Guten Abend,

vorne weg, mir ist klar, dass die banale Antwort auf meine Frage "offen und ehrlich" ist aber ich erhoffe mir hier eine differenzierte Antwort von eventuell selbst Betroffenen, da ich die Sachelage doch etwas komplizierter empfinde:

Ein guter Freund von mir, Anfang 30, frisch mit einer cis-Frau verheiratet und sich schon immer heterosexuell zeigend, ist im nüchternen Zustand ein zurückhaltender junger Mann. Leider zeigt er seit einigen Jahren einen ziemlich exzessiven Alkoholkonsum, was bedeutet, dass (im Freundeskreis wird leider häufig, oft mehrmals die Woche stark getrunken) er fast immer bis zum vollkommenen Absturz trinkt. Mit ansteigendem Alkoholspiegel wird er immer anhänglicher und körperlicher und wird auch mir (weiblich) gegenüber in diesem Zustand immer kuschel- bzw. liebesbedürftiger. Er sucht die enge Umarmung, das Gehalten-werden und Wangenküsse werden verteilt. Ich empfinde dieses Verhalten zwar als "ungewöhnlich," weil nicht allgemein üblich, aber als komplett platonisch und eher wie ein Verhalten unter Geschwistern, weswegen ich mich eher freue, dass ein normativ erzogener Mann (wenn auch leider betrunken) so seine Zuneigung zeigen kann. Ich habe ihn auch bereits auf sein Trinkverhalten angesprochen, da es schlichtweg besorgniserregend ist, er hat dies positiv aufgenommen, hat aber keine Gründe für seine regelmäßigen Abstürze benennen wollen. Der Alkoholkonsum muss weiter besprochen werden, darauf soll aber hier nicht weiter eingegangen werden.

Nun hat sich mir sein bester Freund anvertraut, gegenüber diesem er auch -wie eigentlich fast jedem gegenüber in der Gruppe- sein "Kuschelverhalten" im betrunkenen Zustand zeigt. Leider überschreitet er aber bei ihm regelmäßig klare Grenzen. Er versucht ihm anscheinend immer wieder in den Intimbereich zu greifen, Lippenküsse wollten aufgedrückt werden, er hat sich vor ihn entblößt und noch einiges mehr.

Ich empfinde die Lage nun als sehr schwierig, da er somit ein eindeutig übergriffiges Verhalten zeigt (sein Freund möchte, wie er mir gestand, nicht mehr mit ihm alleine sein), was auf jeden Fall thematisiert und unterbunden werden muss - hier gibt es keine Diskussion, sexuelle Überschreitungen dürfen niemandem gegenüber zugelassen werden.

Zum anderen ist damit aber verbunden, dass wir ihn damit in die Zwangslage einer Konfrontation mit seiner Sexualität bringen. Wie es leider so ist, wird seit Jahren im vorwiegend männlichen Freundeskreis über seine eventuelle Sexualität gemunkelt. Ich schätze uns alle so ein, dass wir (auch weil wir alle in irgendeiner Weise mit LGBTQ+Personen über Schule, Studium, Familie und Arbeit verbunden sind und es einfach Normalität ist, dass die Welt bunt ist), dies nicht tun, da wir uns darüber lustig machen, sondern wir alle im Inneren besorgt sind, weil er vor kurzem eine monogame, heterosexuelle Ehe eingegangen ist.

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