Hatte jemand (im IT-Bereich) schon mal mit einem sog. "Digitalen Zwilling" so zu tun gehabt, dass er erklären kann, wie so einer in etwa gestaltet ist?
Dies Frage wird mir nahegelegt durch folgende Pressenotiz:
Die Bedeutung digitaler Zwillinge in der Industrie nimmt rapide zu. Erste Unternehmen nutzen virtuelle Abbilder, um Autos, Impfstoffe oder Kreuzfahrtschiffe effizienter zu entwickeln.
Mich würde interessieren, wie ein digitaler Zwilling als Software-Anwendung in etwa gestaltet ist. Besteht er vorwiegend aus Datentabellen oder vorwiegend aus Code, Prozesse zu simulieren? Eine Fabrik kann in digitaler Form ja eigentlich nur Daten darstellen.
2 Antworten
Digitale Zwillinge nehmen einen großen Teil meiner Arbeit ein. Besonders solche zur Produktionsorganisation. Also digitale Zwillinge zur Spiegelung komplexer Fabrikprozesse. Es gibt somit nicht nur DT für komplexe Maschinen, Flugzeuge, Schiffe usw., sondern auch z.B. logistische DT. Möglich sind prinzipiell auch biologische DT uvm.
Nach wie vor gibt es keine allgemeingültige Definition für den Begriff "digitaler Zwilling".
Dieses Paper beschreibt einen möglichen Aufbau für einen logistischen DT aber ganz gut: https://ieeexplore.ieee.org/document/8049520
Vereinfach gesagt sieht das so aus:
- Es gibt eine physische Welt, die sich irgendwie in Daten widerspiegelt. Z.B. Schichtpläne, Produktionsaufträge und Lagerbestände in einem ERP-System
- Der DT greift auf diese Daten zu und kann die echte Welt mit all ihren organisatorischen Regeln nachbilden. Üblicherweise wird das über eine diskrete Ereignissimulation gemacht (z.B. mit Tools wie PlantSimulation). Oder über Process-Mining-Techniken, die eine Simulation automatisch auf Basis von Bewegungsdaten erzeugen.
- Die zu verplanenden Daten werden dann in das realistische Simulationsmodell gegeben, welches dann die Prozesse nachahmt und evaluiert.
- So kann man dann z.B. komplexe Untersuchungen machen, Daten erheben, Szenarien durchspielen usw. Man kann z.B. analysieren, wo Bottlenecks sind und simulieren, wie die Materialflüsse alternativ abläufen können, wenn man eine neue Anlage kaufen würde usw.
- Aktuelle Forschung ist, wie mithilfe des digitalen Zwillings automatisch Verbesserungspotenzial erkannt wird und z.B. durch eine KI proaktiv in die Produktionsprozesse eingegriffen werden kann. Also dass ein intelligentes Verfahren automatisch Aufträge verplant, wie es die aktuelle Situation erfordert oder Verbesserungsvorschläge für menschliche Entscheider generiert.
Wenn es dabei um ein Produkt geht, dann sind alle Daten involviert, die der möglichst vollständigen Beschreibung seiner Eigenschaften dienen, und diese sind möglichst noch miteinander verknüpft.
Das reicht von den Geometiedaten (CAD) bis zur Software und ggf. Simulationen, die das alles einschließen.