Carmen Oper

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Der Stoff und die Musik sind durchaus ansprechend. Die Handlung ist in den Grundzügen leicht verständlich und die Gefühle packend. Carmen kann Männerphantasien einer sinnlichen Frau dienen oder Freiheitsliebe betont werden.

Die Musik ist sorgfältig komponiert und enthält eine Reihe eingängiger Stücke, z, b. ein schmissiges Thema, das zuerst in der Ouvertüre auftaucht, die Habanera („L'amour est un oiseau rébelle“) und die Seguidilla („Près des remparts de Séville“) der Zigeunerin Carmen, die Blumenarie („ La fleur que tu m'as jetée“) des Sergeanten Don José, das Torerolied („Votre toast, je peux vous le rendre … Toréador, en garde!“) des Stierkämpfers Escamillo. Auch feine instrumentelle Abtönungen wie bei der Einleitung des 3. Akts gleichsam als Landschaftsschilderung und zur Begleitung der Arie des Bauernmädchens Micaëla („Je dis que rien ne m'épouvante" und ihr Duett mit Don José („Parle-moi de la mère) sind gut geeignet, Gefallen hervorzurufen. Der musikalische Ausdruck ist klar, prägnant und sehr verdichtet, bei allem Elan und sinnlichem Reiz stets eindeutig und verständlich.

Die Umstände, die Vorbehalte und Ablehnung bei einem erheblichen Teil des damaligen Publikums und der Presse bewirkten, waren zeitgebunden. Diese Gründe sind später weggetreten.

Die Oper „Carmen“ behandelt keine Probleme von Aristokraten und reichen Leuten, sondern von unteren Schichten und sozialen Außenseitern, in sämtlichen Haupt- und Nebenrollen. Die als Vorlage herangezogene Novelle von Prosper Mérimée wurde damals von vielen als allzu drastischer Realismus empfunden. Romantische Einfühlung, Versenkung und empfindsame Hingabe wie bei anderen Opern der Zeit schienen vielen nicht möglich. Unterhaltungs- und Bildungsbedürfnisse des Stammpublikums an der Opéra-Comique in Paris wurden unterlaufen. Dargeboten wurde eine einfache Geschichte aus dem unteren Milieu unter Verzicht auf Verklärung. Sie galt zunächst vielen als zu grell und vulgär.

Die Neuartigkeit der Oper war für manche schockierend. Sie wich von den Gewohnheiten und Konventionen der Gattung opéra comique ab. Das Tragödienende entsprach nicht dem vorherrschenden Stil unbeschwerter Unterhaltung. Der damalige gutbürgerliche Geschmack setzte ziemlich enge Grenzen. Die Oper „Carmen“ wurde wegen des Stoffes teilweise als unmoralisch beurteilt. Überdies trat Célestine Galli-Marié, die Sängerin der Uraufführung, in kurzem Rock und mit zerrissenen Strümpfen auf, was von konservativen Kreisen geradezu als Menetekel der Unsittlichkeit aufgefaßt wurde. Menschen mit einer solchen Einstellung waren im wohlhabenden Stammpublikum der Opéra-Comique stark vertreten.

ausführliche Opernführer enthalten Hinwiese, z. B.:

Attila Csampai/Dietmar Holland, Opernführer. In Zusammenarbeit mit Irmelin Bürgers. 4. Auflage. Hamburg : Hoffmann und Campe, 1995. S. 705 - 716

Ulrich Schreiber, Opernführer für Fortgeschrittene : eine Geschichte des Musiktheaters. Band 2: das 19. Jahrhundert. Kassel : Bärenreiter, 1999, S. 825 und S. 832 - 846

S. 825: „CARMEN war nicht nur mit ihrem Tragödienschluß eine Herausforderung. Bizets genaue Zuweisung zu einem quasi dem Lumpenproletariat entstammenden Bühnenpersonal bedeutete operngeschichtlich die schockartige Konfrontation des Publikums mit der gegenwartsnahen Realität. Die Handlung läßt sich auf 1832 deuten – gesellschaftlicher Unterschicht.“

Außerdem muss man als weiteren Grund die damals strikte Einteilung in Komödien und Tragödien betrachten. Die Oper Carmen aber enthält sowohl tragische als auch fröhliche Aspekte und passte einfach nicht in das Schema