In der Gegenwart, die besonders von einer rasanten technischen Entwicklung gezeichnet ist, wird vor allem der aszendente Prometheus Mythos eingesetzt, um die positiven Auswirkungen der Technik zu zeigen.
In dieser Version des Mythos von Prometheus sind die Menschen von der Nichtswürdigkeit des Daseins zur Daseinswürdigkeit gelangt. Der Mythos von Prometheus macht uns aber auch mit der schmerzlichen Tatsache vertraut, dass wir für ein Leben draußen schlecht ausgerüstet sind. Wir sind von Natur aus unvollkommen. Und nur durch Arbeit gelingt das Überleben. Indem wir uns selbst erschaffen und verwirklichen.
Mit dem Mythos des Prometheus ist das Selbstverständnis der Neuzeit verbunden: Menschen schaffen sich ihre Welt aus sich selbst heraus, nachdem Prometheus ihnen Kultur gegeben hat, sie mit der Beherrschung des Feuers vertraut gemacht hat. Damit geraten die Menschen immer mehr aus dem Bannkreis der Natur. Durch die Errungenschaften von Wissenschaft und Technik soll gut gemacht werden, was uns an Fähigkeiten zu einem natürlichen Leben fehlt. (vgl. http://home.t-online.de/home/k.g.dilk/glha.htm 2002-11-22)
Prometheus steht in diesem Sinne für alle Technik, alles von Menschen geschaffene, das uns mehr und besser die Natur beherrschen lässt. Für mich stellt sich die Frage, ob sich bei all diesem Optimismus der Technik gegenüber nicht doch ein gewisser Einhalt vonnöten wäre. Der Drang immer nach Neuem und Besserem zu streben, stets die innovativsten und modernsten Geräte, von Computer über Automobil, PDA, Handy etc. zu besitzen und stets up-to-date zu sein ist auch mit einem enormen Stress verbunden. Die Gemächlichkeit und Muse, wie sie die griechischen Götter repräsentierten, geht dabei häufig verloren. Dabei ist mir auch eine enorme Unfreiheit erkennbar, die in der immerwährenden nicht hinterfragten Fortschrittsorientierung liegt. Desto mehr Technik nicht der Diener des Menschen, sondern der Mensch Diener der Technik wird, desto wichtiger wird eine kritische Reflexion unseres Handelns.
In den 90er Jahren heißt ein Verkehrsleitkonzept Prometheus. Der Mythos steht für das systemtheoretische Problem, eine funktional differenzierte Gesellschaft zu koppeln. Er löst ein Steuerungsproblem. Nicht das Feuer im Motor des Autos ist heute das Prometheische der Technologie des Autos, sondern der Datenfluss in den Computernetzen. Das Prometheische ist die vorausschauende technische Reaktion, das Programmieren der Selbstregulation. (vgl. http://mediendenken.editthispage.com/discuss/msgReader$480?mode=day 10.12.02)
Heute wird unser Denken viel mehr ausgelagert aus unseren Gehirnen und findet mit Unterstützung hochleistungsfähiger Computer in Informationsnetzen statt. Der Mensch genügt sich nicht mehr in seiner derzeitigen Form, er muss verbessert werden. Die Produkte der Technik sind so bewundernswert und fantastisch, dass dabei der Mensch, als natürliches Wesen nicht mitkommt. Auch der Mensch muss nach dem fortschlichen Prometheus Mythos einem Re-Design unterworfen werden, um den neuen Bedingungen zu genügen. In einem Roman "The prometheus design" geht es um die Transplantation des intergalaktischen Bewusstseins auf den Menschen. Der Mensch wird mit der Überwindung der Natur zur "transklassischen Maschine", zum "programmierten Informationsmuster". (vgl. http://mediendenken.editthispage.com/discuss/msgReader$480?mode=day 10.12.02)
Human Engineering im Dienste Prometheus? "Die Dinge sind frei, nicht mehr der Mensch: Wir könnten ja z. B. theoretisch viel höher und schneller fliegen, aber praktisch steht dem ein lebendiger Leib entgegen. Er ist den Dingen nicht mehr gewachsen. Die Dinge werden zum Blickwinkel und zum Maßstab des Menschen und er verachtet sich so, wie die Dinge es täten, wenn sie fühlen könnten. Der verwandelte Prometheus verzichtet auf sein Selbst als Maßstab und wandelt sich nun zuliebe der Geräte. Der Human Engineer ist hybride Demut (hybrid: Kreuzung zwischen Fabrikant und Fabrikat) und seine angemaßte Selbsterniedrigung. Er schränkt die eigene Größe auf absolute Weise ein. Die Verzichtleistung ist Selbsterniedrigung. Während in der Religion der Tod Sache Gottes ist und für den Menschen das Selbstmordverbot gilt, ist die Anmaßung nun die Vernichtung des Menschen durch den Menschen." ( http://mediendenken.editthispage.com/discuss/msgReader$624?mode=day 10.12.02)
Ein großes Problem unseres Körpers ist ja die Unfähigkeit zur industriellen Reinkarnation. Produkte sind unsterblich, können in einer verbesserten Idee wiederverwendet werden. Durch Serienproduktion ist die Welt platonoider geworden. Wird dies auch mit dem Menschen geschehen? Werden auch die Menschen durch Ersatzteile und Zusatzadaptionen aus dem Genlabor oder der Computerneurologischen Technik leistungsfähiger gemacht? Wird der Mensch zum Schöpfer eines neuen, verbesserten Menschen? Alles Fragen, die uns wahrscheinlich auch noch in der Zukunft intensiv beschäftigen werden. Doch stellt sich dann auch die Frage, ob der Mensch nicht daran geht, sich selbst zu zerfleischen für seine "Geborenheit" und nicht mehr wie Prometheus von Zeus zerfleischt wird. Die Menschen erkennen den "myth of progress" oft nicht. Seit sie in jedem Schritt den Fortschritt sehen, "... sind sie beruhigt, weil es vorwärtsgeht und stolz auf die Novität." (vgl. ANDERS, G. (1985), S. 49 ff.)