Der Philodox

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Eindeutig kann dies erst aus einem Zusammenhang bestimmt werden.

Aus der griechischen Wortbedeutung von φιλόδοξος (philodoxos), aus dem Philodox abgeleitet ist, ergeben sich zwei Möglichkeiten.

Die Bestandteile von φιλόδοξος sind φίλο- und δόξα.

Das Adjektiv φίλοs (philos) bedeutet „liebend“, „befreundet“, „freundlich“.

Mit einem davorgesetzten Artikel substantiviert (ὁ φίλος) ist die Bedeutung „Freund“, „Liebhaber“, „Liebender“.

δόξα (doxa) bedeutet:

a) Meinung, Glaube, Vorstellung, Erwartung

b) (guter) Ruf, Ruhm, Ehre, Glanz, Herrlichkeit

Nach der Wortherkunft kann der Philodox entweder ein Meinungsliebhaber/Freund der Meinung/Meinungsliebender oder ein Ruhmesliebhaber/ein Freund des Ruhms/ein den Ruhm Liebender sein.

Platon, Politeia 480 a verwendet den Begriff «Philodox» in Entgegensetzung zum Begriff «Philosoph».

Menschen, die nur freundlich aufnehmen und lieben, was in den Bereich von Meinung gehört, sollen «Philodoxe» (φιλοδόξους) genannt werden, Menschen, die Erkenntnis/Wissen/Einsicht freundlich aufnehmen und lieben, die jedes Seiende freundlich aufnehmen, sollen Philosophen genannt werden.

Die Aussage gehört zu dem Abschnitt Platon, Politeia 475 a - 480 a. Grundlegend ist dabei eine Unterscheidung Platons zwischen Erkenntnis/Wissen (ἐπιστήμη [episteme]) und Meinung (δόξα [doxa]). Die Gegenstände von Erkennen/Wissen und Meinen sind nach Platons Darlegung unterschiedlich. Gegenstand von Erkennen/Wissen ist Seiendes. Damit ist (nach Platons Erkenntnistheorie) das gemeint ist, was etwas Bestimmtes ist, das, was gleichbleibend ist und rein das Wesen einer Sache selbst. Platon nennt dies anderen Stellen Ideen (Ideenlehre Platons). Gegenstand von (bloßer) Meinung ist das, was wechselhaft ist, der Bereich von Erscheinungen, bzw. nicht rein die Sache selbst. Meinung ist ein Mittleres zwischen Erkenntnis/Wissen und Unwissenheit. Meinung bezieht sich nicht auf Seiendes, allerdings auch nicht auf das, was schlechterdings nichtseiend ist.

Platon versteht unter einem Philodoxen an der genannten Stelle einen Meinungsliebhaber/Freund der Meinung/Meinungsliebenden.

Am Beginn des Abschnitts bedeutet φιλότιμος (Platon, Politeia 475 a φιλοτίμους) jemand, der Liebhaber/Freund/Liebender von Ruhm und Ehre ist, danach Begierde hat und ehrgeizig ist.

Immanuel Kant bezieht sich in Äußerungen über den Philodox (handschriftlich in Vorlesungsnachschriften auch Phylodoy oder Phylodix) auf Platon (bzw. Sokrates als Hauptfigur platonischer Dialoge).

Immanuel Kant, Logik. Einleitung. III. Begriff von der Philosophie überhaupt - Philosophie nach dem Schulbegriffe und nach dem Weltbegriffe betrachtet. - Wesentliche Erfordernisse und Zwecke des Philosophirens. - Allgemeinste und höchste Aufgaben dieser Wissenschaft. AA IX, 24:
„Der Vernunftkünstler oder, wie Sokrates ihn nennt, der Philodox, strebt bloß nach speculativem Wissen, ohne darauf zu sehen, wie viel das Wissen zum letzten Zwecke der menschlichen Vernunft beitrage; er giebt Regeln für den Gebrauch der Vernunft zu allerlei beliebigen Zwecken. Der praktische Philosoph, der Lehrer der Weisheit durch Lehre und Beispiel, ist der eigentliche Philosoph. Denn Philosophie ist die Idee einer ist der eigentliche Philosoph. Denn Philosophie ist die Idee einer vollkommenen Weisheit, die uns die letzten Zwecke der menschlichen Vernunft zeigt.“

Immanuel Kant, Kants gesammelte Schriften. Band 24 = Abteilung 4, Vorlesungen ; Band 1: Vorlesungen über Logik. Herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Hälfte 1. Berlin ; New York : de Gruyter, 1966, S. 383 (Vorlesungen über Logik. Logik Philippi. Vom anderen Abschnitt. Von der Weitschweifigkeit der gelehrten Erkenntnis. § 53):
„Plato unterschied die Philosophie und die Philodoxie. Philodox ist der sich alle Geschicklichkeit erwirbt, alle möglichen Quaestionen sie mögen noch so abgeschmackte Zwecke haben, zu beantworten. Der Philosoph im akademischen Verstande ist ein solcher Philodox, allein der wahre Philosoph ist der der sich fähig zu machen sucht nur das zu erkennen was der wahren Vollkommenheit und der höchsten Bestimmung des Menschen angemessen ist.“


Albrecht  02.09.2014, 01:36

Immanuel Kant, Logik-Vorlesung : unveröffentlichte Nachschriften. Bearbeitet von Tillmann Pinder. 1: Logik Bauch, Hamburg : Meiner, 1998, S. 36 – 38:
„Sokrates machte schon einen Unterschied zwischen einem Philodoxen und einem Philosophen. Ein Philodox ist der, der die Vernunftskunst gut versteht, überhaupt, der über Gegenstände vernünfteln kann. Ein Philosoph aber ist ein solcher, der den zweckmäßigen Gebrauch der Vernunft versteht. Diese Wissenschaft ist die Vernunftkunde. Diese enthält die Gesetze, nach welchen ich die allgemeine Erkenntnis und zwar alle meine allgemeine Erkentnis in eine Uebereinstimmung mit dem allgemeinen obersten Zweck der Vernunft oder mit dem allgemeinen obersten Zweck der Wahrheit, wozu die Vernunft bestimmt ist, bringen und verbünden kann. Dieser allgemeine Zweck ist; die Glückseligkeit; Derjenige Theil der Philosophie; welcher von dem zweckmäßigen Gebrauch der Vernunft handelt, ist der practische Theil. Ein zufälliger Gebrauch der Vernunft ist ein solcher; der auf einen gewißen beliebigen, zufälligen Gebrauch der Vernunft abziehlt; wozu Geschicklichkeit erfordert wird. Die Klugheit würde ich nennen: die Erkenntnis der Mittel zum allgemeinen Zweck, nemlich der Glückseligkeit.

Weisheit ist die Erkentnis aller theoretischen Erkentnisse in der Uebereinstimmung mit dem allgemeinen obersten Zweck. Der Weise muß eine solche Erkentnis besitzen, da er alle Zwecke mit dem allgemeinen obersten Zweck in eine Uebereinstimmung erkennen kann. Der Weg der Weißheit geht aber durch die Wissenschaften; also wird die Vernunftkunst dazu erfordert. Daher hat man auch die Philosophie betittelt: Nachforschung der Weisheit. Es besitzen viele die Vernunftkunst z. B. wer in der Naturlehre sich ausgebreitete Erkenntnis erworben hat ist nur ein Vernünftler; aber zu einem Philosophen gehört mehr. Er muß alle Seine Kentnisse a priori zu einer Einheit bringen können. So auch ist der, welcher eine bloße Logik blos geschrieben hat, ein Philodox; der da vernünfteln kann, aber noch kein Philosoph ist. Hieraus erhellet der Unterschied zwischen einem Philosophen und einem solchen, der Philosophie versteht, philosophische Erkentnisse hat. Zum ersten gehört mehr, als zum letzten. Es kann jemand viel philosophische Erkentnisse besitzen, Es kann jemand viel philosophische Erkentnisse besitzen, ohne ein Philosoph zu seyn z. B. wenn er blos ein guter Naturkundiger ist. Ein Philosoph ist der; welcher nach den obersten Kräften der Vernunft handelt, der alle seine Erkentnisse mit allen seinen Zwecken und alle seine Zwecke mit dem obersten Zweck in Uebereinstimmung bringt. Hierzu aber werden viele Wissenschaften erfordert. Man muß die Grenzen der Vernunft gut kennen und die Wissenschaften nach ihrer Beziehung auf einen allgemeinen Zweck bestimmen können. Dieser practische Theil, der von dem zweckmäßigen Gebrauch der Vernunft handelt, schrenkt den theoretischen Theil sehr ein; denn es müssen viele Wissenschaften weggelassen werden, die so beschaffen sind; daß sie keine Beziehung auf den gemeinen obersten Zweck der Menschheit haben.“

Immanuel Kant, Logik-Vorlesung : unveröffentlichte Nachschriften. Bearbeitet von Tillmann Pinder. 3: Logik Hechsel; Warschauer Logik, Hamburg : Meiner, 1998, S. 522:
Der Philosoph muß bestimmen können.

a, Die Quellen des menschlichen Wißens

b, den Umfang des möglichen und nützlichen Gebrauchs deßelben

c, die Grenzen der Vernunft, welches das wichtigste und schwerste ist, warum sich der Philodox aber gar nicht bekümmert.“

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