Ich hoffe, dass du es bis heute nicht rausfinden konntest.

Mein Vater ist vor 5 Jahren verstorben, in Folge eines Unfalls. Ich war damals Anfang 20.

Einen Tag vor seinem Tod, war es für mich vorerst der schlimmste Tag. Man hat mich telefonisch informiert, dass es nicht gut aussieht und er einen Herzstillstand nach einer OP hatte. An dem Abend habe ich auf der intensiv Station mich neben sein Bett gesetzt, meinen Kopf auf seinen Arm gelegt und Stunden lang geweint. Es hat mich zerrissen. Ich war sauer auf mich, weil ich die Situation nicht begreifen wollte. Es hat mich innerlich zerrissen, gefühlt Wort wörtlich, mein Körper schmerzte, weil ich so angespannt war.

Am Tag danach hatte ich ein ungutes Gefühl, ich habe meine Mutter (sie waren damals frisch geschieden, aber noch befreundet) gebeten, mich zu begleiten. Ich musste es Gott sei Dank nicht aussprechen, dass das ein Abschied für sie sein sollte. Der Gedanke bereitet mir Kopfschmerzen, aber emotional war ich abgestumpfter als am Tag zu vor.

An dem Tag starb mein Vater. Eine Stunde nach meinem eintreffen, vor meinen Augen. Mein Kopf war leer in dem Moment. Da war nichts, keine Gefühl, kein Schmerz, nichts. Die Ärzte haben versucht ihn zu reanimeren. In der Zeit habe ich nur gedacht "Wie soll ich darauf jetzt reagieren? Ich fühle nichts und was muss ich jetzt tun? Welche Aufgaben kommen auf mich zu? Muss ich mein Umfeld trösten?" "Warum schauen mich alle so komisch an? Wie muss ich jetzt für sie reagieren?" Später habe ich mich für diese Gedanken geschämt und die fehlende Trauer. Die Luft war einfach raus. Ein tiefer Atemzug und Stille. Ich kam mir vor wie ein Monster.

Die Zeit danach war innerlich recht ruhig. Ich habe To-dos abgearbeitet. Die emotionalen Ausbrüche und Beschimpfungen/Streitigkeiten in der Familie hingenommen (sie waren alle so voller Trauer und Wut durch die trauer). Manchmal gab es im ersten Jahr Momente, wo ich kurz starke Emotionen hat. Ich habe das Telefon ab und an mal quer durch den Raum gepeffert, weil die Bank meines Vaters mir das Leben schwer machte, im Auto für ein paar Minuten geweint, aber die Emotion war so schnell wieder weg das ich sie nicht mal begreifen konnte. Man Stand einfach neben sich.

Die Beerdigung war für mich gefühlt nur ein Termin, den ich für andere organisiert habe. Hauptsache sich konnten trauen und es verarbeiten. Die Beerdigung sollte ja immer der Wendepunkt sein. War es für mich nicht.

Und dann an Weihnachten fast ein Jahr später, des neben sich stehen, als die To-Do-Liste abgearbeitet war mit den ganzen Terminen. Schlug es auf mich ein. Ich bekam eine schwere Erkältung (die Anspannung der Monate zogen nicht spurlos vorbei), löste sich auch der Abstand zu meinen Gefühle. Ich war plötzlich am Boden zerstört. Nichts fühlte sich richtig an. Ich hatte keine Zweifel mehr am Broken-Heart-Syndrom. Mein Körper war ein einziger Schmerz über Monate hinweg. Ich hatte das Gefühl ein Faust großes Loch in der Brust zu haben, was ein beklemdes Gefühl ausgelöst hat, wodurch ich nicht richtig atmen konnte. Ich habe schlimmer weinen müssen als meine Mutter beim Film Titanic und nichts ging mehr. Die Gedanken an meinem Vater bereiten mir Schmerzen, als wäre ich von einem Laster überrollt worden. Und nein die Tränen haben nicht den Druck von meinem Körper und Seele genommen. Das war schlimmer als 100x Liebeskummer zur selben Zeit.

Jetzt 5 Jahre später, stoße ich auf deinen Post und ganz ehrlich. Das Gefühl des Lochs in meinem Herzen ist noch da. Es beklemmt mich und ich weine immernoch wie ein Schlosshund. Aber seltener, viel seltener. Mit der Zeit lernt man damit umzugehen, aber anfühlen tut es sich wie an Weihnachten, den ersten Zusammenbruch. 😅

Wenn jemand meinen Vater erwähnt oder die Zeit, fühlt es sich an als würde man mir 1000 Volt durch den Körper jagen und alles bricht wieder auf einen kurz ein, bis man die Fassung wieder aufnehmen kann.

Und bevor die Frage kommt. Ein normaler Alltag war möglich und ist möglich. Freude am Leben existiert weithin, aber der Moment wenn man an ihn kurz denkt. Die schlagen ein wie Granaten, aber das ist okay.

Ich hoffe man versteht ein wenig das Gefühl was hoch kommen kann.

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