Kann ich als Förderschüler mit einer Intelligenzminderung beruflich noch was erreichen?

Hallo!

Ich bin ein 16-jähriger Förderschüler und mache derzeit in der 10. Klasse unserer Förderschule einen Hauptschulabschluss. Ich wurde bereits nach einem halben Jahr aus der Grundschule ausselektiert, weil ich angeblich in allen Bereichen völlig den Anschluss verloren haben soll. Seit dem bin ich fast 10 Jahre auf einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen, die früher „Sonderschule für Lernbehinderte“ hieß. Die Bezeichnung „Sonderschule für Lernbehinderte“ impliziert, dass die Förderschulen eigentlich zu den Behindertenschulen zu zählen sind. Ein Intelligenztest, der vor Kurzem in unserer Förderschule gemacht wurde, hat überraschend ergeben, dass meine intellektuelle Leistungsfähigkeit nicht einmal das Niveau der Förderschule erreichen soll. Seit diesem Test werde ich von Arbeitsamt, wie ich von meinem Berufsberater erfahren habe, als eine Person mit sehr niedrigem IQ geführt. Mein Berufsberater meinte, hätte ich diesen Test früher gemacht, wäre ich wahrscheinlich nicht auf eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen gekommen, sondern auf eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung. Ein Intelligenzquotient unter 70 entspricht schon einer leichten geistigen Behinderung. Das würde zumindest erklären, wieso ich so schnell aus der Grundschule ausselektiert wurde.

Ich kenne meinen genauen IQ nicht, aber die Aussage des Schulpsychologen, dass meine „intellektuelle Leistungsfähigkeit“ nicht einmal „das Niveau der Förderschule“ erreichen soll, lässt den Schluss zu, dass der IQ-Test einen Wert unter 70 ergeben haben muss.

Seit dem befinde ich mich in einer schweren Krise. Nach dem IQ-Test war ich – nach Aussage meines Berufsberaters – zehn Jahre auf der falschen Schule und hätte eigentlich auf eine Schule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung gehört. Wenn das so ist, wieso habe ich noch vor Erreichen des zehnten Lebensjahres Schreiben und perfekt Lesen gelernt? Ich besitze eine gute Allgemeinbildung und habe auch keine Probleme mit Mathematik, was dadurch deutlich wird, dass ich problemlos Prozent,- Bruch,- und Zinsrechnen kann sowie Gleichungen, Funktionen und Geometrie beherrsche. Ich lese, ohne Verständnisprobleme, geistes- und naturwissenschaftliche Literatur und habe mir mit 13 Jahren auch etwas Programmieren mit C++ beigebracht. Nach dem IQ-Test dürfte ich – wenn überhaupt – selbst die Förderschule nur mit größter Not schaffen, und müsste mich wie ein 8-Jähriger verhalten. Ich verstehe das alles nicht. Ich bin in meiner türkischen Familie der Einzige, der auf eine Förderschule geht. Meine Geschwister und Verwandten gehen alle auf normale Regelschulen, viele aufs Gymnasium, einige haben sogar schon studiert; nur ich gehe als Einziger auf eine Förderschule. Bin ich wirklich geistig behindert? Kann ich noch einen Beruf erlernen? Kann ich noch eine Familie gründen?

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Wieso werden wir Förderschüler immer als dumm dargestellt?

Wenn ich mir so einige Fragen bezüglich der Hauptschule durchlese, fällt mir auf, dass viele meinen, Hauptschüler seien die dümmsten, aggressiv und nicht lernwillig. Es wird behauptet, wer nicht auf ein Gymnasium ist, plane schon im Voraus eine Gangster-Karriere. Viele können nicht verstehen, wie man überhaupt so schlecht sein kann, dass man auf einer Hauptschule landet. Die Hauptschüler haben schon einen schlechten Ruf.

Nun ja, ich selbst bin gar kein echter Hauptschüler, sondern nur ein Förderschüler des Schwerpunkt Lernens, der einen Hauptschulabschluss macht. Ich selber habe in meinem Leben noch nie eine Hauptschule von innen gesehen.

Wenn Hauptschüler schon einen so schlechten Ruf haben, dann muss es um jenen der Förderschüler noch viel schlechter bestellt sein. Tatsächlich steht die Förderschule in der Hierarchie des deutschen Schulsystems noch weit unter der Hauptschule. Es heißt, Förderschüler seien nicht lernfähig, können weder lesen noch schreiben und seien zurückgeblieben. Die Vorurteile, die Hauptschüler betreffen, potenzieren sich bei Förderschülern um ein Vielfaches. Ich will nicht als geistig minderbemittelt und als Analphabet behandelt werden. Ich frage mich, was man gegen die Vorurteile tun kann.

Wir haben auch Deutsch, Mathe, Physik, Geschichte usw. Viele glauben, dass wir nur basteln und spielen. Viele haben gegenüber uns Vorurteile. Ich wurde schon von Hauptschülern zusammengeschlagen, weil ich ein Förderschüler bin.

Ihr kennt doch gar keine Förderschüler, woher wollt ihr wissen, dass wir dumm sind?

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