Der springende Punkt ist wahrscheinlich, dass wir uns besser in Menschen hineinversetzen können und ihre Gefühle besser verstehen können, weil wir bessere Vorstellungen davon haben, was ein Mensch in der Lage ist, zu fühlen und zu denken. Ich kann natürlich (bei vielen Arten) sehen, dass ein Tier Schmerzen hat, ich kann dieses Tier aber nicht befragen und es kann mir keine konkreten Erklärungen geben, wie es gerne behandelt werden möchte. Ich kann das, wenn überhaupt, nur erahnen oder das Tier "vermenschlichen", also dem Tier eine ähnliche Denkweise wie meine zuschreiben.
Hinzu kommt, dass die meisten Menschen weder am Prozess des Haltens/Lebens/Schlachtens beteiligt sind, noch diesen Prozess an sich mitbekommen. Sie sehen nur das Endprodukt, das nicht aussieht wie das Tier selbst, sondern nur seine Bestandteile zeigt. Es wird auch zu sehr normalisiert, in solch großen Mengen Fleisch zu essen (bei denen es wirklich unnötig ist). Wenn jeder nun selbst schlachten müsste (besonders in dem Maß, wie teilweise gegessen wird), würde das Ganze wahrscheinlich bei vielen Menschen anders aussehen, wenn man die Wahl hat.
Ein Beispiel sind vielleicht dabei Kinder: sie sind z.B. nicht in der Lage, zu begreifen, was sie dort essen, wenn es ihnen als Würstchen auf den Tisch gesetzt wird. Die meisten von ihnen sind aber bestimmt traumatisiert, wenn dann das Hauskaninchen auf dem Tisch steht und gegessen werden soll.
Vieles ist reine Kultur/Religions/Spritualitätssache (Mensch sei überhaupt kein Tier, Evolutionstheorie anzweifeln, Mensch aus Erde, Hölle/Himmel, Seelen etc) und vieles auch Bequemlichkeit und Gewohnheit. Der Vergleich zwischen Menschen und verschwiedenen anderen Tierarten wird ja auch oft als Beleidigung verwendet (Schwein/Ferkel, Esel, Faultier, Ochse, Kuh, Hund) und durch diese Herabwertung gibt man sich allein in der Sprache schon den Anschein, besser zu sein als andere Tiere. Wahrscheinlich fühlen sich einige Menschen machtvoll, wenn sie über Tiere richten dürfen und sie als Sachgegenstände und nicht als Lebewesen behandeln. Sie können sich schlecht vorstellen, wie es wäre, selbst in der Lage des Tiers zu sein ("das Schwein sieht doch nicht aus wie ich, ich bin doch kein Schwein").
Es gibt auch Argumente, bei denen es heißt, dass wir nunmal nicht als reine Pfanzenfresser geboren wurden und es deswegen Sinn macht, wie andere Tiere auch, andere Tiere zu essen (Tiger essen dabei ja in der Regel auch keine Tiger). Auch Argumente wie dass man Eisen besser über tierische Produkte als pflanzliche aufnehmen kann oder dass Vitamin B12 von Natur aus eine Proteinummantelung hat (und auch hier daher über Tiere aufgenommen wird) und so weiter, gibt es. Ob diese Argumente nun letztlich irgendwas "rechtfertigen" oder "schönreden" ist eine andere Frage und wie viel Gewichtung diese Argumente haben, ist offensichtlich sehr unterschiedlich, Menschen haben teilweise extrem weit auseinanderliegende Weltansichten. Viele Menschen wollen auch einfach nicht mehr auf diesen Luxus verzichten oder ihre Gewohnheiten ändern oder auf den herzhaften Geschmack von Fleisch verzichten.
In der äußersten Not isst man normalerweise aber auch alles, egal ob Mensch oder Tier und egal, wie sehr es wehtun mag, um zu überleben.