Fragen zum Sozialismus/Kommunismus?

6 Antworten

Eine Ideologie, die den Staat als Ganzes abschaffen will, nennt man Anarchismus. Das ist etwas anderes.

Sowohl Sozialismus wie Kommunismus sind Gesellschaftsformen mit einer entsprechenden Staatsform. Der Staat wird also nicht abgeschafft, sondern umgestaltet. 

Es gibt nach wie vor verschiedene Berufe (z. B. Lehrer), die sich aber als Angehörige der Arbeiterklasse verstehen sollen und im Kommunismus auch kein besseres Gehalt bekommen.

Es gibt nach wie vor Gesetze und Gerichte. Allerdings bestimmt die Staatsdoktrin die Gesetzgebung.

Die Arbeit dient nicht nicht dazu, sich "in den Besitz" von etwas (z. B. einer Fabrik) zu bringen, sondern die Versorgung aller mit dem Lebensnotwendigen zu sichern.


Antifascist  09.12.2015, 15:03

Im Kommunismus gibt es keinen Staat!

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gruenefeder  05.11.2018, 06:33

"Die Arbeit dient nicht nicht dazu, sich "in den Besitz" von etwas (z. B. einer Fabrik) zu bringen, sondern die Versorgung aller mit dem Lebensnotwendigen zu sichern."

Das unterstellt, dass in einer sozialen Marktwirtschaft NICHT das Hauptziel sei, ALLE mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Ich halte das für Polemik, zumindest was eine SOZIALE Marktwirtschaft betrifft.

Ich glaube auch fest daran, das dieses Ziel in unserem Land erreicht wurde, sogar weit mehr als das, während ich mir da zum Beispiel bei Nordkorea zeitweise ÜBERHAUPT nicht immer sicher war, obwohl manchmal China bei der Versorgung mitgeholfen hat.

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Es gehört einem nicht alles.
Zunächst mal gilt laut Marx der Sozialismus als VORSTUFE des Kommunismus. Der Sozialismus ist dabei staatlich gelenkt, d.h. es gibt einen Staat. Die Maschinen und andere Produktionsmittel gehören jedoch nicht der Bourgeoisie (also der besitzenden Klasse; die Reichen) sondern eben dem Staat. Damit besitzt die Bourgeoisie nichts mehr und ist somit aufgelöst. Durch die "Diktatur des Proletariats", also der Lohnarbeiter, soll der Umsturz zum Kommunismus geschafft werden. Der Kommunismus funktioniert dann jedoch OHNE Staat, sondern rein durch die Menschen selber.
Lehrer besitzen ja nichts, folglich gehören sie nicht der Bourgeoisie an.
Wie das mit Gerichten ist - da kann ich dir leider nicht weiterhelfen.


gruenefeder  05.11.2018, 06:43

Wer entscheidet dann, ob man zum Beispiel AKWs bauen soll oder nicht? Die Leute? Und wenn die sich uneinig sind? Oder wenn die zu faul sind, sich das viele dazugehörige Wissen anzulesen - angeblich gibt es ja solche Leute...??

Eine repräsentative Demokratie plus Rechtsstaat hat viele Nachteile, aber eben auch viele Vorteile, zum Beispiel dass die Volksvertreter und Richter besser über die häufig sehr vielen involvierten Fragen informiert sind als die Mehrzahl "der Leute" und dass sie in der Regel bessere Fähigkeiten haben, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen?!

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Zuerst einmal Kompliment für die guten und kritischen Fragen. Du machst dir offenbar wirklich Gedanken, und das ist immer gut und wichtig.

Das Problem an deinen Fragen ist, dass sie komplett aus der Systemperspektive gestellt werden. Das heißt, dass du gewisse Grundlagen unserer Gesellschaft praktisch als gottgegeben hinnimmst, ohne sie zu hinterfragen, und auf dieser Basis das weiterdenkst, was du über den Sozialismus weißt.

Der Sozialismus stellt aber unsere Gesellschaft mitsamt all ihren Wurzeln und Grundlagen fundamental in Frage.

Der Versuch einer Antwort:

1. Es gibt einen Staat, die sogenannte Diktatur des Proletariats. Damit ist keine Diktatur gemeint, wie wir diesen Begriff heute verstehen, sondern es bedeutet im Wortsinn: Die Arbeiterklasse diktiert, verwaltet also das Wirtschaftsleben. Im Kapitalismus gehören die Produktionsmittel, also die Kapitale, Fabriken, Maschinen, usw., privaten Unternehmern. Die Diktatur des Proletariats enteignet diese Produktionsmittel und verwaltet deren Einsatz im Sinne des Allgemeinwohls. Produziert wird nicht mehr für den privaten Profit des Eigentümers, sondern zur Bedarfsdeckung der Bevölkerung.

2. Das kann man so pauschal nicht beantworten. Auch im Sozialismus muss es leitende Funktionen geben, Personen oder Gremien, die den gesamten Produktionsprozess im Auge behalten und koordinieren. Die Funktion wird allerdings auf ihren praktischen Nutzen reduziert, materielle Privilegien entstehen dadurch nicht.

3. Du hast eine falsche Vorstellung von Klassen. Damit ist nicht gemeint, dass es unterschiedliche Berufe gibt, die unterschiedlich "produktiv" oder "unproduktiv" sind. Diese Unterscheidung macht ja gerade den Kapitalismus aus, weil der Hauptzweck des Wirtschaftens der Profit ist. Im Sozialismus ist das nicht der Fall. Klassen bedeutet: Es gibt private Eigentümer von Produktionsmitteln auf der einen Seite, und auf der anderen Seite Menschen, die gezwungen sind, ersteren ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Diese Trennung soll im Sozialismus aufgehoben werden, in dem die Produktionsmittel der Gesellschaft als Ganzes übereignet werden. Mehr nicht.

4. Nein, siehe Punkt 1. Die Diktatur des Proletariats sorgt für die Vergemeinschaftung der Produktionsmittel. Sind alle Produktionsmittel im "Besitz" der gesamten Gesellschaft und funktionieren alle Abläufe reibungslos, gibt es keine Notwendigkeit für einen Staat im Sinne einer Herrschaft mehr. Er wird nicht abgeschafft, er stirbt von selbst ab.

5. Der Staat, der sich selbst auflöst, ist zu verstehen als Herrschaftsinstrument. Eine Verwaltung, ein Rechtssystem, all das muss es natürlich weiter geben. Es sind dann allerdings basisdemokratische Gremien, die von unten nach oben organisiert sind, das ist der Unterschied. Wer zwischen Gut und Böse entscheidet? Es ist die Gesellschaft selbst. Man kann den Kommunismus deshalb auch nicht "beschreiben" - es ist ja in einer kommunistischen Gesellschaft gerade die Aufgabe der Gesellschaft selbst, basisdemokratisch zu entscheiden, wie die Ausgestaltung konkret aussieht.

6. Eigeninitiative. Die Gesellschaft produziert für die eigene Versorgung. Das setzt ein hohes Maß an Verantwortung voraus. Auch das soll im Sozialismus gelernt werden.


Antifascist  09.12.2015, 21:52

Sehr gute, ausführliche und richtige Antwort. DH!

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gruenefeder  05.11.2018, 06:25

Wenn ein System sich theoretisch sehr logisch und menschenfreundlich anhört/liest und sich die Verwirklichungen in der Praxis ("real existierender Sozialismus") aber für die Mehrzahl der Menschen NICHT als das schönste existierende System erweist, muss man, wenn man das System weiter vertritt, meiner Meinung nach schlüssig begründen, warum die bisherigen Versuche in dieser Richtung mehr oder weniger gescheitert sind?!

Oder siehst Du es so, dass sie erfolgreich waren?

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Ich wiederhole es gerne immer wieder: Sozialismus ist ein Oberbegriff für 4 ganz unterschiedliche politische Richtungen. So gab es die Sozialdemokratie lange vor der ersten kommunistischen Partei, und sie hat sich dem Kommunismus in allen Ländern immer entschieden entgegengestellt.

Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte deshalb der Begriff 'Sozialismus' nicht allein, sondern zusammen mit einem Adjektiv sowie in der Regel im Plural verwendet werden: Sozialismen.

Es gibt demokratische Sozialismen und diktatorische Sozialismen. 

'Demokratische Sozialismen' = 'sozialdemokratischer Sozialismus' (Sozialdemokraten) und 'ökologischer Sozialismus' (Grüne).

'Nicht-demokratische Sozialismen' = 'kommunistische Sozialismen' (Kommunisten) und 'anarchistische Sozialismen' (Anarchisten).