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Ich kann verstehen, dass du enttäuscht bist, aber du solltest auch die Eltern verstehen. Es geht hier nicht um dich persönlich, du kannst ein sehr liebenswerter Mensch sein und es hat auch nichts damit zu tun, dass sie dich prinzipiell nicht mögen würden, wenn sie dich kennen würden, sondern es geht einfach nur um das Judentum, seinen Fortbestand. Er ist ihr Sohn, vielleicht sogar der einzige oder ihr einziges Kind und als solches liegen auf diesem viele Hoffnungen. Eine davon ist, dass das Judentum weiterlebt, dass ihre jüdische Familie Bestand hat. So etwas ist sehr wichtig, gerade nach der Shoah. Seine Eltern wünschen sich irgendwann jüdische Enkel, sie möchten die Traditionen und die Geschichte der Familie weitergeben; seine Eltern möchten das Gefühl haben, in ihrer Erziehung nicht versagt zu haben, sondern ein selbstbewusstes jüdisches Kind erzogen zu haben, das sich seiner Rolle und den daran hängenden Werten bewusst ist und irgendwann ein nettes, jüdisches Mädchen heiratet, damit andere Juden nicht darüber tuscheln werden, dass sie ihre Kinder nicht jüdisch genug erzogen haben, sondern denken, dass sie alles richtig gemacht haben. Genau das kannst du ihnen nicht bieten. Das hat mit "konservativ" (was aus jüdischem Fokus übrigens sehr liberal wäre und du vermutlich nicht meinst) nichts zu tun; auch eine sonst überhaupt nicht religiöse Familie hätte ein Problem, wenn der Sohn mit einer nichtjüdischen Freundin käme, nicht, weil sie etwas gegen Nichtjuden haben, sondern weil du als solche ein Faktor bist, der für den Untergang des Judentums sorgt. Diese jüdische Familie stirbt aus, wenn er dich heiraten würde und du würdest ihnen damit keinen Gefallen tun. Es geht dabei auch nicht darum, wie observant oder nicht observant er jetzt lebt, sondern es geht um das Morgen. Ein Jude, der jetzt alles auslebt und sich an nichts hält, kann morgen sehr observant sein oder sogar orthodox werden, wäre er mit dir verheiratet, könnte er das aber nie. Ich hatte früher auch mal einen nichtjüdischen Freund, einfach, weil ich mir dachte, dass es ja "egal" wäre, da ich weiblich bin und unsere Kinder sowieso Juden wären. Ich habe zudem nicht gesehen, zu welchen Problemen es führt und meine Beziehung einige Jahre so durchgezogen. Meine Eltern, speziell meine Mutter, haben meinen Freund "gehasst" und das war für ihn eine schreckliche Situation, denn immer, wenn ich ihn mit nach Hause brachte, verstummten Gespräche, sobald er den Raum betrat. Ich glaube, für meine Mutter war es ein wenig so, als hätte er mich "gestohlen" und so hat sie ihn dann auch behandelt. Ganz unabhängig davon ging die Beziehung aber nach mehreren Jahren in die Brüche und zwar wegen dem Judentum. Mir wurde mein Judentum nämlich irgenwann wichtig. Ich wollte irgendwann eine koschere Küche und das führte fast täglich zu streit, weil er milchig und fleischig mischte, weil er Schweinefleisch im Kühlschrank deponierte oder in die Pfanne haute, die ich dann hinterher wegwerfen musste, da sich Teflon nicht kaschern lässt. Und ich wollte irgendwann auch nicht mehr auf Feiertage verzichten, mir wurde es wichtig, z.B. Pessach zu feiern - wie aber erklärt man einem Nichtjuden, dass er für eine Woche auf jegliches Chametz verzichten muss? Das funktioniert einfach nicht. Am Jom Kippur essen und trinken wir von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang nichts; sowas lässt sich nicht durchhalten, wenn jemand zu Hause sitzt, der am Brötchen nagt und führt dazu, dass man den ganzen Tag in der Synagoge verbringt und nicht nach Hause kommt, weil man es sonst nicht durchhält. Dann Riten und Bräuche zu sämtlichen Feiertagen - wenn der andere sie nicht kennt, wenn der andere die Lieder nicht kennt, wenn man den anderen nie mit in die Synagoge nehmen kann, weil dann alle tuscheln werden und weil es einem selbst unangenehm ist, wenn jeder sofort merkt, dass man da einen Nichtjuden im Schlepptau hat, der sich nicht auskennt, dann ist das auf Dauer sehr unschön und auch belastend. Mein Exfreund fing dann irgendwann an, mich "die Elite" zu nennen, weil er sich zurückgesetzt und als minderwertig empfand und wir stritten immer öfter über jüdische/nichtjüdische Angelegenheiten. Letztendlich habe ich mich dann getrennt, weil ich selbst festgestellt habe, dass eine ernste Beziehung mit einem Nichtjuden einfach nicht auf Dauer funktioniert. Das hatte aber nichts damit zu tun, dass er kein toller Mensch gewesen wäre und wir haben heute noch sehr engen Kontakt und er ist für mich ein enger Freund, aber als Beziehung geht es eben nicht. Mein jetziger Freund ist Jude und ich merke, dass einfach alles passt und ich habe noch nie zuvor eine so erfüllende und wundervolle Beziehung geführt - vielleicht, weil meine Exfreunde immer Nichtjuden waren und es einfach nicht passte. Ich denke, langfristig löst du das Problem nur, indem du dich trennst und dir jemanden suchst, der ganz passt und der gleichen Kultur angehört wie du. Alles andere ist problematisch und wird immer wieder zu Problemen führen.