Bauingenieurstudium zu empfehlen? wie sehen die zukunftsaussichten aus?

3 Antworten

Lieber Kenan,

als erstes mußt Dir vorstellen, was Du später mal machen möchtest.

  1. Möchtest Du eine Baustelle vorbereiten und organisieren, evtl. weit weg von zu Haus, beginnend in einer "Pampa", wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, Dich mit Arbeitern auch aus anderen Ländern herumschlagen, Leiharbeiter anlernen, die man Dir schickt und abends die Baustellenabrechnung machen, Aufmaße zeichnen und abrechnen? Dann such den Weg zum Bauleiter in einem Baukonzern. Etwas handwerkliches Verständnis wäre wichtig. Für Familienmenschen ist das allerdings kein Job, ein Abenteuer kann´s werden, der Weg in die Alkoholabhängigkeit aber auch.
  2. Interessieren Dich komplizierte Konstruktionen und Lösungen, hast Du handwerkliches Verständnis und Interesse, kannst Du Deine Ideen zu Papier bringen und möchtest Du Deine Ideen praktisch realisieren. Dann such den Weg zum Planer und Projektleiter. Gut wäre es dafür, vorher etwas Baustellenleitung zu machen. Diese Aufgabe kann für Familienmenschen taugen, da Du zumindest häufiger zu Hause bist als der Bauleiter, der sich gerade im Ausland die Malaria holt. Arbeitsaufwand und Zeitdruck können je nach Auftraggeber und Wettbewerb enorm sein. Furchtbar ist bei diesem Job die Hilflosigkeit gegenüber den Auftraggeber, die mindestens dreimal täglich das Projekt ändern und sich trotzdem wundern , warum das Objekt noch nicht fertig ist. Siehe Flughafen BER.
  3. Aus der Sicht fast aller anderen Bauingenieure ist die bequemste und auch in Deutschland lukrativste Variante, als Investbauleiter, Bauleiter bei einem Hochbauamt, Bundesvermögensamt oder Bauleiter bei einer Wohnungsbaugesellschaft oder einem großen Industrieunternehmen zu arbeiten, also als Vertreter eines Auftraggebers. Diese Arbeit ist allerdings nichts für Leute mit seriösen Moralvorstellungen. Vom geschenkten Auto über das Bargeld ohne Quittung zum Jahresende, Heiratsversprechen bei Auftragserteilung, Betriebsrente vom ehemaligen Auftragnehmer bei Auffliegen der Korruption bis zum mutwilligen Zerstören von Existenzen im Interesse eines Immobilienfons, hier kannst Du alles finden, was kriminell ist. Das ist übrigens nicht Nigeria, sondern Deutschland.

Der Verdienst wird je nach Konjunktur hoch und runter gehen, wie der DAX. In der Provinz wirst Du weniger verdienen als in München, wo auch der Projektleiter sich die Wohnung kaum noch leisten kann. Da ist seit Jahrzehnten so, da ist der Maschinenbau im Verdienst stabiler. Die Bauingenieure sind weder bei Cockpit, noch bei verdi oder IG Metall, wo man sich durch zwei Wochen Streik ein höheres Gehalt sichert.

Für technisch interresierte Schüler ist das Bau-Ing.-Studium sicher zu empfehlen. Das Aufgabengebiet ist sehr breit, es ist eine MIschung aus Praxis und Theorie und mit etwas technischem Verständnis auch keine unüberwindbare Hürde. Auch die Tätigkeit ist meist interessant und abwechslungsreich.

Kritisch sehe ich die Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, Gehalt). Auch wenn ich die Antwort von willimatt für etwas übertrieben halte, so enthält sie doch einen Kern Wahrheit :

  • Stellen in Behörden sind nur schwer zu bekommen. Dort ist das Gehalt mittelmäßig, dafür die Arbeitszeit feste geregelt.
  • Bei Bauunternehmen ist das Gehalt besser, dafür die Arbeitsbelastung sehr hoch.
  • Ein Großteil der Ingenieure ist bei kleinen und mittleren Ingenieur-Büros beschäftigt. Aufgrund der staatlich verordneten Honorare (HOAI) kann dort der Verdienst nicht prächtig sein. Die Honorare stiegen in den letzten Jahren nur moderat, während der Aufwand in der Planung durch zusätzliche Vorschriften und die oft schwierige politische Situationen erheblich stieg. Letztlich ist man faktisch ein "Leiharbeiter" für eine Behörde oder einen privaten Auftraggeber. Die Arbeitsbelastung ist dafür niedriger als in Bauunternehmen, wenngleich es Spitzenzeiten gibt.

Damit ist - egal wo - der effektive Stundenlohn wesentlich schlechter als in vergleichbaren Studiengängen, wo man in der Großindustrie arbeitet (Elektrotechnik, Maschinenbau...). Auch das mit dem Streik ist richtig: Wenn man als Bauingenier (außer als Beamter - der darf nicht) zwei Wochen streikt, dann ist die Baufirma oder das Ingenieurbüro pleite und man könnte sich genauso gut gleich einen neuen Job (halt, Bauingenieure haben keinen Job sondern Arbeit ;-) suchen.

Wenn man mit dem Studium später möglichst gut verdienen möchte, ist es sicher nicht das Richtige. Wenn man es aber mit Leidenschaft und aus Interesse macht, dann findet man auch eine passende Tätigkeit.


willimatt  04.06.2014, 21:23

Zum Gehalt:

in Behörden - bei recht großer Sicherheit vor Arbeitsplatzverlust ist z.B. auch in den Staatshochbauämtern ein Gehalt zu erreichen, daß freiwillig versichert werden kann, also über der Beitragsbemessungsgrenze liegt

in den Ingenieurbüros - z.T. sehr "preiswert" ausgestattete Arbeitsplätze, bei GmbHs und großen, bundesweit agierenden Büros sehr mäßige Verdienste (etwa 50 % vom Projektleitergehalt im Großunternehmen) und häufig ausufernde Arbeitszeit von 70 und mehr Stunden wöchentlich (teilweise 17 Arbeitssstunden pro Tag, davon 4-5 Stunden Baustellenprotokolle, Emails etc. zu Hause).

Die Selbständigkeit ist recht schwer zu erreichen, viel Wettbewerber, krumme Touren mancher Kollegen über Parteien, Schützenvereine etc. und wahnsinnige Versicherungsprämien (Haftpflicht) für Einsteiger.

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Hi, logge dich bei einer technischen Hochschule ein, z.B. TU Aachen. Dort kannst du alles über das Studium nachlesen und auch einiges über die Berufsaussichten. Aber, Überstunden musst du in jedem Beruf machen, wenn es die Situation erfordert oder der Chef es anordnet, auch an Wochenenden. Dem Arbeitnehmer bleiben heute wenige Rechte und man macht es, wenn man eine Stelle behalten will. Wenn nicht, warten schon die nächsten für diesen Job.