Dein Internetname hat’s mir angetan, wenn Du meinen ansiehst, weißt Du auch warum. Wenn es Dich also nicht stört, von einem 68jährigen einen Rat zu bekommen, dann hör Dir doch das mal mit etwas Geduld an: Ich war als Kind und Jugendlicher schüchtern und voller Selbstzweifel. Damals gab es auf den Zeugnissen immer noch Noten für „Betragen“ und „Mitarbeit“. Bei ersterem hatte ich immer eine 1, d.h., ich war brav, beim anderen eine 4, weil ich zu schüchtern war, um mich zu melden. In den Noten war ich Durchschnitt, nicht besser, aber auch nicht schlechter. Ich habe Germanistik studiert und glaubte damals, Lehrer zu werden. Schon im ersten Semester wusste ich, dass das ein Fehler war, denn ich war viel zu introvertiert für so einen Job. Ich wickelte mein Studium ab, nicht besonders gut, aber auch nicht schlecht. In der Referendarzeit merkte ich, dass es andere gab, die noch wesentlich schlechter waren als ich, das war schon mal ein Trostpflaster für mein unterentwickeltes Ego. Ich merkte aber auch, dass aus mir nie ein Lehrer werden würde. Also bewarb ich mich beim DAAD als Lektor für Japan, ich wollte so weit wie möglich weg aus meiner unlösbaren Situation. Das machte ich vier Jahre, dann musste ich mir überlegen, was nun aus mir werden sollte. Groß war mein Selbstvertrauen immer noch nicht, aber durch die Auslandserfahrung hatte ich etwas mehr Mut gewonnen. Ich hatte mich an das Fremdsein gewöhnt und bewarb mich beim Auswärtigen Amt, weil ich glaubte, dass ich das dort mit einbringen könnte. Bei der Aufnahmeprüfung fiel ich durch. Ich erfuhr, dass sie von ein paar Hundert Bewerbern 30 genommen hatten und dass ich auf Platz 33 gelandet war. Also versuchte ich es im nächsten Jahr nochmal mit besserer Vorbereitung und wurde genommen. Ich war nicht schlecht, aber wahrhaftig kein Überflieger und machte eine mittelgute Karriere (Posten in Japan, China, Philippinen, Algerien etc.) und war zum Schluss ein kleiner Botschafter. (Eine große Karriere wäre es gewesen, Botschafter mit B9-Besoldung zu werden: Washington, London, Paris etc.) Mein gutes Mittelmaß sehend und letztlich akzeptierend sagte ich mir, dass ich so gut sein muss, wie ich irgendwie kann, aber gleichzeitig dem Ehrgeiz nicht alles opfern darf, so dass ich zum Schluss gescheitert bin, wenn ich es nicht erreiche. Die Posten sollten deshalb durchaus dem Ehrgeiz dienen, aber immer auch für mich selbst interessant sein, damit ich immer sagen konnte, es habe sich gelohnt. Ich könnte noch mehr ins Detail gehen, dann würdest Du sehen, dass es sehr interessant war. -- Ich denke, die Antwort ist Dir jetzt schon klar; es geht natürlich nicht darum, Dir einen Laufbahnvorschlag zu machen, sondern um folgendes: 1. Versuche so gut zu sein, wie Du kannst, aber vergiss die anderen, da ist immer viel Schaumschlägerei dabei bei den sog. Führungstypen, die im 1 Semester schon wissen, was mal aus ihnen wird. 2. Du kannst gar nicht wissen, wie sich das alles entwickelt, jedenfalls kannst Du zum Schluss ganz woanders sein, als du es Dir vorher erträumt hättest. Und trotzdem kann es insgesamt sehr gut sein, trotz der Handycaps, die Du selbst siehst. (Das spricht übrigens für Dich, dass Du nicht kritiklos drauflos marschierst, sondern Dir Zweifel leistest.) 3. Und praktisch: Versuche neben dem Japanischen noch richtig gut Englisch zu lernen (Französisch oder Spanisch zusätzlich wäre auch nicht schlecht, aber lass Dich nicht erschrecken: Ich habe mein schwaches Schulenglisch und -französisch erst in Japan ausgebaut, als ich mich auf die Bewerbung vorbereiten wollte) und schau zu, dass Dein Zweitfach irgendwie praxisnah oder mainstream ist. 4. Das heißt nicht, dass Du meinen Weg gehen, sondern dass Du Dein Ding selbst machen sollst und die Augen offen halten sollst, um zu sehen, was sich so am Wege anbietet.

...zur Antwort
Weitere Inhalte können nur Nutzer sehen, die bei uns eingeloggt sind.