Ja

und nein. Wenn ich entscheiden könnte, heute eine neue DDR mit Stasi und so weiter zu installieren, würde ich natürlich nein sagen, aber wenn ich zurück könnte, würde ich glaube ich ja sagen. In der DDR war die groteske Ideologie institutionalisiert und von der allgemeinen Bevölkerung, solange sie ihr Leben leben konnte nicht ernst genommen. Heute ist die groteske Ideologie nicht mehr institutionalisiert, sondern in den Köpfen der allgemeinen Bevölkerung verankert. Das finde ich viel schlimmer. Wäre der Sozialismus mit seinen unmenschlichen Auswüchsen so von der Allgemeinheit der DDR euphorisch verteidigt worden, wie heute der auch menschlich zerstörerische Kapitalismus von der Allgemeinheit der Konsumbürger gefeiert wird, ware es in der DDR der Tat ausschließlich schrecklich gewesen. 

Wie sehr die Feier der Konsumwelt zum Paradigma und zur unreflektierten Ideologie in den Köpfen der Menschen geworden ist, sieht man daran, wie normativ über diese Frage gesprochen wird, für wie politisch inkorrekt diese Frage gilt, was für dumme Nein-Kommentare hier Beifall finden.

Dass es mit dem autonomen Denken von menschlichen Individuen und damit auch mit ihrem Urteil über Manches nicht so weit her ist, wie man glauben möchte, kann man daran erkennen, wie sich doch im Durchschnitt die Menschen in Ost und West charakterlich unterschieden haben. Dass man im Osten mehr bodenständige, weniger narzisstische, zynische Menschen findet und im Westen signifikannt mehr davon, hat damit zu tun, dass sich ihre Charakterbildung nicht autonom gegenüber ihrem politischen
System abgespielt hat. 

Natürlich ist der Konsumbürger indoktriniert, auch beim Nachdenken über diese Frage. Der Konsum ist ein ungeheures Brot und Spiele-Programm und Opium fürs Volk. Dabei verlernt man zu sehen, wie die Welt, die Natur verstopft wird mit lärmender steriler Konsuminfrastruktur. Wenn es möglich wäre, soziologische Langzeitstudien durchzuführen, was für Persönlichkeitsemerkmale durch die Sozialisierung mit amerikanischen Serien und Facebook gezüchtet werden, würde man extrem erschrecken.

Der Sinn für kulturellen und menschlichen Wert geht im monetären
Denkmodus verloren, damit auch Moral, das "Gute" wird zum Lächerlichen.

Ich finde das in der tat etwas katastrophal und vor diesem Hintergrund ist es nicht angemessen, normativ etwas zu verteufeln, dessen Reize zu erkennen man verlernt hat. Reize im Zusammenleben, Reize nicht mit steriler Infrastruktur, Plastikfassaden, Krimskrams, Graffitis, Autos und Werbung verstopfter Stadtbilder, in denen Natur und Stille präsent waren. 

Stasi Täterschaft kann man gar nicht dem verursachten Leid gegenüber angemessen hart genug verurteilen. Denen lässt sich juristisch/sozial nun aber wenigstens etwas besser beikommen bzw. ihr Unrecht konkreter festmachen, als bei den unzähligen heutigen Kapitalismus-Psychopathen, die Leid im Rahmen von Recht und Gesetz verbreiten und mit Geld und Anerkennung als mediankompatible coole Harte Hunde belohnt werden.