Nur weil man etwas schon mehrfach erlebt hat, muss es kein Muster sein. Die eigene "empirische" Auswertung der selbst gemachten Erfahrungen kann (muss?) schließlich verzerrt sein, z.B. weil man andere Menschen und ihr Verhalten seit jeher voreingenommen betrachtet hat oder weil man aufgrund von anderen Faktoren nur Kontakt und damit Erfahrung mit bestimmten Menschengruppen und Persönlichkeitstypen hat. Es kann auch real ein "Muster" (bzw. ein Zusammenhang, eine Korrelation) bestehen, aber vielleicht liegt dieses Muster auch in Wirklichkeit in der eigenen Aufnahme und der Auswertung der Erfahrungen. In der Realität ist es meistens komplexer, vor allem in Bereichen wie der Psychologie. Dinge, die man in diesem Bereich beobachtet sind so gut wie nie einseitig begründbar, sondern fast immer ein Gebilde aus vielen verschiedenen Gründen.
Zunächst mal: diejenigen, von deren Depressionen du weißt, sind bereits eine "Vorauswahl". Viele Menschen mit Depressionen sprechen nicht darüber und erzählen auch niemandem davon, häufig sogar nicht einmal ihrer Familie und ihren Freunden. Wenn du mich fragst, wirfst du aber sehr verschiedene Arten von Persönlichkeiten und kommunikativen Strategien zu sehr in einen Topf. Den angeblichen gemeinsamen Faktor "Depression" kann ich so bei keinem dieser Punkte bestätigen:
Die Berufung auf die "Friedliche Koexistenz der Meinungen" ist eine schlichtende Höflichkeitsfloskel, eine Art von Konfliktvermeidungsstrategie. Solche kommunikativen "Tricks" gehören zur normalen Kommunikation und sind in einer pluralistischen Gesellschaft wie der unseren unerlässlich. Man spart sich die Diskussion, entweder weil diese einem unangenehm ist oder weil man glaubt, dass der andere nicht in der Lage ist, die eigenen Argumente nachvollziehen zu können bzw. die eigene Meinung zu akzeptieren.
"Anderen Personen seine eigenen Aufgaben aufbürden" (da steckt bereits eine starke Wertung drin, man könnte es ebenso übertrieben positiv formulieren "in der Lage sein, sich Hilfe zu holen") meint vermutlich den Zusammenhang zwischen der Unsicherheit bezüglich der eigenen Leistungsfähigkeit und eines gewissen "Perfektionismus". Wer selbst glaubt, immer alles perfekt machen zu müssen, hat einerseits ein Problem damit, Verantwortung zu übernehmen (er will es nicht bzw. versucht es zu vermeiden), hat aber andererseits ein überzogenes Verantwortungsbewusstsein bezüglich einmal angenommener Aufgaben. Das hat Vor- und Nachteile, am "gesündesten" ist sicherlich eine Einstellung in der Mitte des Spektrums von "gleichgültig" bis "perfektionistisch". Das Lernen aus negativen Erfahrungen gehört schließlich zum Leben dazu.
Was du Trivialaufgaben nennst, kann anderen vielleicht sehr schwer fallen. Vielleicht würden andere auch Dinge, auf die du stolz bist, als trivial bezeichnen. Fleiß liegt im Auge des Betrachters. Die Fähigkeit, auf eigene Erfolge stolz zu sein, ist zunächst einmal positiv, sie wird aber negativ, wenn sie dazu führt, dass man für die eigenen Misserfolge blind ist oder krampfhaft versucht, sich Dinge schön zu reden.
Dass Gemobbte zu Mobbern werden, ist nicht unbedingt ein Einzelfall, aber auch mit absoluter Sicherheit nicht der Normalfall. Eher im Gegenteil. Menschen gehen mit so etwas sehr unterschiedlich um. Wer einmal Schwäche und Ohnmacht erlebt hat, versucht vielleicht zu überkompensieren und aggressiv bzw. oberflächlich (eben genau wie die damaligen Mobber) aufzutreten, um nicht wieder selbst in die Opferrolle zu verfallen. Andere Menschen, die die selbe Erfahrung gemacht haben, ziehen aber vielleicht ganz andere Schlüsse daraus und sind sehr sensibel bezüglich ihres Verhaltens gegenüber anderen, weil sie "die andere Seite" kennen, insbesondere wenn sie dann erst einmal sehr selbstbewusst sind. Es ist alles eine Frage der Selbstreflektion. Eine Therapie, die jemandem einimpft, aggressiv oder gehässig aufzutreten, wurde entweder falsch verstanden oder falsch vermittelt.
Und dass man Strategien anwendet, um nicht in "Depressionen" (andere und weniger stigmatisierte Begriffe dafür sind "schlechtes Gewissen", "Motivationslosigkeit" oder jede Form von "Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben") zu verfallen, beschreibt so ziemlich das grundsätzliche Prinzip menschlichen Denkens und Handelns. Positive sowie negative Erfahrungen und Emotionen werden ausgewertet und es wird (idealerweise) das Verhalten so angepasst, dass positive Erfahrungen wiederholt und negative Erfahrungen in Zukunft vermieden werden. Schließlich ist der Beginn einer jeden bewussten Handlung der Wille, diese durchzuführen. Der Preis für ein abweichendes Verhalten, nämlich Antriebs- und Motivationslosigkeit bzw. das "bloße Vor-sich-hin-leiden", wäre genau die durch dieses Verhalten vermiedene Depression. Depression und Motivationsfähigkeit hängen eng zusammen und der Zusammenhang ist beidseitig und nicht nur einseitig.