"Andere Idee" deshalb, weil es eine Frage und Problem der Evangelischen Kirche(n) ist und ich Katholik bin.
Der sonntägliche Gottesdienstbesuch in der Evangelischen Kirche ist im Vergleich zur Katholischen Kirche seit jeher deutlich schlechter. Von daher ist der Vorschlag aus der Evangelischen Kirche kommend nach einer "Abschaffung" des Sonntagsgottesdienstes für mich nicht überraschend.
Aber die Fragen kann man ja auch im Hinblick auf die Katholische Kirche beantworten.
Hat die Pfarrerin recht damit, dass der Sonntagsgottesdienst überholt ist?
Als Katholik mit einem anderen Verständnis für die Liturgie am Sonntag ist die Frage eindeutig mit Nein zu beantworten. Selbst wenn außer dem Priester nur eine einzige Person zur hl. Messe käme, würde das am Geschehen in der hl. Messe nichts ändern: Jesus wird in Brot und Wein in einer Weise gegenwärtig, die auf keine andere Art möglich wird. Diese Begegnung mit Jesus in der hl. Messe kann per se nie "überholt" sein.
Würde euch eine Lifestyle-Kirche mit Jazz und Weinprobe gefallen?
Hier stellt sich die Frage: Feiere ich mich selbst (bzw. die versammelte Gemeinde sich selbst) oder was mache ich da?
Es gibt zwar durchaus Gründe dafür, solche Feiern anzubieten; nur was hat es mit der Feier der Liturgie zu tun? Solche, eher evangelistisch orientierte Veranstaltungen haben sicher ihren Platz, aber sind kein Ersatz für die Liturgie. Außerdem, jeden Sonntag Vormittag Jazz, Lifestyle und Weinprobe? Ich glaube, das wird schneller langweilig, als man es vorbereiten kann.
Sind bei euch die Gottesdienste gut oder schlecht besucht?
Je nachdem ist das sehr unterschiedlich. Von enttäuschend wenig über gut gefüllt bis zu "es gibt keine Sitzplätze mehr" ist alles drin. Tendenziell ist der normale Gottesdienst leicht rückläufig, mit Ausnahme an den Orten, wo die Liturgie schön und feierlich gestaltet wird und der Pfarrer gut mit den Leuten umgeht. Wenn eine dieser beiden Bedingungen leidet, leidet darunter auch der Kirchenbesuch. Wobei aber dann meistens in eine andere Gemeinde gegangen wird. Die stetige Abnahme des Kirchenbesuchs hängt unter anderem auch mit der demografischen Entwicklung zusammen. Es gibt halt deutlich weniger Jugendliche wie noch vor 50 Jahren.
Wieso haben Freikirchen großen Zulauf?
Da ließe sich ein ganzes Buch schreiben. Mache ich jetzt aber nicht. 😄
Freikirchen haben zwar einen großen Zulauf, aber auch einen gewaltigen "Durchlauf", gemessen über mehrere Jahre. Ich habe mich einmal mit einem Pastor einer sehr vitalen Freikirche unterhalten (ca. 200 aktive Mitglieder). Sie haben dort monatlich regelmäßig zwischen 2 und 4 Taufen von Erwachsenen. Seit den gut 20 Jahren, die wir im Blick hatten, müssten sie eigentlich auf 600 bis 800 Mitglieder angewachsen sein bzw. noch deutlich mehr. Stattdessen war der Zuwachs in absoluten Zahlen etwa bei 25%; bei 20 Jahren und rund 30 Erwachsenentaufen pro Jahr nur ein magerer Zuwachs. Fairerweise muss man dazu sagen, sie haben in dieser Zeit zwei Neugründungen in anderen Orten vorgenommen mit insgesamt etwa 40 Mitgliedern. Aber diese Zahlen sind weit davon entfernt, was eigentlich zu erwarten wäre. Viele sind für ein paar Jahre — wenn überhaupt so lang — in einer Freikirche und bleiben dann weg, gehen woanders hin oder — was gar nicht so selten vorkommt — werden wieder oder auch erstmals katholisch. Auch wenn es mit den Freikirchen nichts zu tun hat, aber ähnlich sieht es auch bei den Zeugen Jehovas aus, zumindest was die eigentlich zu erwartenden Zuwächse an dauerhaften Mitgliedern betrifft.
Mit anderen Worten: Freikirchen haben zwar einen großen Zulauf, aber auf Jahrzehnte hin gesehen, können sie die Mitglieder noch schlechter halten als die Katholische Kirche. Damit relativiert sich der Zulauf sehr und wirft doch einige Fragen auf. (Bitte nicht falsch verstehen: Das soll keine Kritik an den Freikirchen sein, sondern nur eine sachliche Betrachtung der Gegebenheiten)
Was machen die großen Kirchen falsch und was könnten sie verbessern?
Auch hier ließe sich sogar mehr als ein Buch schreiben. Was beiden Konfessionen gemeinsam ist, zwar zu verschiedenen Themen, ist das Verblassen ihres Profils und die Anpassung an den Zeitgeist. Damit enden sie letztlich in der Bedeutungslosigkeit. Eine Kirche, die sich beliebig anpassen und verbiegen kann, braucht und will kein Mensch.
Ansonsten kann ich nur für die Katholische Kirche und im Hinblick auf den Gottesdienstbesuch äußern.
Entscheidend ist mittlerweile die schöne Feier der Liturgie nach den vorgegebenen Normen. Dabei ist es unerheblich, in welchem Ritus die Liturgie gefeiert wird. Die Zeit der oberflächlichen "Hampelgottesdienste", gestaltet mit viel Aufwand und Mühe, ist endgültig vorbei. Das will keiner mehr wirklich, schon gar nicht auf Dauer. Das ist zumindest meine Meinung und Wahrnehmung. Interessant ist z. B. dass die Feier der hl. Messe im außerordentlichen lateinischen Ritus ("alte Messe") gut und zunehmend besser besucht wird. Der Anteil derer, die diese Form noch aus ihrer Jugendzeit kennen, ist verschwindend gering; der Anteil der Jugend und jungen Familien relativ hoch. Diese Entwicklung ist weltweit zu beobachten, nicht nur in Deutschland. Grundsätzlich würde ich das trennen, die Liturgie am Sonntag und zusätzliche, auf die Lebenssituation zugeschnittene gottesdienstähnliche Angebote. Diese müssen und sollten auch nicht am Sonntag Vormittag sein.
Ein weiterer Punkt ist — wie weiter oben schon erwähnt — ein guter Umgang der Geistlichen mit den Gemeindemitgliedern. Man kann es zwar nie allen Recht machen, muss es auch nicht, aber das Bemühen um eine gute Atmosphäre des Wohlwollens auf allen Ebenen ist für die geistliche "Beheimatung" von enormer Bedeutung. Letztlich hat das auch eine deutliche Auswirkung auf die Atmosphäre in den Gottesdiensten.