Die Siedlungspolitik wird kontrovers diskutiert. Kommen wir zunächst zu den Fakten, dann zu den Vor- und Nachteilen und am Ende zu einem Fazit.

Einordnung

Das Westjordanland ist Niemandsland. Es gehörte vor der Okkupation durch Israel 1967 zu Jordanien. Allerdings war es auch von Jordanien besetzt. Davor gehörte es zum Mandatsgebiet Palästina, das den Briten nach dem Sieg gegen das Osmanische Reich zufiel. Der UN-Teilungsplan, der die Teilung das Mandatsgebietes vorgesehen hat, wurde 1947 nie umgesetzt, da es zu einem Krieg kam.

Die Frage lautet also: Wem gehört das Westjordanland?

Die Siedlungspolitik erfolgt in Gebieten, die die Palästinenser für einen eigenen Staat beanspruchen. Die UN hält die Siedlungen völkerrechtlich für illegal. Da die UN in solchen Fällen aber abstimmt und viele Länder Israel nicht freundlich gesinnt sind, sollte man solche Resolutionen mit Vorsicht genießen.

In Israel sieht man die Situation anders. Dazu zitiere ich Wikipedia:

Israel vertritt die Position, dass das Westjordanland und der Gazastreifen seit dem Ende des britischen Mandats niemals Teil eines souveränen Staates gewesen seien. Die völkerrechtswidrige Annexion des Westjordanlandes durch Jordanien war international nicht anerkannt. Das Territorium sei formaljuristisch nicht besetzt, die Vierte Genfer Konvention deshalb nicht auf das Westjordanland anwendbar. [...] Außerdem gelte die Genfer Konvention nur dann, wenn es keinen Friedensvertrag gäbe, und nur zwischen zwei Staaten, die beide die Genfer Konvention anerkennen. Weil die Verträge von Oslo die Verhandlungen über den Status der Siedlungen auf später verschieben, sei der Illegalitätsbehauptung die Grundlage entzogen.

Hierzu sei gesagt, dass die Grüne Linie gern als Grenze zwischen Israel und dem Westjordanland angesehen wird. Fakt ist aber, dass es keine offizielle Grenze ist, sondern eine Waffenstillstandslinie, die aus dem israelischen Unabhängigkeitskrieg / Palästinakrieg hervorging. Wikipedia schreibt dazu:

Die Waffenstillstandsabkommen sollten nur als Interimsabkommen dienen, bis sie durch dauerhafte Friedensverträge ersetzt würden. Auch Jahrzehnte später sind noch immer nicht Friedensverträge mit allen ehemaligen Kriegsgegnern unterzeichnet worden (bisher: 17. September 1978 mit Ägypten in Camp David, 25. Juli 1994 mit Jordanien in Washington). Mit Ausnahme des Abkommens mit dem Libanon, machten die Waffenstillstandsabkommen (auf arabisches Betreiben hin) klar, dass sie keine permanenten De-jure-Grenzen festlegten.

Um zu bewerten, ob die Siedlungspolitik illegal ist, wäre es daher angebracht, erst einmal offizielle Grenzen zwischen Israel und dem zukünftigen Staat Palästina festzulegen. Da das Waffenstillstandsabkommen von 1949 ein Interimsabkommen (also vorübergehend) ist, kann man keinesfalls davon ausgehen, dass der zukünftige Staat Palästina durch die Grüne Linie von Israel abgegrenzt wird. Ein mögliche Lösungen könnte ganz andere Grenzen vorsehen.

Bewertung

Kommen wir nun zur Frage nach den Vor- und Nachteilen.

Für Israel steht das Westjordanland für Judäa und Samaria und hat somit biblischen Bezug. Das ist aber nur für wenige relevant. Andere Motive sind wichtiger. Die Süddeutsche Zeitung berichtet:

Die israelische Beobachtungsstelle "Peace Now" geht davon aus, dass nur etwa ein Drittel der Siedler aus einer ideologischen Motivation ins Westjordanland zieht. Die Mehrheit komme, um in den Genuss staatlicher Subventionsprogramme zu gelangen. Ein Drittel der Siedler sei sogar säkular eingestellt.

Ein weiterer Vorteil ist die Sicherheitslage:

Aber es gibt [..] politisch und strategisch motivierte Unterstützer der Siedlerbewegung, insbesondere in der Politik. Deren Argument: Das aktuelle Staatsgebiet sei so schmal - an der schmalsten Stelle gerade einmal 15 Kilometer - dass es kaum zu verteidigen sei. Ein Kampfflugzeug kann innerhalb von wenigen Sekunden von Jordanien kommend in den israelischen Luftraum eindringen und Jerusalem erreichen. Bis zur Grenze sind es gerade einmal dreißig Kilometer. Vor diesem Hintergrund dürfe Israel keine Gebietszugeständnisse an Palästina machen.

An dieser Stelle sei zudem gesagt, dass nicht alle Siedlungen legal sind. Es gibt Außenposten, die auf palästinensischem Gebiet errichtet wurden:

Neben den offiziellen Siedlungen gibt es allerdings auch solche, die selbst nach israelischem Recht illegal sind. Diese "Outposts" bestehen häufig nur aus wenigen Familien und wurden meistens auf eingetragenen palästinensischen Privatgrundstücken gebaut.

Wikipedia schreibt:

Im Jahr 2020 erklärte das oberste Gericht die Enteignungen von palästinensischen Landbesitzern im Westjordanland erneut für verfassungswidrig, nachdem im Jahr 2017 ein entsprechendes Gesetz zur Legitimation der Enteignungen erlassen worden war.

Das Gericht in Israel differenziert also bei den Siedlungen. Enteignungen sind unzulässig.

Kommen wir zu den Palästinensern. Für sie ist die Siedlungspolitik mit Nachteilen verbunden. Die Siedlungen schneiden teilweise durch Zäune und Mauern Wege ab, wodurch die Bewegungsfreiheit im Westjordanland kompliziert wird.

Der aber wohl wichtigste Aspekt ist die Zukunft eines Staates Palästina. Wird dieser zunichte gemacht, wenn weitere Siedlungen entstehen? Das befürchten viele. Denn wie sollen Grenzen verlaufen, wenn das Gebiet zerstückelt wird? Die Wut der Palästinenser sollte für jedermann nachvollziehbar sein.

Fazit

Der Status Quo kann dauerhaft nur durch einen Friedensvertrag gelöst werden. Dazu müssen genaue Grenzverläufe festgelegt werden. Da es bereits Siedlungen gibt und Israel die kaum alle räumen wird, wird es sicherlich auf eine Kompensation hinauslaufen, d. h. Israel kann die (meisten) Siedlungen behalten und der zukünftige Staat Palästina erhält im Gegenzug israelische Gebiete.