Debatte - Argumente für einen freiwilligen Schulbesuch

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Hallo Berluma,

Du schneidest da ein sehr komplexes Thema an. Der Gedanke, den Schulbesuch freiwillig zu machen, ist schon sehr alt. Schon in dem 1921 gegründeten Internat Summerhill/England ist noch Heute der Unterrichtsbesuch freiwillig. Der Grundgedanke von A. S. Neill war die auch von Maria Montesorri gemachte Erfahrung, dass Kinder von sich aus lernen wollen. Natürlich muss da auch der Unterricht entsprechend gestaltet sein. Ich selbst habe erlebt, wie unser stellvertretender Schulleiter als Mathematiklehrer sagte: „Ich bin so einer wie Wim Töllke, wenn hier einer schläft, dann habe ich etwas falsch gemacht!“ Entsprechend war die Stimmung in der ganzen Schule! Ich bin gerne in die Schule gegangen. Geschockt hat mich dagegen manche Aussage von Lehrern meiner Kinder! „Es ist mir wurscht, ob hier einer aufpasst!“ „Ihr seid hier nicht um irgendwann einmal Spaß zu haben, sondern um Eure Pflicht zu erfüllen!“ Und als meine Kinder dann zu mir kamen, weil sie das eine oder Andere nicht verstanden hatten, stellte sich heraus, dass ihnen das gar nicht vernünftig erklärt wurde! Das leisten Heute viele Eltern oder die Nachhilfelehrer! Was ich damit sagen will ist, wäre der Unterricht besser an die Interessen der Schüler angepasst, würden die Schüler auch lieber in die Schule gehen und dort lernen!

Aber die Lehrer sind nur eine Seite der Medaille: Viele Kinder werden durch Schularten getrieben, in denen sie über/unterfordert sind. Die Tatsache, dass Kinder aus reichem Elternhaus leichter das Abitur schaffen, deutet auf eine Schieflage in unserem Bildungssystem hin. Und auf Defizite im Elternhaus und in der Schule. Tatsache ist nämlich, dass Kindern das Lernen mehr Spaß bereitet, wenn sie die Aufgaben in der Schule erfolgreich erledigen können! Dabei ist Unterforderung genau so spaßhemmend wie Überforderung! Da wäre noch viel möglich, den Kindern mehr Spaß in der Schule zu ermöglichen und die Kinder damit dazu zu bringen, gerne und damit freiwillig in die Schule zugehen! Lies mal auf Wikipedia folgenden Artikel über das Modell von Neill durch:

http://de.wikipedia.org/wiki/Summerhill

Interessant finde ich, dass es dort bis Heute keinen Zwang gibt, am Unterricht teilzunehmen! Trotzdem kommen die Kinder nicht ungebildet von dort!

Hilfreich wäre es also, Bedingungen zu schaffen, die dafür sorgen, dass die Kinder gerne zur Schule gehen, und dies nicht als lästige Pflicht empfinden! Dabei würde auch helfen, wenn manche Eltern ihren ungezügelten Ehrgeiz begrenzen würden! Hör Dich einmal in den Grundschulen um, welch einen Stress die Eltern dort veranstalten, dass ihre Kinder in eine Weiterführende Schule kommen! Manche Kinder müssen schon in der Grundschule den ganzen Nachmittag lernen, dass sie den Übertritt schaffen! Mich wundert es nicht, wenn denen jeglicher Spaß vergeht! Da habe ich einige kennengelernt, die haben mit den ehrgeizigen Eltern im Genick ein tolles Abitur hingelegt, und dann sind sie woanders hingegangen zum Studieren und haben kläglich versagt, weil sie es nicht gelernt hatten, eigenständig zu lernen! Es ist also tatsächlich so, dass dies Menschen oft unselbständig werden und ohne externen Druck dann einen Leistungsabfall haben! Ich habe selbst erlebt, wie schon Fünftklässler in mehreren Fächern Nachhilfe benötigten, damit sie nicht wiederholen müssen.

Als weitere Hilfe sehe ich, den Kindern jede nur erdenkliche Hilfestellung zu geben, dass sie in der Schule erfolgreich sein können! Also auch die Unterstützung der Eltern, bei den Hausaufgaben. Aber dann bitte so, dass die Kinder schrittweise herangeführt werden, dass sie die lernen alleine zu machen! Also erst einmal Hilfe dabei, die Umgebung so zu gestalten, dass da während der Hausaufgaben nichts ablenkt! Dann die Unterstützung, dass die Hausaufgaben ordentlich und vollständig gemacht werden usw. Denn auch das alles gehört dazu, erfolgreich in der Schule zu sein! Und mal ehrlich: Es ist doch frustrierend, immer Probleme zu haben, da ist es doch besser, wenn der Schüler von Erfolgen getragen wird! Und die Unterstützung sollte halt so sein, dass das Ergebnis Erfolge sind. Und wenn ein Kind die Voraussetzungen für eine bestimmte Schulart nicht hat, dann sollte es auch niemand da hindurch prügeln!

Genauso wie übereifrige Eltern, sind aber auch vernachlässigende Eltern ein Problem. Denn sie verhindern ebenso einen Erfolg des Kindes in der Schule.

Bleibt aber die Frage, warum wird bei uns nicht von der Schulpflicht gelassen. Und da denke ich gibt es auch noch Gründe. Regional bei uns ist das Thema Zwölf Stämme aktuell. Eine religiöse Gruppierung, die verhindern will, dass ihre Kinder in der Schule mit modernen Konzepten wie Evolutionstheorie und den normalen Problemen der Ablösung der Kinder von den Eltern in der Pubertät in Berührung kommen. Gäbe es keine Schulpflicht, könnten solch totalitären Gruppen kontrollieren, was ihre Kinder als richtig lernen! Darin sehe ich ein großes Problem.


Barney123  19.05.2014, 10:25

Du siehst, ich kann Dir eigentlich keine schlagenden Argumente liefern, warum man die Schulpflicht abschaffen sollte. Das Einzige, was ich Dir anbieten kann, sind Voraussetzungen, die dazu führen würden, dass die Kinder gerne, und damit quasi freiwillig in die Schule gingen. Dass die Kinder in der Schule Heute viele Dinge lernen, die sie im täglichen Leben nicht wiederentdecken ist sicher eine Tatsache. Dass ich diese Dinge im täglichen Leben wiederentdecke oder deren Kenntnis zumindest als hilfreich erlebe zeigt jedoch, dass es nicht so ist, dass das Meiste unnützer Ballast ist, um die Schüler zu quälen. Da wäre hilfreich, den Schülern zu zeigen, wie sie das im täglichen Leben wieder entdecken können, und dass das alles Sinn macht. Auch das würde die Schule interessanter machen. Zu erleben, wo der Schulstoff im Leben hilfreich ist! Aber genau das müssen die Lehrer und Eltern leisten! Dass Schüler das oft anders sehen, ist ein Defizit unserer Gesellschaft! Und nicht den Schülern vorzuwerfen, dass sie das anders sehen!

Du könntest also auch ganz provokant und naiv fragen: „Warum soll ich in die Schule, ich erkenne den Sinn darin nicht! Kann mir den ml jemand vernünftig erklären?“ Und dann kannst Du all die Fragen stellen, die ich oben beantwortet habe: „Warum ist der Unterricht nicht so gestaltet, dass er interessant ist? Warum soll ich Dinge lernen, die ich nie mehr im Leben brauche? Warum stellt niemand Zusammenhänge mit dem täglichen Leben her, damit ich erkenne wozu ich das alles lernen soll? Warum unterstellen die Lehrer ihren Schülern immer, sie wären faul? Warum können die Lehrer die schüler nicht motivieren?…... usw“ Zugegeben, das ist eine sehr destruktive Vorgehensweise, aber es zeigt auch die Schwächen unseres Schulsystems!

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Junge Menschen könnten ihre Energie eher auf die Dinge konzentrieren, die für sie wichtig sind, anstatt sich auf alles mögliche andere zu konzentrieren und dagegen anzukämpfen. Ich denke, sie würden im Allgemeinen viel zufriedener mit ihrem Leben und den Dingen, die sie geschafft haben, sein, weil sie selbst mehr Verantwortung für ihr Leben übernehmen dürfen.


Barney123  23.05.2014, 06:03

Hallo Calambotte,

Was Du geschrieben hast, liest sich schön. Ich halte es auch nicht für eine Utopie, trotzdem ist es sehr weit von unserer heutigen Wirklichkeit entfernt! Mit den Heutigen Erkenntnissen aus Psychologie und Pädagogik könnten wir da sicherlich viel näher dran sein. Aber leider ist es so, dass diese neuen Erkenntnisse dem gelernten Verhalten der Menschen wiedersprechen und sie die alten Zöpfe nicht abschneiden können. Gewalt in der Erziehung ist zwar seit dem 02.11.2000 verboten, sie ist aber in unserer Gesellschaft, und vor Allem in der Erziehung, noch allgegenwärtig! Lies Dir nur einmal die die Antworten zu entsprechenden Fragen hier auf GF durch. Oder schau Dir an, was in den Schulen abgeht. Und damit meine ich auch das Verhalten der Lehrer. Selbst Schläge sind in der Erziehung Heute noch weit verbreitet. Wie wollen solche Erwachsenen die Kinder zu einem Selbstbestimmten Leben anleiten, wenn noch die Unterordnung aus dem Kaiserreich gelebt wird? Wie wollen solche Eltern, die das selbst nicht anders gelernt haben, die Kinder zu selbstbestimmtem Lernen anleiten? Ich habe meine Kinder gewaltfrei erzogen. Aber trotzdem kam immer wieder Gewalt in unsere Familie, weil die Kinder das von der Schule/Kindergarten mit nach Hause brachten und ausprobieren wollten, wie wir darauf reagieren würden. Unsere Kinder haben im Kindergartenalter gleichaltrige Freunde besucht, und wurden dort vor den Fernseher gesetzt. Elektronische Medien wurden von den Bekannten und in der Schule bis zum Abwinken konsumiert. Und natürlich mussten wir unseren Kindern beibringen, dass es wichtig ist, für die Schule zu lernen. Da ruhig zu bleiben und den Kindern den vernünftigen Umgang mit alledem zu lernen ist sehr anstrengend, es wäre viel leichter, wenn die anderen Eltern ihren Kindern das auch alles erklren würden, und es nicht als Statussymbol den Kindern zur Verfügung stellen würden! Wir haben die alten Zöpfe abgeschnitten und sind einen neuen Weg gegangen. Aber das war ganz schön anstrengend! Allein die eigene Vergangenheit hinter uns zu lassen war schon schwierig, daber dann mussten wir uns noch gegen die aktuellen Einflüsse zur Wehr setzen! Dabei haben wir den Kindern Computer und Handy nicht verboten. Unsere Kinder waren nur nicht die Ersten, die mit dem Handy in die Schule gingen! Auch haben wir darauf geachtet, einen vernünftigen Umgang damit zu lernen! Wir haben das also nicht komplett verboten, was ja eine weit verbreitete Methode ist. Aber damit lernen die Kinder dann auch nicht, damit umzugehen! Das alles hat uns schon an unsere Grenzen gebracht. Da noch das selbstbestimmte lernen zu lehren hätte uns überfordert! Wie oft haben wir uns anhören müssen, dass wir unsere Kinder falsch erziehen! Die Anderen wussten ja alles besser. Ja, Heute kann ich sagen es war nicht verkehrt. Der Erfolg gibt uns Recht! Und ja, es wäre mehr möglich, wenn mehr Eltern sich intensiv mit dem Thema Erziehung beschäftigen würden. In einer kompetenten Gemeinschaft wäre noch mehr möglich! Aber diese kompetente Gemeinschaft ist noch weit weg. Wir müssen erst einmal noch viele alte Zöpfe aus dem Kaissereich abschneiden!

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Hallo Berluma,

schau mal was ich da gefunden habe. Ich habs nicht gelesen! Nur am Anfang reingeschaut! Unter guter Anleitung kann ich mir das vorstellen. Hatte selbst einen Klassenkameraden, der hat sich das Meiste selbst zuhause beigebracht! Aber ich bin skeptisch! Denke das ist nicht für jeden! Und schon gar nicht ohne gute Anleitung der Eltern:

http://www.genius-verlag.de/Uploads/134-Leseprobe.pdf

Und beachte: Es geht darum selbstbestimmt zu lernen, nicht sich drücken! Mein Problem während dem Studium war zum Beispiel, dass ich mich immer vom Stoff losreisen musste, damit ich genügend Zeit hatte, das zu lernen, was für die Prüfungen wichtig war! Und ich fand es hilfreich, dass da jemand war, der mich durch das Immense Wissen geführt hat, das der Menschheit heute zur Verfügung steht! Mein Problem wr nicht, dass ich nicht lernen wollte, sondern dass ich mich nicht in den Einzelheiten verirre! Also lass Dich nicht zu leicht mitreisen, sondern sei kritisch!

Die Schulen müssten sich anstrengen, ein so gutes, spannendes Programm zu erstellen, dass die Schüler freiwillig kommen und dabei bleiben. Vergleichbar mit einer Volkshochschule oder ähnlichem. Menschen lernen ja eigentlich sehr gerne, deshalb könnte ich mir gut vorstellen, dass es funktionieren könnte. Es gibt teilweise so Schulen, wo man einfach nur die 5 Stunden Schulpflicht da sein muss, aber selber darüber entscheiden kann, in welchem Zeitraum. Ich weiß nicht, ob es die auch schon in Deutschland gibt, aber zum Beispiel in den Niederlanden.

  1. Umgekehrte Psychologie (wenn einem etwas nicht vorgeschrieben wird macht man es eher)
  2. Mensch hat eigenen Willen bzw. eine Würde die die Freiheit des autonomen Individuums rechtfertigt
  3. Staat hat nicht das Recht Menschen zu Dingen zu zwingen