Hallo erstmal,
Ich entschuldige mich, dass ich jetzt 12 Jahre später antworte. Hast deine Frage 2009 (meiner Rechnung zufolge) gestellt, da war ich gerade mal in der 1/2. Klasse. Jetzt bin ich 19 und im 3. Semester.
Jedenfalls kann ich mich sehr gut identifizieren mit deiner Story und hätte dir einfach zu sagen, dass du definitiv nicht alleine bist. Ist krass, dass damals schon Menschen so wie ich heute, waren. Ich lache auch übertrieben auf die kleinsten, unwitzigsten Sachen, mag es Spaß zu haben und sehne mich nach den Leuten dazu. Auffällig allerdings, dass mir nur das Erlebnis mit ihnen Spaß machen soll und nicht die Leute selbst. Auch werde ich immer trauriger und finde mein Aussehen unpassend meiner Persönlichkeit gegenüber. Ich habe das Gefühl, dass ich mich selber verloren habe und keine Ahnung von mir Selbst habe. Ein ehemaliger Klassenkamerad beschrieb es als "Abwertung der Persönlichkeit und des Selbstbewusstseins durch Ausgrenzung, Hänselei, Mobbing". Bei mir war viel eher die Ausgrenzung das Problem, sodass ich selbst heute in der Uni wahnsinnige Angst davor habe allein zu sein. Bei winzigsten Anzeichen, die darauf hindeuten, dass die Leute kein Interesse an mir haben, sich sogar wegsetzen und den Kontakt scheuen oder nicht stärker auf ein Gespräch zum Beispiel eingehen, beunruhigt mich sehr und macht mich verzweifelt. Heute zum Beispiel sitze ich in der Vorlesung, da saß ein Junge neben mir, der ein Praktikumspartner von mir ist und alle anderen mit denen ich sonst in einer Reihe saß, saßen eine Reihe über mir diagonal und haben kein einziges Mal zu mir rübergeschaut. Und das sage ich als 2 Meter großer 19-jähriger Ausländer mit Bart und stämmigem Aussehen. Hab aber nur dünne Arme und Bauchfett, keine Muskulatur oder sowas. In der Schule hatte ich keine Freunde, nur Menschen mit denen ich zu tun hatte oder die mir die Zeit versüßt haben. Dort wurde ich aber runtergemacht, das war so lange, bis ich von mir selbst gedacht habe, dass man mich in Gesellschaften runtermachen muss. So war es eine echt gewöhnungsbedürftige Veränderung in der Uni auf Menschen zu treffen, die mit mir chillen und die ich Freunde nennen kann. Ich kann es aus einem tieflegenden Grund nicht schätzen, dass sie um mich herum sind. Vielleicht eben diese Veranlagung, dass ich ja eigentlich ausgegrenzt werden muss oder die große Angst, alleine gelassen zu werden, und dementsprechend nichts falsches zu sagen. Eine Freundin meinte gestern zu mir (nach Nachfrage), dass sie denkt, ich würde nur Aufmerksamkeit suchen in bereits bestehenden Freundeskreisen und mit jedem gleich gut befreundet sein wollen. Das funktioniere natürlich aber nicht. Sie denkt dass ich versuche wie die Leute aus dieser Gruppe zu sein, um dieses Feeling zu bekommen Mitglied in einer Clique zu sein, es gehe mir nicht um die Leute selbst, die drinne sind. Eine weitere Nebenwirkung ist auf jedenfall auch sich viel mehr Gedanken über andere zu machen, als über einem selbst. Ich könnte Tagebücher führen über andere Menschen. Ich schäme mich, mich selbst kennenzulernen, weil ich vielleicht auch Angst habe, Narben zu öffnen oder nochmal verletzt zu werden. Vielleicht weil ich keine Lust habe, Energie in mir selbst zu investieren, obwohl ich am Ende nichts von habe. Wenn ich Energie in meine Beziehungen zu anderen investiere, bekomme ich auch etwas zurück, was zu kurzandauernder Glückseligkeit führt. Deshalb habe ich wahrscheinlich den Impuls sehr sehr viel auf andere zu setzen, um viel Zuspruch zu erhalten. Mir ist nicht klar, dass es das größte Geschenk ist, mit sich selber im Reinen zu sein und sich verstehen zu können. In den Zeiten wo ich alleine bin (sprich Zuhause oder auf dem Weg irgendwohin), dann esse ich, gerne viel oder geschmacksintensiv, um mir die Zeit dadurch zu versüßen. Das hat den Nebeneffekt, dass ich eben viel wiege und das natüelich gesundheitliche Auswirkungen/Spätfolgen haben kann.
Wie mich das alles beeinflusst: Ich stottere beim Reden inzwischen, da ich das Gefühl habe, schnell reden zu müssen, damit mir zugehört wird und damit ich nicht übersprungen werde. Ich esse viel, Grund wurde bereits genannt. Ich mag es traurige Serienparts anzuschauen, um traurig zu werden. Ich lache, wenn andere Menschen ihre Gefühle zeigen bzw. kann es garnicht sehen, wenn jemand weint. Ich bin über kleine Sachen schon wütend böse, bei denen ich in der Machtposition bin (das möchte ich aber nicht sein, also keine Sorge, ich werde definitiv kein Mörder oder Schläger). Ich greife auf Suchtmittel: Essen, Befriedigung und Handy/TV, ich sitze den ganzen Tag vor dem Handy um mich zu betäuben und lerne zum Beispiel garnicht. Und ich habe das Gefühl, dass mein Bart fehl am Platz ist, weil mich andere Menschen auslachen könnten, außen erwachsen auszusehen, innerlich aber noch ein Kind zu sein oder mich so zu benehmen. Das setzt mir auch immer zu, wenn jemand zu mir sagt, ich benehme mich wie ein Kind. Letztens war ich bei jemandem Zuhause, ich schaue auf sein Handy kurz und er macht eine kleine Ansage, ich wollte raus aus seiner Wohnung und habe bis heute keinen Kontakt mehr.
Schon traurig eigentlich. Es gibt immer jemanden der einem ähnlich ist. Sind wie gesagt 12 Jahre vergangen, aber dennoch Viel Erfolg im Leben weiterhin.
LG Ahmad