Eine katholische Antwort auf Deine Frage:
a.) Können wir sicher sein, dass in der Bibel die
Offenbarung Gottes unverfälscht
enthalten ist? Die erste Christengemeinde konnte Augenzeugen der im Neuen
Testament berichteten Geschehnisse aufweisen und diese hätten keine Schriften
angenommen, die Unwahres berichten. Die Glaubwürdigkeit der Schriften des NT
ist so groß, da sie bereits wenige Jahre nach dem Tod Jesu verfasst
wurden. Es gibt kein einziges Dokument, das den Wahrheitsgehalt der Evangelien
bezweifeln würde. Von Generation zu Generation wurden die Evangelien aufwendig
und kostspielig kopiert. Aus dieser Zeit gibt es außer den biblischen Texten
kein anderes Werk, von dem wir so viele Kopien haben. Das ist ein Beweis dafür,
dass von Anfang an der Wahrheitsgehalt der Evangelien außer Zweifel war. Zum
Vergleich dazu: von Virgil haben wir drei Unzialschriften (=die primitivste
Schrift), von den Evangelien dagegen 210 Unzialschriften. Die ältesten Kopien
der Werke von Aristoteles, die bis heute erhalten sind, stammen aus der Zeit ca.
1400 Jahre nach seinem Tod. Das Papyrus 5 von der Grotte 7 (Qumran) ist
entstanden weniger als zehn Jahre nach dem Tod des Evangelisten Markus. Es
existiert kein anderes historisches Dokument aus der Zeit Jesu, welches wissenschaftlich
glaubwürdiger wäre und besser erhalten als die Evangelien.
b.) Ist alles
in der Bibel unfälschlich Wort Gottes? Der Kanon der Bibel ist
für die katholischen Christen verpflichtend anzunehmen als Wort Gottes. Auf dem Konzil von Trient wurde das Dogma des
biblischen Kanon verkündet und bedeutet, dass die Bibel als Ganzes und in allen ihren Teilen von
Gott inspiriert ist und kein Irrtum in ihr ist. Erst die Tradition der Kirche
macht uns klar, dass es sich bei der heiligen Schrift um das Wort Gottes
handelt (Verbum Domini Nr. 17). Hier werden wir konfrontiert mit der
Herausforderung der scheinbar „unchristlichen“ Bibelstellen.
Um diese richtig zu verstehen, müssen wir folgende Prinzipien beachten: 1.)
Alles in der Bibel ist in irgendeiner Weise nützlich für unser Heil. Es
interessiert die Beziehung zwischen Gott und Mensch, wobei der geschichtliche
Standpunkt nicht von vorrangigem Interesse ist. 2.) Es muss erforscht werden,
was die Aussageabsicht des Autors ist, welche literarische Gattung
verwendet wird und inwiefern die geschichtliche Situation von Zeit und Kultur
beeinflusst hat. Der biblische Text muss in dem Geist ausgelegt werden, in dem
er geschrieben wurde 3.) Die Einheit der ganzen Schrift ist zu
berücksichtigen (transversale Lektüre der Bibel). Das NT wirft auf
das AT ein ganz neues Licht und wird viel spannender; das NT kann man aber
nicht richtig verstehen ohne das AT: das AT gibt dem NT eine ganz spezielle
Dichte (letztes Abendmahl; Kelch des neuen und ewigen Bundes; Lamm, das hinweg
nimmt die Sünde der Welt). 4.) Die lebendige Überlieferung der Gesamtkirche
ist gewichtig. 5.) Die Analogie des Glaubens muss erwägt werden. 6.) Das
von Fachleuten vorbereitete Urteil der Kirche darf nie außer acht
gelassen werden. 7.) Die Wahrheit der Bibel wird in echt menschlicher Weise
ausgedrückt. 8.) Nicht alles in der Bibel will eine moralische Lehre
erteilen. 9.) Augenscheinliche Irrtümer kommen aus
der Ausgangssituation der Autoren (z.B.
ptolemäisches Weltbild). 10.) Die
Wahrheit wird die Bibelgeschichte hindurch progressiv
vermittelt. 11.) Personen im AT sind oft keine Vorbilder, dafür aber Grundtypen
der Menschheit. Wir sehen, dass der Mensch in der Sünde steckt. 11.) Irrtümer gibt es nie im Text der Heiligen Schriften, nur in
dessen Interpretation. 12.) Problematisch ist
die Beziehung zwischen dem Sinn des Textes und der Wahrheit, die darin
ausgedrückt wird. Ich muss mir die Frage stellen, was für eine tiefe Wahrheit diese Bibelstelle mir
sagen will. 13.) Die Wahrheit, die mir in der Bibel vermittelt wird
übersteigt das rein geschichtliche Aufeinanderfolgen von Ereignissen! Die universale und ewig gültige Botschaft der Erlösung ist
in einer begrenzten Sprache mit spezifischer Geschichte ausgedrückt.
c.) Wie verstehen wir die Tatsache, dass die Bibel inspiriert ist? Die
Inspiration der Bibel ist ein Dogma des I. Vat.
Konzils (dogmatische Konstitution Dei
Filius), da diverse Irrlehren zirkulierten (Bibel lediglich durch
kirchliche Autorität anerkannt (Haneberg); sie sei nur deshalb Offenbarung,
weil sie keine Fehler enthalte (Jahn); sie sei rein menschliches Werk ohne
göttlichen Ursprung). Das Dogma umfasst drei Aussagen: 1.) Die Schriften wurden
unter dem Einfluss des Heiligen Geistes geschrieben und sind deshalb normativ.
2.) Gott ist der Autor der Heiligen Schrift – das ist eine alte Überzeugung der
Kirche, die allerdings auch schon früh bestritten wurde (Marcion). 3.) Die
Heilige Schrift ist der Kirche anvertraut. Sie ist daher ein Buch der Kirche. Das
Zweite Vatikanische Konzil betont: die Bibel ist zu 100% Wort Gottes und zu 100
% Werk des Menschen. Es gibt einen menschlichen und einen göttlichen
Autor. Der Mensch ist nicht bloßes Instrument, wie Mohammed beim Diktat
des Erzengel Gabriel. Das Geheimnis von zwei gleichzeitigen Autoren kann nur
durch die Analogie erklärt werden. Diese wurde verschieden
beschrieben, z.B. als instrumentale
Analogie, die die Mitarbeit des Menschen mit Gott unterstreicht gegen die
Gefahr eines biblischen Monophysitismus. In der Patristik finden wir den
Vergleich der Schriftsteller mit Musikinstrumenten aber auch mit Stift,
Buchstaben. Die Scholastiker unterscheiden zwischen Haupt- und instrumentaler
Ursache (ST III,62,1; 4,2). Die Hauptursache (besteht immer) handelt aus
eigener Kraft, die instrumentale (esistiert nur zu gewisser Zeit) nur durch die
Hauptursache. Literarische Analogie:
z.B. Analogie des Diktates (Kirchenväter, nachtridentinische Theologie,
Lehramt). Gott und Mensch sind beide wahre Autoren der Schrift: Damit wird auch
die Einheit von AT und NT verteidigt. Die psychologische Theorie (Papst Leo
XIII.) unterstreicht das Wirken Gottes im Verfasser, aber erklärt nicht die
Eigenheit des Verfassers: Gott vermittelt Erkenntnis, bewegt den Willen, ohne die Freiheit zu verletzen,
und führt zur Ausführung und bewahrt
sie vor Fehlern. Karl Rahner vergleicht die Inspiration mit Gottes Plan, der durch
konkrete Menschen ausgeführt wird. Luis Alonso-Schökel unterstreicht den
Prozess in drei Etappen: materielle Erfahrung, Intuition und Ausführung, wobei
der Schwerpunkt der Inspiration auf Intuition und Ausführung fällt. Sodann
wurde erwägt eine Analogie mit den
Geheimnissen: Inkarnation: Außer
der Ähnlichkeit gibt es eine noch größere Unähnlichkeit (zwei Naturen in einer
Person – zwei Autoren in einer Schrift; jede Natur behält ihre Eigenheit – Gott
und der Verfasser behalten ihre Eigenheiten). Eucharistie (Transsubstantiation, aber die Gestalten von Brot und
Wein bleiben – in der Schrift bleiben die Gestalten des menschlichen Wortes und
der menschlichen Verfasser, aber es ist Gottes Wort). Kirche: Zusammenwirken von göttlicher Einrichtung und Leitung sowie
menschlichem Wirken.
d.) Viele Protestanten
interpretieren die Bibel anders als die katholische Kirche.
Wie sieht eine richtige Interpretation
aus?
Als grundlegendes
methodologisches Kriterium für die Auslegung der Bibel ist die Übereinstimmung
mit der Lehre der Kirche (Hl. Hieronimus). Die Bibel als solche ist das Produkt
der Tradition der katholischen Kirche und wurde erst vom Lehramt der
katholischen Kirche zur Heiligen Schrift erklärt. Deshalb ist das
sola scriptura
von Martin Luther nicht
annehmbar. Bezüglich des AT ist die
Person
Christi die wahre und echte Auslegung. Er selbst hat den Jüngern auf dem Weg
nach Emmaus die ganze Schrift dargelegt. Was die verwendeten menschlichen Worte
angeht, muss angemerkt werden, dass
die universale
und ewig gültige Botschaft der Erlösung in einer begrenzten und einer
spezifischen Geschichte unterworfenen Sprache ausgedrückt worden ist.