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Zur Antwort von "DerIng":
Hmmm, theoretisch ...
Da würde ich mich erst mal fragen: was wäre denn ein bayrisches Volk?
Das Selbstbestimmungsrecht ist ein sehr umstrittener Bereich innerhalb des Völkerrechtes. Allein schon die Definitition eines Volkes ist unklar. Ab wann kann man von einem Volk reden? Gemeinsame Geschichte, gemeinsame Sprache (ab wann kann man von einer eigenen Sprache sprechen?), Kultur, Gebiet ...? Ist Bayrisch eine eigene Sprache oder ein Dialekt und was ist der Unterschied? Gehört es zur Gruppe der Deutschen Sprachen? Sind sogesehen die Österreicher wirklich ein eigenes Volk? Oder ist vielmehr der Gebietsanspruch und die Geschichte, die Homogenität der Gruppe entscheidend? Gäbe es dann das Volk der Frankfurter am Main, oder das Volk der Hamburger? Wäre ein "Bayrisches Volk" so homogen und sprachlich distinkt, trotz all der Zugezogenen, oder deffinierte es sich nur durch seine Geschichte und das Landesgebiet?
Und inwieweit ist ein Sezessionsrecht überhaupt Teil des Selbstbestimmungsrechtes der Völker? Und wie weit wird daraus eine gewisse Autonomie für sich beansprucht? Was beinhaltet diese Autonomie? Versteht sie darunter das Recht auf Sprache und Brauchtum, oder geht sie gar soweit bis hin zur politischen Eigenstaatlichkeit? Was ist denn dann mit den Franken? Und den Münchnern? ...
Kann man in Zeiten der Globalisierung überhaupt noch von Völkern sprechen? In Zeiten der modernen Kommunikation von Landeszugehörigkeiten? Sind wir Münchner, Bayern, Deutsche, EU-Bürger, Europäer oder Weltbürger?
Ab wann bin ich Deutscher, ab wann Bayer? Muss ich hier gebohren sein, muß ich weiße Haut haben, muß ich Deutsch oder einen deutschen Dialekt (Bayrisch sprechen), muß ich hier wohnhaft und gemeldet sein, reicht ein Ausweis für die Staatsangehörigkeit, muß ich katholisch sein und Knödeln essen? Genug Volksmusik und Regionalgeschichte gehört haben?
Wenn ich in Bayern wohne, aber nicht dort her stamme, habe ich dann überhaupt das Recht bei einer solchen "Volksabstimmung" mitzumachen oder werde ich ausgeschlossen?
Von Kant über Comenius bis zur franz. Revolution und der amerik. Unabhängigkeit.
In der UN-Charta steht: Auszug aus der UN-Charta Art. 1 Nr. 2 «Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele: [...] 2. freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung zwischen den Völkern beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Massnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen; [...]» Art. 55 «Um jenen Zustand der Stabilität und Wohlfahrt herbeizuführen, der erforderlich ist, damit zwischen den Nationen friedliche und freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen herrschen, fördern die Vereinten Nationen: a) die Verbesserung des Lebensstandards, die Vollbeschäftigung und die Voraussetzungen für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und Aufstieg; b) die Lösung internationaler Probleme wirtschaftlicher, sozialer, gesundheitlicher und verwandter Art sowie die internationale Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur und der Erziehung; c) die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion.» Art. 56 «Alle Mitgliedstaaten verpflichten sich, gemeinsam und jeder für sich mit der Organisation zusammenzuarbeiten, um die in Art. 55 dargelegten Ziele zu erreichen [...].»
1989 Kritisierte z.B. Ralf Dahrendorf: „Es gibt kein Recht der Armenier, unter Armeniern zu leben. Es gibt aber ein Recht für armenische Bürger ihres Gemeinwesens, Gleiche unter Gleichen zu sein, nicht benachteiligt zu werden, ja auch ihre eigene Sprache und Kultur zu pflegen. Das sind Bürgerrechte, Rechte der Einzelnen gegen jede Vormacht. Das sogenannte Selbstbestimmungsrecht hat unter anderem als Alibi für Homogenität gedient, und Homogenität heißt immer die Ausweisung oder Unterdrückung von Minderheiten.“
Nur wenn der Staat die nach Autonomie oder gar einem eigenen Staat strebende Minderheit durch seine Herrschaftsausübung diskriminiert, kann er seinen Anspruch auf territoriale Integrität nach dem gegenwärtigen Völkerrecht verwirken. Bis heute betrachtet das Völkerrecht weder die externe Selbstbestimmung noch die Autonomie als zwingend. Auch aus der Staatenpraxis ist kein Sezessionsrecht abzuleiten.
Nach Karl Doehring hat das Selbstbestimmungsrecht den Charakter eines Notwehrrechts: wenn eine ethnische Gruppe in fundamentaler Weise diskriminiert werde und zwar gerade aufgrund ihrer Gruppeneigenschaften, dann habe sie ein Recht auf Sezession. Es muss aber im Einzelfall genau geprüft werden, ob eine evidente und fundamentale Verletzung von Menschenrechten vorliegt und ob der Minderheit politische und rechtliche Möglichkeiten eingeräumt werden, um eigene Interessen zu vertreten oder sich notfalls gegen Benachteiligung zur Wehr setzen zu können. Es muss entschieden werden, ob eine so erhebliche Beeinträchtigung des diskriminierten Volkes vorliegt, die es rechtfertigt, das Selbstbestimmungsrecht des Staates teilweise einzuschränken. Der Staat hat durch seine Staatsgewalt also „das ganze [Staats-]Volk zu repräsentieren“. Werden einzelne Volksgruppen „per Definition von der Teilhabe am staatlichen Leben ausgeschlossen“, dann erst verwirkt der Staat die Treuepflicht seiner Bürger.