Anaesthesie: wie berechnet man die Apnoezeit nach der Präoxygenierung?

3 Antworten

Wie immer in der Medizin ist die korrekte Antwort auf deine Frage : "es kommt drauf an". 

Ziel der Präoxygenierung ist, dass in der kompletten Lunge nur reiner Sauerstoff ist und nicht nur 21%, wie in der Umgebungsluft. 

Die Lunge eines Patienten mit 80 kg Idealgewicht hat ein Gesamtvolumen (auf schlau funktionelle Residualkapazität, FRC) von ca. 3 Litern. Nehmen wir an, die Präoxygenierung wird korrekt durchgeführt, dann hat der Patient entsprechend 3l Sauerstoff in der Lunge. Nun muss man den Sauerstoffverbrauch wissen. Der liegt beim Erwachsenen bei etwa 3ml O2/kg Körpergewicht/ min, bei unserem 80 kg schweren Patienten also etwa bei 240 ml/min. 3000 ml O2 sind in der Lunge, geteilt durch 240 ml/min kommen wir auf etwa 12,5 min Sauerstoffreserve. 

Bei Neugeborenen  sieht das ganz anders aus. Ein Baby von 3 kg hat etwa 75 ml FRC und damit bei korrekter Prämedikation 75 ml O2 in der Lunge. Bei einem Bedarf von 6 ml O2/kg/min (Bedarf ist bei kleinen Kindern höher) hat ein so kleines Kind gerade einmal 75 ml : 18 ml/min = 4,2 Minuten Hypoxietoleranz. 

Achtung: diese Rechnung besagt, wann der Sauerstoff komplett aufgebraucht ist. Bereits vorher kommt es zu kritischen Situationen wie z.B. Verlangsamung des Herzschlags. In Wirklichkeit sollte man also niemals mehr als 80% der Sauerstoffreserve verbrauchen, kommt also beim Erwachsenen auf höchstens 10, beim Säugling auf höchstens 3 Minuten Hypoxietoleranz. 

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Anästhesist und Notfallmediziner

Falls es eine Formel dafür gibt, kann dir die Frage nur ein Anästhesist beantworten. Pauschal wird gesagt, dass eine Präoxygenierung 3 bis 5 Minuten durchgeführt werden muss. Danach hat der Anästhesist ein Sicherheitspolster von ca. 6 bis 10 Minuten. Die Werte schwanken aber in der Literatur. Das Problem ist aber ein anderes. Die wenigsten Anästhesisten halten sich an diese Zeit, weil sie in der Regel keine 6 Minuten für eine Intubation benötigt. Es ist ganz traurig, dass auch in der Medizin gilt, Zeit ist Geld. Leider! LG