Das ist eine sehr gute Frage, und diese Frage wird immer wieder missverstanden. Der springende Punkt, der das vermeintliche Paradox auflöst ist die Feststellung, dass unsere Schrift nur eine Zahl repräsentiert. Das, was wir auf unser Blatt Papier schreiben, ist nicht die Zahl 1, sondern soll die Zahl 1 darstellen. Die Zahl 1 selbst ist ein Konzept, und nie in deinem Leben wirst du eine "echte" 1 sehen, aber du wirst immer einen Apfel oder eine Birne sehen. Ähnlich darfst du den Zeichen 0.9(P) und 1 nicht immer trauen, denn wenn du abstrakt denkst, siehst du wie man das ganze richtig rechnet.
1/3 ist ja 0,periode3
Korrekt.
Rechnet man 1/3 + 1/3 + 1/3 erhält man ja 3/3 [gleich 1]
Goldrichtig.
Berechne ich aber 0,333 + 0,333 + 0,333 so erhalte ich 0,999.
Absolut richtig, denn so rechnet man mit Dezimalzahlen, und du bekommst nirgendwo Probleme, weil nirgendwo eine Stelle über 10 kommt.
[ungleich 1].
Hier drückt der Schuh! Alle deine Rechnungen sind vollkommen korrekt, also sollte sich auch kein Paradox ergeben. Das einzige, was erst zum Paradox führt ist deine Annahme, dass 1 ≠ 0.9(P), diese Annahme muss also falsch sein.
Diese Zahlen sehen anders aus, aber sind sie deshalb anders? Ich kann 1 auch als 4 - 3 schreiben, aber danach ist es immer noch die selbe Zahl.
Die reellen Zahlen haben eine schöne Eigenschaft, die sich Dichtheit nennt. Immer dann, wenn du zwei reelle Zahlen hast, die ungleich sind, gibt es eine Zahl zwischen ihnen. Nicht nur eine, sondern unendlich viele!
Sei nun x eine Zahl zwischen 0.9(P) und 1. Diese hat auch eine Dezimalentwicklung, da die Zahl kleiner als 1 sein muss, ist die Vorkommastelle eine 0. Die erste Nachkommastelle muss 9 sein, da die Zahl größer als 0.9 sein muss. Die zweite Nachkommastelle muss 9 sein, da die Zahl größer als 0.99 sein muss. Das kannst du die ganze Zeit so weiter machen, und du siehst, dass deine Zahl die Dezimalentwicklung 0.9(P) haben muss. Dann gälte aber 0.9(P) ≠ 0.9(P), was ein Widerspruch wäre. Unsere Annahme, dass 0.9(P) ≠ 1 ist, muss also falsch sein. Folglich 0.9(P) = 1.
Dieser Beweis ist an sich richtig, aber müsste, um als vollwertiger Beweis zu stehen, etwas rigoroser sein, das lasse ich jetzt aber weg. Das Prinzip, zwischen zwei Zahlen eine weitere reinzuquetschen lässt sich auf Dedekindschnitte zurückführen. Eine weitere Strategie, den Beweis zu führen ist, sich die echte Definition von Dezimalentwicklungen anzuschauen. Die Zahl 0.9(P) ist in der (Cauchyschen) Definition der reellen Zahlen nicht als Prozess definiert (wie viele fälschlicherweise denken), an dem sich immer mehr Neunen hintereinanderreihen und nie aufhören, sondern der Grenzwert der Folge von immer mehr (endlich vielen) Neunen, somit also ein statisches Objekt. Die reelle Zahl, die zu 0.9(P) gehört, ist also der Grenzwert der Folge (0.9;0.99;0.999;0.9999;...), und dieser ist ganz klar 1.
LG