Auf die Frage, warum Russland gemessen an der Größe des Landes so wenig Einwohner hat, gibt es keine einfache Antwort. Fehlende Siedlungsfläche aufgrund des Klimas ist aber keine hinreichende Begründung. Denn der europäische Teil, der klimatisch günstig liegt, ist mit den Millionenmetropolen Petersburg im Norden und Wolgograd im Süden zehn Mal so groß wie Deutschland.

Die wesentlichen Gründe, dass die Bevölkerung Russlands so niedrig ist, sind einerseits die Folgen des 1. und des 2. Weltkrieges. Im ersten Weltkrieg starben rund zwei Millionen Russen, anschließend in der Oktoberrevolution noch einmal acht bis zehn Millionen. Im zweiten Weltkrieg starben im Krieg mit Deutschland und seinen Verbündeten nach Schätzungen über 20 Millionen Bürger der Sowjetunion - viele davon Russen. Nach dem Krieg gab es die "stalinistischen Säuberungen", bei denen nach Schätzungen von Historikern mindestens 3 Millionen bis weit über 20 Millionen Sowjetbürger umgebracht wurden. So ein Bevölkerungsverlust hat auf Jahrzehnte hin Auswirkungen und bremst das Bevölkerungswachstum enorm.

Der zweite wesentliche Grund ist die verspätete Industrialisierung. Die Industrialisierung, die in den europäischen Staaten ein enormes Bevölkerungswachstum hervorgerufen hat, setzte in Russland erst sehr spät ein. Noch bis in die 1920er-Jahre war Russland hauptsächlich ein Agrarstaa. In den westlichen europäischen Staaten erfolgte die Industrialisierung bereits ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und hauptsächlich durch die Privatwirtschaft. Die Industrielle Revolution führte zu einer stark beschleunigten Entwicklung von Technik, Produktivität und Wissenschaften, die zu einer starken Bevölkerungszunahme führte, aber auch zu großen sozialen Missständen. In Russland/der Sowjetunion hingegen wurde die Industrialisierung staatlich organisiert und war sehr ineffizient. So kam es in den Jahren 1933 und 1934 zu einer massiven Hungersnot in der Sowjetunion, in der wiederum nach Schätzungen von Historikern rund 14 Millionen Menschen starben.

Und der dritte wesentliche Punkt ist die schlechte Wirtschafts- und Sozialpolitik nach dem 2. Weltkrieg. Die Sowjetunion gab im Wettrüsten mit den USA einen großen Teil seines BIP für die Rüstung aus. Das Geld fehlte wiederum in anderen Bereichen wie Infrastruktur. Zudem war die Wirtschaft staatlich gelenkt und sehr ineffizient. Außerdem schottete sich die Sowjetunion nach außen ab und somit auch von ausländischen Investoren. Zum Vergleich muss man nur nach China schauen, wo durch eine strategische Wirtschaftspolitik und zunehmende Öffnung des Marktes für ausländische Investoren in den letzten Jahrzehnten Hunderte Millionen von Chinesen von der Armut in Mittelstand aufgestiegen sind und sich die Bevölkerung in den vergangenen 50 Jahren verdoppelt hat.

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