Erst mal ist ein Panzer in heutigen battlefield-Szenarien hoch gefährdet, wie man an den shr hohen Panzer-Verlusten der russischen Armee im Ukrainekrieg deutlich sieht.
Russische Panzer haben sicherlich Schwächen, was ihre elektronische Ausrüstung und Zieleinrichtungen betrifft, aber keineswegs minderwertig, zumindest was die Qualität ihrer Panzerstähle angeht.
Die Panzer-Verluste zeigen daher, in welchem Zielkonflikt die Panzerung heute steht:
- hoher thermischer Widerstand gegenüber Hohlladungsgeschossen
- hohe Zähigkeit gegenüber der Wirkung von Explosivgeschossen Austenitischer nichtrostender Chrom-Nickel-Edelstahl 18.8 oder 18.9 besitzt eine sehr hohe Zähigkeit, wäre daher potentiell geeignet, wird in der Praxis aber nicht verwendet, möglicherweise wegen der sehr hohen Kosten.
- hohe Härte gegenüber panzerbrechenden Vollmantel-Geschossen durch herkömmlich durch Erhitzen/Abschrecken martensitisch umgewandelten Stahl:
Was ist Panzerstahl? - Swebor - Swebor
"Der Wärmebehandlungsprozess besteht in der Regel aus dem Härten und – je nach Güte – manchmal auch aus dem Anlassen. Beim Härten wird der Stahl auf eine Temperatur erhitzt, bei der die kubischen Eisenkristalle ihre Form als ferritische (raumzentrierte) Struktur bei Raumtemperatur in ihre Form als austenitische (flächenzentrierte) Struktur bei hoher Temperatur verändern. Diese Temperatur liegt abhängig vom Legierungsgehalt und der verwendeten Ausrüstung normalerweise zwischen 700 und 900 Grad Celsius.
Sobald der Stahl den austenitischen Zustand erreicht hat, wird er abgeschreckt, d. h. der Stahl wird schnell auf nahezu Raumtemperatur abgekühlt. Diese schnelle Abkühlung bewirkt eine erstarrte Festkörperlösung von Kohlenstoffatomen in der Eisenmatrix und die Bildung von verzerrten, ferritischen, kubischen Kristallen, welche eine sehr hohe Festigkeit erzeugen. Diese verzerrte, kubische Version der Eisenkristalle wird als Martensit bezeichnet – daher auch der Name „martensitischer Panzerstahl“.
Alle drei Eigenschaften unter einen Hut zu bringen gelingt mit nur einem Werkstoff nicht, sondern nur mit einer Kombination aus verschiedenen Werkstoffen und Panzerungen, z.B. mit aktiver Panzerung die besonders bei Hohlladungsgeschossen Wirkung zeigt:
Reaktivpanzerung – Wikipedia
"Die Reaktivpanzerung wird in Form von Kacheln auf die passive Stahl- oder Verbundpanzerung aufgelegt. Sie besteht aus einer Schicht Sprengstoff, die wiederum mit einer Metallplatte abgedeckt ist. Trifft ein Projektil auf die Reaktivpanzerung, explodiert die Sprengstoffschicht und schleudert die Metallplatte dem Projektil entgegen. Die Wirkung der Granate wird dadurch wenigstens teilweise kompensiert – die restliche Wirkung wird durch die passive Panzerung aufgefangen. Wichtig für eine gute Schutzwirkung ist die Abgrenzung der Kacheln zueinander, so dass bei Beschuss nur die direkt betroffenen Kacheln explodieren. Bis die entsprechenden Kacheln ersetzt sind, ist das betroffene Areal lediglich durch die passive Panzerung geschützt.
Insbesondere Hohlladungen lassen sich mit Reaktivpanzerungen gut abwehren, um den Kumulationsstrahl zu verwirbeln; allerdings wurden sogenannte Tandemhohlladungen entwickelt, um auch Reaktivpanzerungen durchdringen zu können. Gegen Wuchtgeschosse (Hartkerngeschosse) ist die klassische Reaktivpanzerung weitgehend wirkungslos.
Die während der 1980er-Jahre entwickelte Kontakt-5-Reaktivpanzerung soll gleichwohl gegen Hohlladungs-Granaten und Wuchtgeschosse (sog. KE-Penetratoren, KE = kinetische Energie) wirksam sein. Gemäß Hersteller kann Kontakt-5 die Penetrationsenergie eines APFSDS-Penetrators um bis zu 38 % senken."
Der größte Nachteil der martensitisch gehärteten Panzerstähle ist, dass mit der Härte auch ihre Sprödigkeit drastisch zunimmt, d.h. ihre Zähigkeit bei Verformung durch die Wirkung hochexplosiver Waffen wie Panzerabwehrraketen oder Panzerminen stark vermindert ist.
Für die besonders durch Panzerminen gefährdete Unterseite der Wanne des Panzers wird daher explosionsbeständiger Stahl mit geringerem Kohlenstoffgehalt und entsprechend viel geringerer Härte, aber sehr hoher Zähigkeit benutzt:
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Explosionsbeständiger Sicherheitsstahl
Explosionsbeständige Sicherheitsstähle liegen im Bereich von 370–460 Brinell. Sie sind speziell zum Schutz vor hochenergetischen Stößen und Stoßwellen durch Minen, improvisierte Sprengfallen (IED, improvised explosive devices) und sogar Granaten konzipiert. Die meisten heutzutage verwendeten explosionsbeständigen Sicherheitsstähle haben eine Härte von 440 Brinell, wodurch eine gute Mischung aus Härte und Zähigkeit geboten wird.
Explosionsbeständiger Stahl muss sehr zäh sein, um eine möglichst hohe Menge der Explosionsenergie zu absorbieren. Die Durchführung realistischer Explosionstests ist jedoch schwierig. Deshalb werden Tests zur Prüfung der Materialschlagzähigkeit üblicherweise bei –40 Grad Celsius durchgeführt, um explosionsbeständige Stähle zu testen und zu vergleichen. Diese Stähle fallen größtenteils unter die Schutzklassen gemäß dem NATO-Standardisierungsübereinkommen STANAG 4569. Der Kohlenstoffgehalt variiert zwischen 0,12 und 0,24 %.
Explosionsbeständige Stähle werden in der Regel für den Boden bzw. Rumpf von gepanzerten Fahrzeugen eingesetzt. Um bei einem Fahrzeug den höchstmöglichen Grad an Schutz und Unversehrtheit zu gewährleisten, wird der Rumpf- oder Bodenbereich aus einem ganzen Stück einer sehr breiten Platte gefertigt. Das Biegen dieser Platten erfolgt in starken und langen Pressen (vorzugsweise 800 Tonnen oder mehr), wodurch sie in vielen Fällen bis zu sechs Meter länger werden. Der Rumpf wird meist in einer „V-Form“ gefertigt, denn durch diese spezielle Form können Detonationskräfte unter dem Fahrzeug umgeleitet werden.
Bauteile von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen wie die Bodenplatte werden teils aus einem Stück gefertigt, der Turm beispielsweise gegossen werden.
Trotzdem sind bei unterschiedlichen Strukturen Schweißnähte unumgänglich. Die Werkstoffauswahl ist daher nicht ausschließlich von dessen Widerstandsfähigkeit abhängig, sondern auch von der Verarbeitbarkeit, d.h. Schweißbarkeit des Stahls.
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Ballistischer Sicherheitsstahl
Baustahl
Für den Ladebereich eines Fahrzeugs wird in der Regel Baustahl verwendet. Das liegt daran, dass der Stahl nicht nur biegsam und schweißbar sein muss, sondern auch die höchste Widerstandsfähigkeit gegenüber zyklischer Beanspruchung und Ermüdung aufweisen muss. Alle explosionsbeständigen Stähle und Stahlgüten mit einer Härte von 500 und 550 Brinell sollten für „Baustahl“-Anwendungen geeignet sein. Geringwertige Marken und Stahlsorten werden von Fahrzeugherstellern sofort anhand der Verarbeitungsmerkmale und Gebrauchstauglichkeit erkannt. Hierbei ist vor allem die Bildung von Rissen, die Unfähigkeit zum Biegen/Verformen und die begrenzte Schweißbarkeit zu nennen – das sind alles Eigenschaften, die für geringwertigen Stahl charakteristisch sind und vermieden werden sollten.
High Hardness Armour (HHA) – Panzerstahl mit einer Härte von 500 Brinell (HB477-540)
HHA-Stahl ist der weltweit am häufigsten verwendete Panzerstahl. Seine Eigenschaften wurden ursprünglich in der US-amerikanischen Militärnorm MIL-DTL-46100 bestimmt.
HHA-Stahl muss biegsam und schweißbar sein und darf keine Anfälligkeit für Ermüdung aufweisen. Diese Art von Stahl wird in der Regel als tragfähiger Baustahl eingesetzt. Der Kohlenstoffgehalt von HHA-Stahl beträgt normalerweise etwa 0,27 %. Grundsätzlich muss dieser Stahl eine Dicke von 6,5 mm aufweisen, um eine SS109-Patrone mit dem NATO-Standardkaliber 5,56 mm abzuwehren.
Very High Hardness (VHH) Armour – Panzerstahl mit einer Härte von 550 Brinell (HB530-590)
Diese Stahlsorte entspricht im Prinzip einem 500er-Stahl, jedoch mit einem etwas höheren Kohlenstoffgehalt (etwa 0,31 %). HHA-Stahl muss biegsam und schweißbar sein und darf keine Anfälligkeit für Ermüdung aufweisen.
Grundsätzlich muss dieser Stahl eine Dicke von 5,5 mm aufweisen, um eine SS109-Patrone mit dem NATO-Standardkaliber 5,56 mm abzuwehren.
„Zusatzstahl“
Wie der Name schon sagt, ist Zusatzstahl eine Art von Stahl, die auf bestehende Elemente/Konstruktionen zusätzlich aufgesetzt wird. Zusatzstahl wird häufig als verschraubte Lösung in Form von einer „Schottpanzerung“ angeboten.
Ultra High Hardness (UHH) Armour – Panzerstahl mit einer Härte von 600 Brinell (HB580-640)
Panzerstahl mit einer Härte von 600 Brinell wird von so manchen Anwendern noch immer als recht exotisch angesehen. Kaum ein Stahllieferant empfiehlt 600er-Stahl als Baumaterial, auch wenn heute viele Kunden in der Tat tragende Elemente/Konstruktionen aus diesen Stahlsorten herstellen.
In Verbindung mit den jüngsten Fortschritten in der Stahlherstellung und der dank Forschung und Entwicklung erreichten Verfeinerung der chemischen Zusammensetzungen sollten Stahlsorten mit 600 Brinell biegsam und allgemein einsetzbar sein, ohne bei der Verwendung sofort zu reißen.
Im Gegensatz zu HHA- und VHH-Güten variieren die chemischen Zusammensetzungen von UHH-Stahl zwischen den verschiedenen Herstellern stärker, da jeder Hersteller in dem Bestreben, verschiedene mechanische Eigenschaften zu erzielen, einen anderen Ansatz verfolgt.
Grundsätzlich muss dieser Stahl eine Dicke von 5,0 mm aufweisen, um eine SS109-Patrone mit dem NATO-Standardkaliber 5,56 mm abzuwehren.
Extreme High Hardness (XHH) Armour – Panzerstahl mit einer Härte von 650 Brinell (HB630-700)
XHH-Panzerstahl gilt heutzutage als selten und exotisch. XHH-Panzerstahl wird nicht von allen Stahlunternehmen hergestellt und wird derzeit nur für die Verwendung als Zusatzstahl produziert. Das Biegen und Schweißen ist bis zu einem gewissen Grad möglich, wird in der Regel jedoch nicht empfohlen. XHH-Stahl bricht relativ schnell und verhält sich diesbezüglich ähnlich wie Keramikwerkstoffe.
Sonderform Perforierte Panzerung
Die perforierte Panzerung ist in gewisser Weise mit der Schottpanzerung vergleichbar, jedoch besteht hier die vordere Schicht aus einer oder mehreren Platten mit Löchern (Perforationen). Die Löcher sind in einem gleichmäßigen Muster angeordnet und sind in der Regel kleiner als das Kaliber der Munition, vor der sie Schutz bieten sollen.
Bei der perforierten Panzerung kommt ein Mechanismus zum Einsatz, durch den das Geschoss gestört und verdreht wird, sodass die panzerbrechende Durchschlagskraft reduziert wird. Die Herstellung der Perforationen kann kostspielig sein, da sie entweder vor dem Härten der Panzerung durchgeführt werden muss oder, falls sie nach dem Härten erfolgt, so ausgeführt muss, dass das Material nicht erhitzt und die Härte nicht zerstört wird.
Vor dem Härten können die Perforationen durch Laserschneiden oder Stanzen hergestellt werden, doch nur wenige Hersteller sind dazu in der Lage und können den Stahl anschließend erfolgreich härten. Bohren und Laserschneiden ist zwar möglich, aber da es sich hierbei um tausende Löcher handelt, kann dies ein langsamer und kostenintensiver Prozess sein.
Nach dem Härten stehen auch das Bohren und Wasserstrahlschneiden als Möglichkeiten zur Verfügung. Beide Methoden sind jedoch zeitaufwendig und aufgrund der Anzahl der erforderlichen Löcher kostspielig.
Ein häufiges Anwendungsbeispiel für perforierte Panzerung ist Schutz vor dem Kaliber 7,62 x 54 mm AP (Dragunow). Anstatt eines massiven 16-mm-Panzerstahls mit einer Härte von 500 Brinell kann 6,5 -mm-Panzerstahl vom Typ 500 Brinell in Kombination mit perforiertem 4,0-mm-Panzerstahl mit einer Härte von 600 Brinell verwendet werden. Durch diese Lösung kann eine Gewichtseinsparung von mehr als 40 Prozent erzielt werden.