Hallo Emilia,
diese Fragen stelle ich mir auch.
Ich denke das kann verschiedene Ursachen haben. Ich denke wie der Mensch sozialisiert worden ist kann eine Rolle spielen.
Und wenn Deine Eltern von ihren Eltern auch so behandelt worden sind, stellt sich die Frage, ob sie sich im Laufe des Lebens für ein anderes Verhalten entschieden haben (bzw. das konnten) oder das gleiche dann mit ihren Kindern, Dir, machen.
Ich persönlich finde Deine Großzügigkeit und Dein Vertrauen in andere Menschen sehr stark. Für mich ist das ein gesunder Umgang unter Menschen.
Leider wird uns in unserer kapitalistisch orientierten Gesellschaft oft erzählt, dass wir immer auch etwas, wie im einem Tausch bekommen müssen, wenn wir etwas geben und das "Geiz geil" ist 🤢 Und dieses Verhalten hat für mich innerhalb einer Familie schon mal gar nichts verloren. Das ist in meinen Augen einfach nur krankhaft. Es gibt dazu in dem Buch "Eltern und Kinder" von Jorge Bucay einen Absatz, den ich Dir ans Ende dieses Textes hier kopiere.
Für mich habe ich festgestellt dass es einen Punkt gibt, bis zu dem ich bereit bin, einem geizigen Menschen zu versuchen zu erklären, dass ich mir einen anderen Umgang wünsche und dann soll es auch irgendwann gut sein. Ich sehe da auch eine eigene Verantwortung bei diesen Menschen.
Und ich finde die persönliche Würde von Menschen wie Dir und mir dabei wichtig und diese kann im Umgang mit diesen Menschen sehr leiden.
(Geizige) Menschen können leider "sehr gut" darin sein, sich selbst zu betrügen und so kenne ich es, dass geizige Menschen auch versuchen andere mit ihrem Geld dazu zu zwingen, ihnen Gesellschaft zu leisten. Sie meinen sie könnten sich Liebe durch Zwang und Kontrolle kaufen. Das ist sehr traurig und erbärmlich. Und im Kern bin ich mir sicher, wissen diese Menschen selbst, dass sie sich selbst damit belügen.
Ich glaube ein Mensch kann seinen Geiz überwinden, wenn er wirklich grundlegend versteht, dass ihn sein Verhalten letztendlich sehr einsam macht und dass umgekehrt, anderen bedingungslos zu geben, für einen selbst sehr bereichernd sein kann. Es bedeutet auch lieben zu können, Liebe geben zu können ohne etwas dafür zu erwarten - und das ist für mich wahre Liebe. Wer das kann erfährt auch selbst dabei wahre Liebe, einfach aus sich selbst heraus. Vielleicht kennst Du dieses Gefühl.
Und bei Dir habe ich den Eindruck, dass Du das hast 😊 Und ich kann mir vorstellen, abgesehen von Deinen Eltern, die nur zwei Personen von sieben Milliarden auf diesem Planeten sind, gibt es viele Menschen, die das aufrichtig an Dir schätzen. Einfach menschlich.
Liebe Grüße, ich wünsche Dir Kraft und alles Gute, Johannes
Text Ausschnitt:
(...) Diese Eltern leben in der Illusion, dass die Beziehung zu ihren Kindern ein gegenseitiges Geben und Nehmen sein sollte, und sie sind zutiefst enttäuscht, wenn das, was von der anderen Seite zurückkommt, nicht vergleichbar ist mit dem, was sie gegeben haben. Oder wie sie es anderen gegenüber ausdrücken: ihre Kinder seien undankbar, unfähig, sich für das erkenntlich zu zeigen, was sie bekommen haben.
Diese Eltern vergällen sich nur allzu oft ihre letzten Jahre damit, dass sie auf ein Wort ihrer Kinder warten, das nie kommt. Sie begreifen nicht, dass die Anerkennung, die sie von ihren Kindern erwarten, einer unausgesprochenen Forderung gleichkommt: Das, was die Kinder bekommen haben, sollen sie bitte, wenn auch in anderer Münze, zurückzahlen. Von den Kindern Dankbarkeit zu erwarten ist eine Haltung, die den Wert und die Bedeutung all dessen in Frage stellt, was wir als Eltern geben. Wenn du mir etwas schenkst, sagen wir, ein Paar Schuhe, und du dann mit dem Finger auf mich zeigst, weil ich mich nicht gebührend bedanke, dann werde ich mit Sicherheit versucht sein, dir zu sagen: »Dein Geschenk ist gar kein richtiges Geschenk. Es ist ein Tauschhandel: Schuhe gegen Dankbarkeit. Ein Geschäft, bei dem ich die Schuhe mit meiner Dankbarkeit bezahlen soll.« Das soll keineswegs heißen, dass etwas daran auszusetzen wäre, wenn Kinder ihren Eltern dankbar sind. Ganz im Gegenteil. Aber die Kinder müssen selbst an diesen Punkt kommen, ohne Druck und Erwartungshaltung von Seiten der Eltern, denn damit machen diese alles zunichte, was sie zuvor in mühevoller Arbeit geschaffen haben. Es gibt Eltern, die ihre Kinder in die Rolle von Schuldnern bringen, indem sie Sätze sagen wie: »Wenn du mal ausziehst, kannst du machen, was du willst, aber solange du …«, »Wenn ich die ganze Miete zusammenrechne, die du mir für all die Jahre zahlen müsstest …«, »Bei dem vielen Geld, das ich für deine Uni ausgebe, könntest du wenigstens anständig studieren« oder »Wir haben doch alles für dich getan …«. Das hat Folgen für die Kinder, denn ihnen bleiben nur zwei Möglichkeiten, die beide nicht gut sind. Entweder versuchen sie, der Schuld gerecht zu werden, in der sie bei ihren Eltern stehen, und werden zu Mustersöhnen und -töchtern, die alles tun, was man von ihnen erwartet, und dafür ihre eigenen Wünsche und Ziele zurückstecken. Oder sie versuchen, keine weiteren Schulden anzuhäufen, indem sie alles zurückweisen, was man ihnen anbietet (»Ich will nichts von dir, wenn du später alles aufrechnest.«). Unnötig zu sagen, dass beide Wege keine Bereicherung für ihr künftiges Leben sind. (...)
Es heißt, was man den eigenen Eltern verdankt, gibt man nicht ihnen zurück, sondern den eigenen Kindern.
Ich würde ehrlich gesagt diese Schuldsache am liebsten ganz streichen. Alles, was ich von meinen Eltern mitbekommen habe (und das war nicht wenig), haben sie aus freien Stücken gegeben. Deshalb habe ich nicht das Gefühl, in ihrer Schuld zu stehen, auch wenn ich ihnen sehr wohl dankbar bin. Genauso würde ich nicht wollen, dass meine Kinder das Gefühl haben, mir etwas schuldig zu sein. Nicht einmal dann, wenn es letztendlich ihren eigenen Kindern zugutekommt. Wenn sie so weit sind, bedingungslos zu lieben, dann sollen sie das aus eigenem Antrieb und mit Freude tun (und die ist groß!) und nicht aus einer unterschwelligen, rückwirkenden Dankbarkeit heraus.