Das halte ich für grob fahrlässig und kompletten Unsinn! Ein Tiefschutz ist immer die "letzte Rettung" und ohne Not lässt man sich da auch nicht darauf treten, denn es ist immer noch reichlich unangenehm. Ich trainiere seit Jahren Karate und Jiu Jitsu. Dabei geht es selbstverständlich auch immer darum die eigenen Deckung und das Abwehrverhalten zu schulen und zu testen. Wenn dann doch etwas "durch" kommt, dann ist zumindest das Ziel der Übung erreicht, dass man seine eigenen Defizite erkennt. Diese Erkenntnis sollte aber möglichst ohne Verletzungen und grössere Schmerzen erfolgen.
Einer meiner früheren Lehrer kam auch mit dem Argument "auf der Strasse" trage man ja auch keinen Tiefschutz. Das stimmt natürlich, aber auf der Strasse übe ich auch keine Schläge und Tritte (unter die Gürtellinie) bzw. deren Abwehr, auch gegen weniger "treffsichere" Partner die die Distanz nicht immer einschätzen können. Das Trainig dient ja eben dazu, die Technik und die Aufmerksamkeit zu schulen und zu verbessern, so dass die Erfolgsquote im Ernstfall höher ist. Dies aber bitte ohne "Verluste" durch Schmerzen und Verletzungen.
Selbstverständlich gibt man im Training aufeinander Acht vermeidet übertriebene Härte. Ständig Techniken nur anzudeuten bzw. einen halben Meter vorher zu stoppen um den ungeschützten Partner zu schonen ermöglicht aber kein realistisches Training und führt zu Fehlverhalten bzw. zu falscher Sicherheit. Genauso ist es, wenn wegen nicht getragener Schutzausrüstung in einem Verein z.B. die Abwehr von Tritten zum Unterleib nicht mehr als abzuwehrender Angriff oder als Abwehrtechnik geübt wird, und man stattdessen auch "schöne" Aikidotechniken ausweicht (wie eben im Fall des genannten Trainers geschehen). Das ist ja mitunter ein Makel, den man den traditionellen Kampfkünsten vorwirft. Wogegen z.B. Krav Maga (wo ein Tiefschutz für Mann und Frau diskussionslos Pflicht sind) gerade diese Techniken einsetzt (dosiert natürlich) und trainiert - was ihne u.a. auch den Ruf einbringt, realitätsnah, effektiv und effizient zu sein.
Einfach mal so auf den Tiefschutz zu verzichten um mal zu sehen, wie es so ist halte ich daher für groben Unfug! Man könnte ja auch ohne Sonnecreme ins Schwimmbad gehen, damit man sich auf diesen Schutz nicht zu sehr verlässt und einmal merkt, wie es "ohne" ist. Faustknöchel, Schienbeine und Unterarme kann man bis zu einem gewissen Grad abhärten, das ist in Massen auch durchaus sinnvoll (Training am Makiwara oder am Sandsack). Bei Hoden geht das aber nicht und die Erfahrung, was eine unsanfte Berührung in diesem Bereich auslöst macht wohl jeder irgendwann unfreiwillig selber. Das muss man nicht kollektiv provozieren!