Musik ist bekanntlich eine Kommunikationsform – du kannst mit Musik wie mit jeder Sprache alles ausdrücken, was dir auf der Zunge liegt.
Wie jede Sprache muss sie aber auch gelernt werden, und wir lernen durch das, was wir dauernd hören. Die ersten Musikstücke, die mensch nach dem Schlüpfen so hört, sind sehr einfache Strukturen – Tonleitern rauf und runter, keine zu großen Tonsprünge, reine Dur- oder Moll-Harmonien. Damit prägen sich uns Tonleitern ein und das Gefühl dafür, was "richtig" und was "falsch" klingt – dahinter steckt keine unbekannte Mathematik oder Geheimwissenschaft, das ist alles Prägung durch laufende Wiederholung.
So erscheinen uns alte asiatische Stücke oder klassische indische Musik mitunter völlig schräg, während ein Hörer aus diesem Kulturkreis, der nicht schon jede Menge westlicher Musik gehört hat, mit unserer leicht verstimmten wohltemperierten Stimmung so seine Probleme haben mag.
Ein Hit braucht eine Hookline, eine Melodie oder Rhythmusfolge, die sich ins Gedächtnis einprägt. Gut merken lässt sich das, was man selbst mitsingen, -pfeifen oder -brummen kann. Damit (ohne jetzt über Geschmack oder Qualität streiten zu wollen) bleiben anspruchsvolle Melodien, die dem einfachen Raster von einer angenehmen Mischung aus altbekannten Mustern mit einer leichten Prise Abwechslung nicht entsprechen, außen vor. Ich hab jedenfalls noch nie jemanden zu einem kompletten Whitney-Houston-Song mitträllern hören (eigene Wertung dieses Gedankens bitte hier einsetzen), allenfalls der Refrain geht noch.
Und so, wie ein Leser mit durchschnittlichem Allgemeinwissen ganz schnell von einer wissenschaftlichen Facharbeit genervt werden kann, weil sie zum Großteil in einer Sprache stattfindet, die er nicht versteht, vergeht einem Hörer mit ohne größerem musikalischem Wortschatz die Lust, klassischer Musik zuzuhören. Die musikalischen Aussagen – die Phrasen und Sätze der Melodie – sind viel zu langatmig, da kann er nicht folgen. Setz einen durchschnittlichen 13jährigen sonntags vor den Pressespiegel. Da erlebst du genau die selbe Reaktion (Abschalt), selbst wenn es in der Diskussion um Themen gehen sollte, die ihn betreffen. Zu lange Sätze, zu viele unbekannte Termini …
Und da in der Regel in der Schule absolut grottiger Musikunterricht stattfindet, der alles andere fabriziert als einen erweiterten Musikwortschatz, ist das größte Hitpotenzial gegeben, wenn du möglichst kinderliedähnliche Melodien (man höre mal sog. Sommer- und Ballermannhits) mit einem wummsigen 4/4-Beat verbindest, der es auch dem musikalisch nie über das ABC hinausgekommenen Gebildeten erlaubt, seine Arme und Beine in der richtigen Geschwindigkeit wackeln zu lassen. Das kennt man, da kann man "mitreden".
Oh, und da dieser Eindruck entstehen könnte: Dies ist nicht als Angriff oder Geringschätzung solcher Hörer gedacht. Und eine Kritik des Schulsystems gehört nicht in diesen Thread … ;-)