Alkohol und Drogen Das arabische Wort Hamr, das in Vers 90 der Sure 5 beim Verbot von Alkohol und Drogen verwandt wird, meint Dinge, die sich auf den Verstand auswirken, die den Verstand benebeln und letztendlich zum Aussetzen des Verstandes führen. Verboten ist der Genuß jeglicher Mittel, die hierzu führen – wie auch immer sie bezeichnet werden. So sind also nicht nur alkoholische Getränke, sondern Drogen aller Art, flüssige wie solche in fester Form, verboten. Der im Koran verwendete Begriff stellt sicher, daß nicht nur der Genuß von Wein, der zu der Zeit, als das Verbot erlassen wurde, das einzige gebräuchliche alkoholische Getränk gewesen ist, sondern der Genuß sämtlicher Drogen für verboten erklärt worden sind. Einige islamische Rechtsgelehrte, darunter I˙mam-ı Âzam, der Gründer der hanefitischen Rechtsschule, haben den im erwähnten Koranvers verwandten Begriff hamr im herkömmlich Sinne als »Wein« ausgelegt und den Genuß anderer alkoholischer Getränke für statthaft befunden, solange er nicht in den Zustand der Trunkenheit führe. Dieser Meinung waren auch der islamische Rechtsgelehrte und Lehrer von I˙mam-ı Âzam, Hammâd b. Ebî Süleyman (gestorben 120 H. / 737 n. Chr.), Vater der irakischen Schule islamischer Rechtsexegeten, und dessen Lehrmeister I˙brahim en-Nehaî (gestorben 96 H. / 714 n. Chr.). Andere alkoholische Getränke als Wein werden im Arabischen mit dem Begriff Nebîz (Wein aus Datteln u. ä.) bezeichnet. Der hanefitischen Rechtsschule nach wird der übermäßige Genuß alkoholischer Getränke dieser Art als haram (verboten) angesehen, wenn er zur Trunkenheit führt. I˙brahim en-Nehaî, einer der Väter der irakischen Schule islamischer Rechtsgelehrten, hat selbst Dattelwein getrunken und seinen Gästen angeboten. Nebîz wird aus Früchten wie Trauben, Datteln, Äpfeln oder Getreide (Sesam, Gerste oder Weizen) hergestellt. Einige Interpreten und Korankommentatoren wollten den Begriff Nebîz als Most verstanden wissen, dies ist eine Fehlinterpretation und eine Lüge. Nebîz ist im Grunde ein Sammelbegriff für eine Reihe von Alkoholika. Im El-Müncid, einem berühmten Wörterbuch der arabischen Sprache, wird Nebîz als ein »aus Datteln oder Trauben erzeugtes Getränk« bezeichnet, »das betrunken macht«, und dessen Herstellung beschrieben. I ˙bn Mes'ud (gestorben 32 H. / 652 n. Chr.) und Alkame (gestorben 62 H. / 681 n. Chr.), der uns dessen Wissen überliefert hat, sind Vertreter des Vorläufers der Schule des Nehaî aus der Zeit der Prophetengefährten, von denen wir wissen, daß sie alkoholische Getränke von der Art der Nebîz zu sich genommen haben (vgl. Kal'acı, Nehaî 1/287). Der Forscher und Religionsgelehrte Kal'acı teilt in seinem Werk zur Exegese des Rechtsgelehrten Sevrî mit, daß auch Süfyan es-Sevrî, Vater dieser Denkschule und bekannt als Überlieferer mystischer Traditionen (gestorben 161 H. / 777 n. Chr.), Nebîz getrunken hat. Sevrî vertrat die Auffassung, der Genuß von Alkoholika dieser Kategorie sei aus religiöser Sicht statthaft, solange er nicht in den Zustand der Trunkenheit führe. Kal'acı untermauerte diese Aussage mit dem Verweis darauf, daß dies »die Haltung der irakischen Rechtsgelehrten zum Thema alkoholischer Getränke dieser Art« sei (vgl. Kal'acı, Fıkhu's-Sevrî, 162-163). Nehaî und Sevrî sind anerkannte Autoritäten in den islamischen Religionswissenschaften, speziell auf dem Gebiet der Rechtsexegese. Die Auffassungen und Rechtsgutachten Nehaîs und Sevrîs zu diesem Thema sind im Werk von I˙mam Muhammed es¸-S¸eybanî (gestorben 189 H. / 804 n. Chr.), einem Schüler des I˙mam-ı Âzam und Sammler seiner Rechtsgutachten, noch einmal gleichlautend wiederholt worden (vgl. S¸eybanî, el-Câmiu's-Sag˘ır, Erwähnung des Alkohols, 385-386). El-Cassâs (gestorben 370 H. / 980 n. Chr.), Kommentator und einer der berühmtesten Gelehrten der hanefitischen Rechtsschule, hat in seinem Werk mit dem Titel Ahkâm'ul-Kur'an lang und breit die Auffassung verteidigt, daß alkoholische Getränke, sofern es sich dabei nicht um Wein handelt, nicht vom koranischen Verbot betroffen sind (vgl. Ahkâm'ul-Kur'an, 1/447-451). Cassâs zufolge fällt der Genuß alkoholischer Getränke, bei denen es sich nicht um Wein handelt, nur dann unter das koranische Verbot, wenn sie in einem Maße zu sich genommen werden, das zur Trunkenheit führt (vgl. ebd., 1/444-446; 2/648-653). Der Scheich ül-Islamat im Osmanischen Reich hat dieses Thema genauso gehandhabt wie die irakische Rechtsschule. Diese von späteren Exegeten verheimlichte Rechtsauffassung der hanefitischen Schule ist in den Rechtsgutachten (Fetâvâ) des Scheich ülIslam Çatalcalı Ali Efendi (gestorben 1692 n. Chr.), der im Osmanischen Reich der Scheich ül-Islam mit der längsten Amtszeit war, noch einmal wiederholt und im Namen des Scheich ül-Islamats erneut für Recht befunden worden (vgl. S¸eyhülislam Ali Efendi, Fetâvâ, I˙stanbul, 1305, 2/326). Verfälschungen und erfundene Neuerungen Zu behaupten, es sei verboten, Speisen mit einer Zugabe alkoholischer Getränke zu würzen: Alkohol und alkoholische Getränke gelten als Verbotenes, sofern sie als Betäubungsmittel konsumiert werden. Kocht man sie auf, gibt man sie gekochten Speisen hinzu, so verwandeln sie sich in gewöhnliche Lebensmittel und fallen damit nicht mehr unter die verbotenen Stoffe. Kalif Ömer, der gekochten Wein zu sich nahm, erwiderte auf den Einspruch Ubâde b. Sâmits (gestorben 34 H. / 654 n. Chr.), einem Weggefährten des Prophe- ten, der den Genuß gekochten Weines ablehnte: »Ach du Tor! Er ist gekocht worden, hat mit Wein nichts mehr gemein. Nimmst du auch keinen Essig zu dir? Der wird aus demselben Saft gemacht fi« (vgl. Ebu Zehra; Ebu Hanife, 299). Somit besteht gegen das Hinzufügen alkoholischer Getränke zu Speisen als Würzmittel im Kochprozeß (wie etwa dem Hinzufügen eines Schluck Weines zu Fleisch- oder Fischgerichten) aus religiö- ser Sicht keinerlei Einwand. Zu behaupten, nicht nur das Trinken, sondern auch die Verwendung von Alkohol in anderer Form sei verboten: Typisches Beispiel hierfür ist das Gerede vom sogenannten »alkoholfreien Kölnischwasser«. Alkohol gehört zu den besten Reinigungs- und wirksamsten Desinfektionsmitteln. Im Islam ist seine Verwendung als Genußmittel verboten. Das Übertragen dieses Verbotes auf andere Lebensbereiche hieße, die Religion um ein Element zu erweitern. In Verbindung mit Reinigungsmitteln, Parfum, Medikamenten oder ähnlichem kann man sich seelenruhig des Alkohols bedienen.