Haben die Menschen heute immer noch so viele Vorurteile gegenüber AIDS-Betroffenen?
Meine Eltern haben mir mal erzählt, dass in den 80er Jahren Menschen, die sich mit AIDS hatten, auch in Deutschland sehr schlecht behandelt wurden und alle Angst vor den Betroffenen hatten, weil alle die Befürchtung hatten, dass sie sich infizieren könnten. (Zumindest war das wohl in ihrem Umfeld so.)
Sie haben mir auch erzählt, dass die Leute damals beispielsweise nicht ihren Teller mit einer 'infizierten Person' teilen wollten. Heute ist ja eigentlich bekannt, dass man sich nicht über diesen Weg anstecken kann.
Ich kenne keine Menschen in meinem Umfeld, die AIDS haben/vielleicht spricht auch niemand offen darüber. Daher bekomme ich nicht mit, wie sich andere Menschen ihnen gegenüber im Alltag verhalten.
Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, frage ich mich, ob das Thema immer noch mit den gleichen Vorurteilen besetzt ist und es hier in Deutschland auch noch heute 'gang und gäbe' ist, dass Betroffene nicht ehrlich über ihre Erkrankung sprechen können, weil sie mit Ablehnung/Angst der anderen Leute rechnen müssen?
1 Antwort
Hi! Ja, da haben deine Eltern recht. Das waren heftige Zeiten.
Zum Glück hat sich seitdem viel getan: Die Gesellschaft ist heute viel besser aufgeklärt über HIV als in den ersten Jahren. Berührungsängste und Vorurteile haben abgenommen. Ausgrenzung ist nicht mehr so krass wie in den ersten Jahren. Das ist die gute Nachricht.
Die schlechte: Ausgrenzung, Diskriminierung, Stigmatisierung gibt es trotzdem noch. Das hat viel mit Berührungsängsten, Vourteilen und Unwissenheit zu tun.
Wir haben 2020 eine repräsentative Befragung dazu gemacht. Dabei kam raus:
Ein Viertel der Menschen in Deutschland möchte lieber kein Geschirr mit HIV-positiven Menschen teilen, fast genauso viele keine Sportgeräte im Fitness-Studio. 21% möchten nicht dieselbe Toilette nutzen wie Menschen mit HIV. Nur die Hälfte der befragten Menschen (48%) würden eine HIV-positive Person küssen, die ihnen sympathisch ist. (Es geht hier also nicht mal um wilde Zungenküsse, die auch kein Problem wären.)
Und das alles, obwohl im Alltag wirklich NULL Übertragungsrisiko besteht - und unter HIV-Therapie - heute der Regelfall - auch beim Sex nicht mehr.
Unterm Strich möchten immer noch drei von zehn Befragten mit dem Thema HIV lieber nicht in Berührung kommen. Und unverändert zu 2017 meint ungefähr die Hälfte der Befragten, dass über Menschen mit HIV im Allgemeinen eher schlecht gesprochen wird.
Das alles belastet Menschen mit HIV natürlich. Völlig unnötigerweise. Sie können heute dank guter Medikamente eigentlich leben wie alle anderen - in jedem Lebensbereich.
Auch unsere Befragung positive stimmen 2.0 (gemeinsam mit dem Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft) bringt das Prtoblem deutlich zutage: Die allermeisten Befragten gaben an, dass sie gut mit ihrer Infektion leben können. Aber 95 % der Befragten hatten in den 12 Monaten vor der Befragung Diskriminierung erlebt, mehr als die Hälfte erlebt Vourteile als Beeinträchtigung der Lebensqualität.
Das alles zeigt: Wir sind noch lange nicht am Ziel.
Wie das echte Leben mit HIV aussieht zeigt die Kampagne "Leben mit HIV. Anders als du denkst". Sie soll Vourteile und Ängste abbauen. www.welt-aids-tag.de
Die Ergebnisse unserer Umfrage sind hier nachzulesen: https://www.aidshilfe.de/meldung/immer-mehr-menschen-wissen-hiv-therapie-uebertragbar
Und die Studie positive stimmen 2.0 zu Diskriminierung hier: https://www.aidshilfe.de/meldung/leben-hiv-heute-vorurteile-schaden-mehr-infektion