Armutszeugnis Altersarmut: Rentiert sich die Rente noch?

Es liest sich ein wenig wie ein Wortspiel, dennoch wird die Absicherung für ältere Menschen der Gesellschaft oft als "veraltet" betitelt. Das trifft gleich auf mehreren Ebenen zu - einerseits, weil eine Reform des Rentensystems schon seit Jahren verlangt wird, um das Konstrukt zu überarbeiten, andererseits, weil ein Ungleichgewicht besteht: Zu viele Rentner, die Gelder beziehen, zu wenig junge Menschen, die einzahlen. Die Konsequenz: Niedrige Bezüge, zunehmende Altersarmut. In Österreich sieht das allerdings ganz anders aus - sollte Deutschland sich am Nachbarsland orientieren?

gutefrage-Redaktion
24.7.2024
Hand einer älteren Person und Geld

Der demografische und dessen Auswirkungen auf das deutsche Rentensystem

Seit 1957 ist die gesetzliche Rentenversicherung überwiegend über ein Umlageverfahren finanziert. Man spricht dabei auch von einem sogenannten "Generationenvertrag". Dabei trägt die erwerbstätige Generation die Renten der älteren Generation und sichert sich dadurch wiederum den eigenen späteren Anspruch auf diese entsprechenden Bezüge.
Es verwundert dementsprechend nicht, dass es bei dieser Art des Rentensystems sehr wichtig ist, wie viele Zahler auf wie viele Bezieher kommen.
Als Referenz: 1962 zahlten in Westdeutschland sechs Erwerbstätige die Bezüge eines Rentners. Elf Jahre später waren es bereits "nur" noch vier Arbeitnehmer, die eine Rente bezahlten. 1988 wurde das Verhältnis noch knapper: Drei Beitragszahler zahlten ermöglichten die Zahlung einer Rente.
Aktuell ist das Verhältnis sogar bei 2:1. Das heißt - zwei Beitragszahler stehen einem Altersrentner gegenüber.
Es lässt sich also deutlich sehen, dass das Verhältnis sich verändert. Dies kann nun durch zwei Möglichkeiten erklärt werden - entweder, es arbeiten immer weniger Menschen oder es gibt immer mehr Menschen, die Altersrente beziehen.
Überraschenderweise und anders, als häufig medial dargestellt, ist die Antwort nicht darin begründet, dass die jüngere Generation nicht mehr die nötige Motivation für die Arbeit aufbringt. Ganz im Gegenteil: Die
Zahl der Beitragszahler hat kontinuierlich zugenommen. Aktiv versichert sind derzeit 39,9 Millionen Menschen in Deutschland. Allerdings hat auch die Zahl derjenigen, die Altersrente beziehen, extrem zugenommen: Im Jahr 2022 wurden 18,6 Millionen Rentenempfänger in Deutschland gezählt.

Die Prognose, dass das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern künftig weiter abnehmen wird, gilt als gesichert. Auch diese These lässt sich einfach erläutern, denn ab 2020 gehen die geburtenstarke Babyboomer-Jahrgänge kontinuierlich in Rente. Dadurch geschehen gleich Verlagerungen auf beiden Seiten. Die Zahl der Rentenbezieher wird massiv ansteigen, die der Einzahler allerdings im Umkehrschluss auch stark schrumpfen.

Die aktuelle Situation für Langzeitversicherte

Die Politikerin Sahra Wagenknecht fragte erst kürzlich nach offiziellen Zahlen. Sie wollte konkret wissen, wie hoch die Bezüge nach 45 Versicherungsjahren derzeit sind. Die schockierende Resonanz: Jeder fünfte Rentner in Deutschland bezieht derzeit weniger als 1.200 Euro im Monat. Auch ist nach wie vor eine Kluft zwischen Ost und West bei den Auszahlungen unter diesen Parametern zu sehen. Interessant ist allerdings, dass diese Differenz, unter anderer Betrachtung, nämlich der der Durchschnittsrente im Allgemeinen, genau andersherum ausfällt.

Senior mit Stock

Renten im Osten und im Westen Deutschlands

Karte Deutschlands in schwarz, rot und gold

Obwohl die Teilung Deutschlands offiziell schon Jahrzehnte vorbei ist, gibt es besonders, was Finanzen angeht, zwischen Ost und West nach wie vor einige, teils massive, Unterschiede.

So ist es auch bei den Renten. Wenn
45 Jahre lang Beiträge in die Versicherung bezahlt wurden, so bezieht der Rentner im Westen durchschnittlich 1.663 pro Monat. Im Osten sind es 1.471 Euro. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 1.604 Euro.

Spitzenzahler ist Hamburg (1.721 Euro), gefolgt von NRW (1.709 Euro). Alle westdeutschen Länder - und Berlin - liegen durchschnittlich über einem Betrag von 1.600 Euro.

Sachsen hingegen belegt den vorletzten Platz mit 1.458 Euro Bezügen pro Monat, Thüringen bildet mit 1.437 Euro das bundesweite Schlusslicht.

Werden allerdings die allgemeinen Durchschnittsrenten betrachtet, also ohne die Voraussetzung, dass 45 Jahre eingezahlt wurde, so sind die Renten im Osten sogar höher als im Westen. Erklärt werden kann das dadurch, dass in Ostdeutschland besonders Frauen im Schnitt länger am Stück gearbeitet haben.

In Österreich gibt's durchschnittlich 800 Euro mehr

Architektur bewundern, Flanieren an der Donau, Wandern gehen oder ein Stück Sachertorte in der Sonne genießen - theoretisch könnten sich Rentner in Österreich das eher leisten als in Deutschland.
Doch woran liegt das? Österreich ist nicht besonders für dessen wirtschaftliche Kraft bekannt, sondern scheint viel mehr im soliden Mittelfeld zu liegen. Woher kommt das Geld für die Beiträge dort?

In unserem Nachbarsland gab es vor circa 20 Jahren eine Rentenreform. Dort wurden einige Parameter im System abgeändert, welche sich massiv von denen in Deutschland unterscheiden.
In Österreich
zahlen seitdem fast alle in die Rentenkasse ein - anders als in Deutschland etwa auch Staatsbeschäftigte.
Ebenso kann in der
Bundesrepublik auch nach fünf Jahren bereits die sogenannte "gesetzliche Altersrente" bezogen werden, die insbesondere oft an Hausfrauen, Selbstständige und Beamte ausgezahlt wird. Durch die kurze Versicherungsdauer sind die Beiträge entsprechend niedrig.
In Österreich bedarf es einer
Mindestversicherungsdauer von 15 Jahren, bis der Anspruch auf die gesetzliche Altersrente überhaupt erst besteht.
Zuletzt kommt noch ein Faktor dazu, der relativ nahe liegt: Die arbeitenden Österreicher zahlen wesentlich
höhere Beitragssätze - übrigens auch deren Arbeitgeber.

Flagge Österreichs
Euroscheine und -Münzen

Wagenknecht bezeichnet diese niedrigen Beiträge, mit denen deutsche Rentner zurecht kommen müssen, als politischen Skandal.
Argumentiert wird an dieser Stelle allerdings häufig auch, dass die Renten oft nicht das Gesamteinkommen ausmachen - etwa wenn im Haushalt anderweitig finanzielle Unterstützung existiert oder etwa andere Einnahmen vorliegen.

Wir wollten von unseren Nutzern auch hier wieder deren Meinung wissen. Besonders interessiert hat uns, ob Deutschland sich ein Vorbild an Österreich nehmen sollte und ob die Community die Mindesteinzahlungszeit von fünf Jahren für ausreichend hält. Diese und alle weiteren Fragen sowie Antworten findest Du hier.

Einen ausschnitt der Antworten findest Du im Folgenden.

Geraldianer erklärt sehr ausführlich, wie es zur Differenz zu Österreich kommen konnte und auch, wie sich demografisch betrachtet die Situation in einigen Jahrzehnten ändern könnte:

Wagenknecht hat da sicherlich einen Punkt, allerdings bietet sie wie immer keine Lösungen, sondern nur populistisches Gerede an.

In der Rentenpolitik haben sich Arbeitgeber, Banken, Versicherungen mit ihrer Lobby durchgesetzt. Es wurden seit Jahrzehnten keine Beiträge erhöht. Was die Arbeitgeber freut. Und Bürger sollten auf für die Geldwirtschaft profitable Mittel wie die Riesterrente gesetzt werden. Deshalb die großen Differenzen zu Österreich.

Die Schwerverdiener und die Beamten sind bei der Rente nur über den Steueranteil im Boot. Der erfüllt aber eher sozialpolitische Zwecke, wie Renten für Leute, die in der DDR oder in Russland eingezahlt haben. Ein Teil der Transferleistungen für den Osten läuft nun mal über die Rente.

Was aber auch nicht thematisiert wird, ist die Demografie. Wir haben aktuell ein Problem mit der starken Boomergeneration. Wenn die in 20 Jahren weggestorben ist, entspannt sich die Situation wieder. Wer heute jünger als 40 ist, hat im Alter kein Problem mehr, weil sich in seinem Alter das Verhältnis Jung-Alt drastisch verändert. Aber auch über diesen Punkt wird wegen der Banken- und Versicherungslobby geschwiegen.

Zur Antwort

Nutzer Fotograf1986 fürchtet eine ganz andere potentielle politische Entwicklung:

Wenn die AFD oder CDU an die Macht kommen definitiv.

Vor allem die AFD will ja Rente und Mindestlohn abschaffen. Gleichzeitig sollen Rentner wieder arbeiten gehen.

Daraus wird sich dann ergeben das Rentner für einen Appel und ein Ei malochen gehen müssen.

Ich werde bald in Rente gehen. Deswegen wähle ich Grün. Aktuell eine der wenigen Parteien die Bürgernahe Politik machen die sich um die Sorgen und Bedürfnisse des Volkes konzentrieren. Besonders was Rentner angeht.

Also mit einer Linken oder Grünen Regierung wird man gegensteuern das es den Rentnern besser geht und bei einer Blau/Schwarzen Regierung wird es den Rentnern schlecht ergehen.

Zur Antwort

AntoniOS1848 sieht die bereits existierende Altersarmut und begegnet dieser regelmäßig:

Ich denke, dass es mir der Zeit mehr Altersarmut geben wird, wenn die Politik nichts macht.

Schon wenn ich in der Stadt unterwegs bin, sehe ich immer mehr Senioren, die Pfandflaschen sammeln.

Mir tut es leid für die Älteren Menschen hierzulande, dass sie Jahrzehnte lang ins Deutsche Rentensystem eingezahlt haben, und es hat sich am Ende nicht ausgezahlt.

Deshalb unterstütze ich besonders Altenfreundliche Politik, denn eines Tages ist man ja selber in dem Alter.

Zur Antwort

Auch schelm1 hat zur Diskussion beigetragen und plädiert vor allem für präventive Maßnahmen und Aufklärung schon in jungen Jahren:

Staatsbeschäftigte sollten einzahlen und der Staat seine Bürger sehr frühzeitig darüber aufklären wie wichtig die private Altersvorsorge unter Verzicht z.B. wie "work-life-blance" etc. ist, um nicht in Altersarmut zu geraten.

Dazu gehören z.B. auch richtungsweisend die Sparkassengesetze der Bundesländer, ihnen wird die Aufgabe zugewiesen, den Sparsinn in der Bevölkerung zu wecken und zu fördern sowie Gelegenheit zur sicheren Geldanlage zu geben.

Die Verleitung zur lebenslangen ständig wachsenden Verschuldung über die Förderung des Konsumzwanges ist da eher destruktiv.

Zur Antwort

Wir haben uns - wie jeden Werktag - sehr über Eure rege Beteiligung gefreut und mit großem Interesse die vielseitigen und durchdachte Beiträge gelesen.
Hast Du auch eine Meinung zum Thema oder willst erzählen, wie Du für Dein Alter vorsorgst oder interessierst Dich für aktuelle gesellschaftliche oder politische Themen? Schau' gern beim
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