Aufgeheizte Stimmung und immer mehr Gewalttaten

Was muss nach den Angriffen auf diverse Politiker unternommen werden?

Die politische Stimmung im Land wird kurz vor den Europawahlen hitziger. Das lässt sich beispielsweise an (medialen) Debatten sehen, doch nicht alle Folgen dieser Stimmung sind akzeptabel. Besonders in den letzten Wochen scheinen sich Angriffe auf Politiker zu häufen - jüngst wurde ein SPD-Politiker krankenhausreif geschlagen. In unserer Meinung des Tages haben wir gefragt, welche Konsequenzen folgen müssen.

gutefrage-Redaktion
7.5.2024
Faust

Immer mehr Angriffe - zwei Parteien 2023 besonders im Fokus

In den sozialen Medien verbreiten sich Nachrichten schneller denn je. Irgendwer ist vor Ort, filmt etwas, hört etwas, teilt es - und schon kursiert die Nachricht im Netz. Der Endnutzer scrollt und liest und liest. Manchmal fällt es schwer, zu beurteilen, ob die Ereignisse tatsächlich zunehmen oder nur die Berichterstattung immer schneller wird.

Doch fest steht: In den letzten Tagen gab es vermehrt Berichte über Angriffe, die sich gegen Politiker richteten.

Betrachtet man die vorläufigen Zahlen für das Jahr 2023 so wird deutlich: Attacken auf Politiker sind auch in Deutschland keine Seltenheit.

Zwei Parteien stechen dabei jedoch besonders heraus: Besonders gegen die AfD und das Bündnis 90/Die Grünen erfolgten überdurchschnittlich viele Delikte. Am wenigsten betroffen im Jahr 2023 waren "Die Linke".

Tendenziell lässt sich eine kontinuierliche Zunahme der Delikte erkennen. 2023 gab es sogar mehr Angriffe als im Wahl- und Pandemiejahr 2021.

Die genaue Aufstellung der Delikte sowie die Fallzahlen stellt der Deutsche Bundestag hier zur Verfügung.

Die Ereignisse der letzten Tage

In Essen wurden vor wenigen Tagen zwei Politiker, die dem Bündnis 90/Die Grünen, angehören angepöbelt und tätlich angegriffen. Derzeit gibt es hierzu noch keine Tatverdächtigen.

Auch in Niedersachsen gab es einen Angriff gegenüber einem Politiker: Dieser richtete gegen Holger Kühnlenz, welcher der AfD angehört. Der Angreifer warf zunächst aus einem Boot heraus Eier in Richtung des Politikers, wobei er diesen jedoch nicht traf. Ihn begleitete eine derzeit noch unbekannte Frau. Der inzwischen gefasste 29-Jährige sowie die Frau kehrten etwas später zu Fuß an den Infostand zurück. Erneut warf der Angreifer ein Ei auf den Politiker und traf ihn am Kopf. Der Landtagsabgeordnete wollte den jungen Mann infolge dessen zur Rede stellen, woraufhin der Angreifer ihn zunächst beleidigte und dem Politiker dann ins Gesicht schlug, so die Informationen eines Polizeisprechers. Der 29-Jährige soll nun eine Strafanzeige wegen Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung erhalten.

Den traurigen Höhepunkt der Angriffe der letzten Tage bildet jedoch die Attacke gegen den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke. Beim Aufhängen von Wahlplakaten wurde er in Dresden von vier jungen Männern angegriffen und krankenhausreif geschlagen. Ecke erlitt einen Jochbeinbruch sowie zahlreiche Hämatome und musste sich infolgedessen einer Operation unterziehen. Einer der mutmaßlichen Angreifer, ein 17-jähriger Mann, stellte sich noch in der Nacht zu Sonntag selbst der Polizei und erklärte, am Angriff beteiligt gewesen zu sein. Auf seinem Handy sowie in seiner Wohnung sollen von den Ermittlern Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung gefunden worden sein. Drei weitere mutmaßliche Angreifer konnten ermittelt werden, nachdem der 17-jährige sich selbst stellte. Es handelt sich um junge Deutsche im Alter von 17 und 18 Jahren.

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Politische und gesellschaftliche Folgen der Angriffe

Nach dem Angriff auf den SPD-Politiker sind in Dresden Tausende von Menschen auf die Straßen gegangen - um gegen die zunehmende Gewalt zu protestieren und sich solidarisch zu zeigen. Unter ihnen war auch die SPD-Chefin Saskia Esken.

Sie warnte vor einer Verharmlosung des Angriffs. Kurz vor Beginn der Demonstration erklärte sie, dass es gefährlich sei, den Angriff als Tat eines Einzelnen abzutun und dass es deutlich sei, dass diese zunehmende Gewaltbereitschaft nicht vom Himmel fallen würde. Für sie ist der Grund offensichtlich: Die Gewaltbereitschaft resultiert aus der "Saat gesellschaftlicher Spaltung" sowie aus "Botschaften der Verächtlichmachung der Demokratie", die von der AfD und von anderen Rechtsextremisten ausgingen. (Zitate aus dem Bericht der Tagesschau).

Auch Katrin Göring-Eckardt (Grüne) gab ein eindeutiges Statement ab: Ostdeutschland habe im Jahr 1989 die Demokratie erstritten und nun werden sie nicht weichen gegen diejenigen, die die Demokratie verächtlich machen wollen - erst recht nicht, wenn einer von ihnen Gewalt erfahren müsse.

Solidarität mit Ecke wurde ebenfalls in Berlin gezeigt. Dort wurden mehr als 1000 Demonstranten auf der Straße gezählt. Anwesend waren dabei auch die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour sowie der SPD-Chef Lars Klingbeil und der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Auch die Ministerpräsidenten von Sachsen und Nordrhein-Westfalen, Michael Kretschmer und Hendrik Wüst (beide CDU) nahmen an der Veranstaltung teil.

Social Media und politische Inhalte

Wie bereits weiter oben beschrieben, verbreiten sich (politische) Nachrichten besonders über Social Media rasend schnell.

Auch sind die sozialen Medien zumindest wohl namentlich jedem bekannt. Meta, zu dem auch Instagram und Facebook gehören, sind schon seit längerer Zeit zunehmend in Kritik geraten. Meta wird dabei vorgeworfen, nach wie vor zu wenig gegen Hass- und Desinformationspostings zu unternehmen. Doch damit noch nicht genug: Der Algorithmus der Kanäle würde zu einer immensen Begünstigung von Extrempositionen beitragen, so der Vorwurf.

Meta reagierte daraufhin etwas ungewöhnlich: Politische Inhalte werden nun nur noch auf Nutzerwunsch hin empfohlen. Allerdings sind nur Inhalte von Accounts betroffen, denen man nicht ohnehin folgt. Außerdem gab es kein genaues Statement dazu, was und wie etwas als politischer und als nicht-politischer Inhalt ausgewählt wird.

Smartphone mit Social Media Apps

Die Community diskutiert..

Die Nachrichten bezüglich der Angriffe haben medial für viel Aufsehen gesorgt. Wir waren deshalb neugierig und wollten in unserer Meinung des Tages dazu von Euch wissen, welche Reaktionen Ihr aus der Politik erwartet und ob Ihr denkt, dass derartige Angriffe strenger geahndet werden müssen. Weiter hat uns interessiert, was Ihr über den Einfluss und die Rolle von Social Media im politischen Kontext denkt.

Nutzer EquiSinn findet, dass Angriffe auf Menschen generell härter bestraft werden sollten, vermutet außerdem, dass Politiker vielleicht Polizeischutz benötigen werden, spricht sich aber gegen eine Entpolitisierung des Internets aus:

Unsere Fragen an Euch:

  • Welche Reaktion erwartet Ihr nach den jüngsten Ereignissen von der Politik?
  • Sollten Angriffe auf Politiker härter bestraft werden?
  • Welche Maßnahmen zum Schutz von Politikern wären angebracht?
  • Wie kann eine gesunde Diskussions- und Streitkultur analog und im Netz wiederhergestellt werden?
  • Sollte das Internet / Social Media ein Stück weit entpolitisiert werden?
  • Wäre die Deaktivierung der Kommentarfunktion unter politischen Posts sinnvoll?

Zu 1.) Ich erwarte eine politische Aufarbeitung mit möglichst viel Transparenz, aktuell natürlich schwierig, da laufende Ermittlungsverfahren nicht zu transparent sein können. Einen gemeinsamen Schulterschluss gegen die Gewalt finde ich schon mal ein gutes Zeichen. Die Parteien müssen jedoch auch in die Köpfe ihrer Wähler bringen, dass Gewalt keine Lösung ist, aufgeheizt haben sie die Bevölkerung ja genug...

Zu 2.) Angriffe jeglicher Art auf andere Menschen sollten schärfer bestraft werden, Politiker sind auch nur Menschen, da würde ich kein zweites Maß setzen.

Zu 3.) Polizeischutz wird wohl nötig sein, traurig aber wahr... Persönliche Schutzmaßnahmen wie Bodyguards könnten auch helfen.

Zu 4.) Das ist DIE Frage, beschäftigt mich selbst schon lange. Das wird sehr schwierig und bedarf erst mal einer "Abkühlung" und vermutlich auch einer persönlichen Verfolgung von Hass und Hetze im Netz, die deutlich feiner durchgeführt werden muss, mit schmerzhaften Bestrafungen für die, die sich nicht an Regeln halten können.

Zu 5.) Nein, finde ich nicht. Politik gehört diskutiert, damit sie lebt und die heutige Welt läuft über die sozialen Medien. Ich finde nur, man muss die Inhalte besser im Auge haben und Hass und Hetze gleich ausbremsen.

Zu 6.) Teils ja, Teils nein. Klar, es sorgt für Ruhe, aber dann geht der Stress wo anders los, teilweise ohne exakten Bezug zum Originalposting und alles verzieht sich in "geheime Grüppchen". Besser moderiert, Hass und Hetze auch im Netz verfolgt und die Leute persönlich dafür verantwortlich gemacht.

Zur Antwort

Anders sieht es Topflappen555. Dieser Nutzer denkt, dass etwas mehr Zurückhaltung beim politischen Wahlkampf sinnvoll wäre und potentielle Gefahren eher von Einzelpersonen ausgehen:

Höhere Strafen und mehr Personenschutz mögen die naheliegendste Antwort sein, sind aber keine zielführende Lösung. Gerade dadurch kann sich das ohnehin schon angespannte Klima weiter hochschaukeln.

Die Politiker würden dadurch autoritärer wirken und sich weiter von der Bevölkerung entfernen.

Ich würde es für sinnvoll halten, wenn die Parteien sich beim Wahlkampf vielleicht in Zukunft auch ein bisschen zurückhalten würden, gerade was Öffentliche Plakate angeht. Die sehr großen Plakate an irgendwelchen Verkehrskreuzungen haben doch in den letzten Jahren ganz schön zugenommen.

Die größte Gefahr für Politiker geht meiner Meinung nach von verwirrten Einzelpersonen und radikalen Minderheiten aus, am naheliegensten wäre es daher solche Personen stärker zu beobachten.

Zur Antwort

Nochmal eine andere Perspektive hat Dabbdabb. In der Antwort wird deutlich: Die Politik müsse wieder mehr als Vorbild fungieren, sodass ein politischer Diskurs, der nicht (nur) emotional aufgeladen ist, überhaupt stattfinden kann. Außerdem soll es keine härteren Strafen in solchen Fällen geben, um nicht mit zweierlei Maß zu messen:

Was die politische Debattenkultur im Netz angeht, stinkt der Fisch vom Kopf.

Hier ist, in meinen Augen, u.a. die Politik selbst in der Verantwortung, welche diesbezüglich auch eine entsprechende Vorbildfunktion innehaben sollte. Mitunter sind es deren Protagonisten, die mit teils fragwürdigen Aussagen oder arrogantem, bevormundend-belehrendem Gebaren Unmut schüren und die Spirale der gegenseitigen Aufstachelung mit antreiben. Das der Diskurs (von beiden Seiten) vergiftet ist, sieht man wohl selbst aus angrenzenden Paralleluniversen. Es sollte daher dringend wieder vermehrt von der emotionalen auf die sachliche Ebene gewechselt werden. Debatten statt Brandmauern. Wie ich meine, muss das aber von ganz oben vorgelebt werden, damit ein spürbarer Effekt erzielt werden kann. Man sollte sich natürlich unbedingt auch im Kleinen darum bemühen.

Dennoch muss man sich darüber im Klaren sein, dass man (speziell) Social Media in Zeiten, in denen praktisch alle Lebensbereiche bis ins Private hinein von politischen Themen durchdrungen sind, nicht einfach so mir nichts dir nichts "entpolitisiert" bekommt. Wenn überhaupt wird das ein sehr langwieriger, gesellschaftlicher Prozess - im echten Leben, nicht online. Weitere staatliche Restriktionen im Netz, lehne ich aber entschieden ab. Sanktionsbewehrte Aussagen werden auch heute schon verfolgt. Von der Idee, auch nicht-justiziable Inhalte zu canceln, bin ich wahrlich kein Freund.

Und nein, Angriffe auf Politiker sollten nicht härter bestraft werden. Ein Messen mit zweierlei Maß darf und soll es nicht geben. Es trüge sicherlich auch nicht zur Entspannung der bemängelten Situation bei.

Oh, und bevor jetzt wieder der nächste Klugdefäkierer um die Ecke walzt: Natürlich ist körperliche Gewalt entschieden abzulehnen und die Schuld grundsätzlich zuerst beim Aggressor zu suchen. Mir geht es aber hier nicht um derlei Taten als Konsequenz eines möglichen Verhaltens, sondern um Prävention ebendieser Taten.

Zur Antwort

Hast Du von den vermehrten Angriffen in den letzten Tagen mitbekommen? Was denkst Du über diese Häufung? Ist sie besorgniserregend und muss hier schnell gehandelt werden?

Wie herauszulesen ist, sind die Meinungen in unserer Community wie gewöhnlich vielfältig und ermöglichen den Einblick in die unterschiedlichsten Perspektiven.

Du hast auch eine Meinung dazu? Wir sind gespannt, sie zu lesen! Antworte einfach bei unserer Meinung des Tages - wer weiß, vielleicht ist Deine Antwort Teil des nächsten Artikels!

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