Die schönsten Momente erlebt man ja oft mit den Menschen, die einem am nächsten stehen und die einen am besten kennen. Darum fällt mir hier der schönste Moment mit meiner Schwester ein. Er mag vielleicht total unspektakulär klinben, und vielleicht hat er ihr währenddessen überhaupt nichts bedeutet. Damit man alles genau versteht, muss ich ein bisschen ausschweifen:
Meine Schwester ist 2,5 Jahre älter, und als Kinder hatten wir eigentlich ein ganz typisches Geschwisterverhältnis. Also manchmal gestritten, aber meistens doch gut verstanden.
Als sie dann aber in der Pubertät (13/14) war, hatte sie eine Phase in der sie richtig anstrengend war. Sie klebte wie eine Klette an mir, und provozierte mich bei jeder Gelegenheit. Sie wusste auch ganz genau, was mich am meisten ärgerte. Sie zog mich oft wegen meiner damals geringen Körpergröße auf, und behandelte mich wie ein kleines Kind (sowas Albernes wie Kopf tätscheln, Nase aneinander reiben, Wangenküsse usw.). Eben weil sie genau wusste dass ich es nicht mag, machte sie das.
Ich hatte sie damals um ihre Größe beneidet und machte mir Sorgen dass ich immer klein bleiben werde.
Aber auch wenn wir extrem viel gestritten haben, genauso viel Zeit haben wir auch miteinander verbracht in der wir uns gut verstanden haben. Hatten viel zusammen gespielt, hatten uns alles erzählt, und abends, ca. eine Stunde vor dem Schlafengehen lagen wir oft noch beieinander im Bett, haben gekuschelt und erzählt. An den Wochenenden hatten wir auch öfters beieinander übernachtet (also in getrennten Betten, aber im gleichen Zimmer). Natürlich fand ich das alles schön und mochte sie eigentlich doch sehr gern - was ich damals aber nie zugegeben hätte. ;)
Aber als sie dann 15/16 war, hatte sie sich total verändert. Sie fand andere Freunde und machte ständig mit ihnen was (oder war am chatten am Computer), trug andere Klamotten, schminkte sich und redete ganz anders. Wir verbrachten kaum noch Zeit miteinander und wenn ich was sagte, gab es meist eine patzige Antwort. Und auch als ich dann endlich größer wurde, war es natürlich nicht mehr cool sich mit dem kleinen Bruder zu kloppen.
So, jetzt kann ich also zum schönsten Moment kommen:
Eines Abends war ich mit ihr alleine in ihrem Zimmer, ich war vielleicht 10 oder 11, und sie war vielleicht 13. Ich weiß nicht mehr genau was vorher war, aber jedenfalls stand ich ihr gegenüber und kam mir vor wie so ein Winzling, und fand es unfair dass sie so groß ist. Daraufhin machte sie einen abfälligen Spruch darüber dass ich so klein war. Ich bin traurig und schaue zu Boden. Dann passiert auf einmal was ganz Unerwartetes: Sie nahm mein Gesicht in beide Hände und beugte sich auf meine Höhe herunter, sagte dass sie mich süß findet und gab mir einen Kuss auf den Mund.
Das hat sie vorher noch nie bei mir gemacht, und war in unserer Familie auch nicht üblich (vielleicht noch bis zum Kindergartenalter bei meinen Eltern, aber dann auch nicht mehr). Ich wusste dann nicht wie ich reagieren sollte, und weiß nur noch dass sie mich dann erstmal wortlos angelächelt hatte. Danach hatten wir glaub ich einfach das Thema gewechselt als ob nichts wäre.
Auch wenn ich es in dem Moment komisch fand und leicht überfordert war, heute denke ich daran noch sehr gerne zurück. Ich weiß bis heute nicht wieso sie das auf einmal gemacht hatte, aber in dem Moment fühlte es sich so an, als ob sie wirklich das erste Mal ihre ehrliche Zuneigung direkt ausdrücken wollte, und es nicht machte um mich zu ärgern. Sie wollte mich glaub ich aufmuntern und sich entschuldigen. Eigentlich hatten wir damals doch eine schöne Zeit zusammen. Schade dass es nicht mehr wieder kommt.