Als Medizinstudentin mit praktischer Erfahrung im In- und Ausland muss ich leider feststellen, dass die Gesundheitssysteme überall ziemlich verkorkst sind..
Die Ausbildung in Deutschland ist schon in Ordnung. An fast allen Unis in Deutschland braucht es allerdings nicht viel zum Bestehen der Prüfungen. Auch die Staatsexamen sind nicht die große Hürde. Die Fülle an (teilweise) unnützen Fakten ist leider immens. ABER: die Lehrveranstaltungen meiner Uni sind größtenteils auf sehr hohem Niveau und insbesondere in den Praktika lernt man wirklich viel und viele meiner Komiliton*Innen sind wirklich intelligente, motivierte und engagierte Menschen. Medizin ist eine Kunst und muss erlernt werden, dafür braucht es viele praktische Erfahrungen.
Mit Ärztinnen und Ärzten in der Klinik habe ich größtenteils gute Erfahrungen gemacht. Ein Großteil brennt wirklich für seine Patient*Innen. Hier war ich besonders bei einem Praktikum in einem kleineren Haus überrascht, dass auch aktuelle Therapiekonzepte umgesetzt wurden und die Behandlungsqualität mit meiner Uniklinik mithalten konnte - bei wesentlich mehr Menschlichkeit. Ähnlich ging es mir in der Praxis einer Kardiologin. Gleichzeitig kenne ich auch eine Frauenärztin, die die Probleme Ihrer Patientinnen abtut und nicht ernst nimmt. Ich kenne auch viele ältere Hausärzte, die die aktuelle Studienlage verfolgen und sich auch mit den noch weniger verbreiteten und noch experimentellen Therapiekonzepten auskennen. Man sollte sicher nicht jeder Ärztin und jedem Arzt vertrauen, aber man sollte ihnen auch nicht grundsätzlich misstrauen.
In meinem Auslandssemester habe ich das deutsche Gesundheitssystem vermisst. Die Studierenden haben komplett alleine die Patient*Innen aufgenommen, Wunden genäht, gegipst,... und das ohne mehr Plan davon zu haben, als ich (bzw. ich sollte die selben Aufgaben übernehmen, und nur auf nachfrage schaute ein Arzt/eine Ärztin oder andere/r Student*Indrüber, bevor ich es eigenständig machte) - es fühlte sich unverantwortlich an. Zudem hatten in dem Land, in dem ich war, viele Patient*Innen keinen Hausarzt, was meinen Einsatz in der Notaufnahme wirklich zäh machte.
Ich war mir eine zeitlang sehr sicher, dass ich nicht im deutschen System arbeiten möchte. Allerdings hatten die weiteren Länder, mit denen ich mich beschäftigt habe, alle samt gravierende Schwachstellen, so dass ich bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Alternative gefunden habe ;)