretenen bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Die Siegermächte übernahmen die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. In der Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 wurde mitgeteilt, dass die Regierungen Großbritanniens, der USA, der Sowjetunion und Frankreichs die oberste Regierungsgewalt in Bezug auf Deutschland übernommen hatten. In Deutschland waren Besatzungszonen eingerichtet.
Dazu hatte es vorher verschiedene Verhandlungen und Absprachen gegeben.
Es gab Niederschriften ab dem 12. September 1944 von Beratungen der aliierten Beratenden Kommission für Europa (European Advisory Commission; EAC) in London (Londoner Zonenprotokoll), die letzte Fassung vom 13. August 1945 mit einer Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen und ein besonderes Berliner Gebiet unter der gemeinsamen Besatzungshoheit der vier Mächte, die einzelne Sektoren in Berlin hatten.
Am 30. Juli 1945 wurde der Aliierte Kontrollrat, bestehend aus den Oberbefehlshabern der Besatzungsmächte, als oberste Besatzungsbehörde eingesetzt und hatte Regierungsgewalt für Deutschland (das Deutsche Reich in den Grenzen vom 31. Dezember 1937).
Auf der Potsdamer Konferenz (USA, Großbritannien, Sowjetunion) vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 wurde unter anderem die Zonenaufteilung inhaltlich anerkannt.
Frankreich hat nicht teilgenommen, allerdings den Vereinbarungen und Beschlüssen (Potsdamer Abkommen) am 7. August (unter Vorbehalten) zugestimmt.
Ab Juli 1945 wurden südwestdeutsche Gebiete der britischen und amerikanischen Besatzungszone an die Franzosen übergeben.
Die britische und amerikanische Besatzungszone wurden gemäß eines Beschluss vom 2. Dezember 1946 Wirkung zum 1. Januar 1947 zum einem vereinigten Wirtschaftsgebiet zusammengeschlossen (Bizone).
Auf der Karikatur ist Großbritannien im Nordwesten Deutschlands, die Sowjetunion im Osten, die USA im Südennund Frankreich im Südwesten. Dies entspricht den Besatzungszonen. Einzelheiten, die für die Aussage Karikatur unwichtig sind, sind weggelassen: Der besondere Status Berlins und Bremen und Bremerhaven als amerikanisches Besatzungsgebiet (um einen Versorgungshafen zu haben).
Innerhalb der westlichen Besatzungszonen ist bemerkbar, das Frankreich erst hinzugekommen ist und ein wenig eine besondere eigene Rolle hat.
Die abgebildeten Herrschaften kommen aus USA, UdSSR, England und Frankreich.
Der geschichtliche Hintergrund ist (siehe Abbildung und Datum) die Aufteilung Deutschlands nach dem II. WK in Besatzungszonen. Der Zeichner stellt hierbei aber nur die Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland dar, da Stalin stets andere Interessen verfolgte (kommunistisch/sozialistische Ideologie) als die Westmächte (kapitalistisch, demokratisch, frei).
Hoffe, es hilft dir ein wenig :)
Ein Volk, ein Reich, ein Führer war ein häufig gesagter Slogan von Hitler. Nun eben (1947) zwar immer noch ein Volk aber zwei Reiche und kein Führer.